
Putin an der Pressekonferenz nach dem Genfer Gipfel.Bild: keystone
Der russische Präsident nahm sich verglichen mit seinem amerikanischen Amtskollegen viel Zeit für seine Pressekonferenz nach dem Genfer Gipfel. Und macht dabei Bekanntschaft mit einer hartnäckigen Journalistin.
17.06.2021, 09:0817.06.2021, 16:12
Der russische Präsident Wladimir Putin hielt seine Pressekonferenz gestern nach dem Genfer Gipfel als erster ab. Seine Aussagen zu Beginn hielt er kurz, schnell eröffnete er die Fragerunde mit den wartenden Journalistinnen und Journalisten.
Die russischen Journalistinnen und Journalisten machten den Anfang. Ihre Fragen waren eher allgemeiner Art und hatten die Ergebnisse des Gipfels im Fokus. Ein starker Kontrast zu den amerikanischen Journalisten, die hauptsächlich die menschenrechtliche Situation in Russland ansprachen – vor allem was den inhaftierten russischen Oppositionellen Alexej Nawalny angeht.
Eine dieser amerikanischen Journalistinnen war Rachel Scott, Reporterin für den TV-Sender ABC News. Unerschrocken fing sie an:
«Die Liste Ihrer politischen Gegner, die tot, inhaftiert oder im Gefängnis sind, ist lang.»
Zusätzlich habe Putin nun dafür gesorgt, dass jeder, der Nawalny unterstützt, nicht mehr für ein Amt kandidieren könne. Dann kommt ihre Frage:
«Herr Präsident, wovor haben Sie solche Angst?»
Putins Reaktion
Putin reagiert gelassen. Er verweist darauf, dass man Nawalnys inzwischen verbotene Partei als «extremistisch» eingeschätzt habe. Die Partei habe zu Massenunruhen aufgerufen.
Putin lenkt vom Thema ab, kommt auf die USA zu sprechen und verweist auf die Tötung eines Afroamerikaners im letzten Sommer. Daraufhin habe sich die «Black Lives Matter»-Bewegung gegründet. Putin werde dies nicht kommentieren, was er aber sagen will: «Wir sahen Zerstörung, Chaos und Gesetzesverstösse. Wir empfinden Mitleid für die USA, aber wir wollen nicht, dass sich so etwas in Russland abspielt.» Man wolle dies verhindern, aber:
«Das hat nichts mit Angst zu tun.»
Wladimir Putin
Rachel Scott lässt nicht locker
Doch Rachel Scott lässt sich nicht ablenken. Sie hakt nach:
«Sie haben meine Frage nicht beantwortet, Sir. Wenn alle Ihre politischen Gegner tot sind, im Gefängnis, vergiftet – sendet das nicht die Botschaft, dass Sie keinen fairen politischen Kampf dulden?»
Erneut setzt Putin auf «Whataboutismus», zu Deutsch etwa: «Aber was ist mit ...?»
«Was die Frage angeht, wer wen tötet und wen ins Gefängnis wirft», fängt Putin an und kommt auf die Erstürmung des US-Kapitols in Washington durch den Trump-Mob zu sprechen. Was sei denn dort passiert? Die Polizei habe Leute erschossen, die keine Waffen auf sich trugen. Immer noch seien mehrere Leute inhaftiert, dabei sei unklar, auf welcher Rechtsbasis. Putin wiederholt:
«Ich kann es nur noch einmal sagen: Wir wollen nicht, dass so etwas bei uns passiert.»
Auch Biden äussert sich zu Nawalny – und zieht Rote Linie
Kurz nachdem Putin seine Pressekonferenz beendet hatte, war US-Präsident Joe Biden an der Reihe. Er hat nach eigenen Angaben Kremlchef Wladimir Putin zu verstehen gegeben, dass die USA Menschenrechtsverletzungen in Russland weiter anprangern werden.
Biden habe Putin beim Gipfeltreffen in Genf gesagt, dass er keine Agenda gegen Russland habe. «Es geht nicht darum, Russland anzugreifen, wenn sie Menschenrechte verletzen», sagte Biden am Mittwoch.
Es gehe darum, demokratische Werte zu verteidigen. Kein Präsident der Vereinigten Staaten könnte das Vertrauen des amerikanischen Volkes halten, wenn dies nicht geschehe. «Das ist einfach Teil der DNA unseres Landes. Also werden Menschenrechte immer auf dem Tisch sein, habe ich ihm gesagt», erklärte Biden. Es müsse einige «grundlegende Regeln» geben, an die sich alle halten.
Die Konsequenzen für Russland wären «verheerend», sollte der inhaftierte Kremlkritiker Alexej Nawalny im Gefängnis sterben, sagte Biden auf eine entsprechende Frage eines Journalisten. Er habe auch die Fälle zweier, seiner Ansicht nach zu Unrecht in Russland inhaftierten US-Staatsbürger angesprochen, sagte Biden. Putin hatte zuvor deutlich gemacht, dass er einen Kompromiss in der Frage für möglich halte. Ein Gefangenenaustausch wurde am Mittwoch jedoch nicht vereinbart.
Der Gipfel mit Putin war das erste Treffen der Präsidenten der beiden grössten Atommächte seit Bidens Amtsantritt Anfang des Jahres. Das Verhältnis zwischen Moskau und Washington ist seit längerer Zeit zerrüttet. Das Treffen in der Villa La Grange aus dem 18. Jahrhundert mit Blick auf den Genfersee dauerte mehrere Stunden und hatte eine ganze Palette an Themen: von Fragen der atomaren Rüstungskontrolle über Menschenrechte bis hin zu Regionalkonflikten in Afghanistan, Syrien und Libyen. (jaw/sda/dpa)
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