Frau Botschafterin, wie erleben Sie die Stimmung in Israel aus der Ferne?
Ifat Reshef: Es sind schreckliche Tage. Wir sind noch immer daran, unsere Toten zu zählen. Die Todeszahlen steigen leider immer noch an. Ich muss hier deutlich werden: Es wurden barbarische Massaker an unschuldigen Zivilisten verübt. Eltern getötet, Kinder nach Gaza verschleppt. Was klingt wie Geschichten aus dem Holocaust, hat sich erneut ereignet: Kinder, die sich in Schränken verstecken, damit die Terroristen sie nicht finden.
Der Angriff der Hamas kam überraschend. Hat Israel deren Fähigkeiten unterschätzt?
Fragen wie dieser nachzugehen, ist wichtig. Wir Israelis müssen uns selbstkritisch fragen, was wir übersehen haben. Aber jetzt ist nicht die Zeit dafür. Jetzt sind wir damit beschäftigt – und auch vereint darin – Israel zu verteidigen. Wir sind noch mitten im Krieg. Einem ungerechtfertigten Krieg notabene, der uns aufgezwungen wurde.
Israel hat als Reaktion Luftangriffe durchgeführt und ebenfalls Menschen getötet. Heute Mittag hat das Land die Isolation des Gazastreifens angekündigt, will Strom und Lebensmittel kappen. Was sagen Sie dazu?
Israel hat jedes Recht dieser Welt, sich zu verteidigen. Die Hamas ist kein Deut besser als die Terrormiliz IS. Wir tun unser Bestes, bei der Verteidigung chirurgisch vorzugehen, damit keine unbeteiligten Personen zu Schaden kommen. Unglücklicherweise kann nicht immer verhindert werden, dass dabei Menschen getötet werden, wenn sich der Feind hinter seinen eigenen Zivilisten versteckt.
Premier Netanjahu hat erneut den Siedlungsbau vorangetrieben. Ist das ein Grund für die Angriffe der Hamas?
Nur die Hamas weiss, warum sie Israel angreift. Es gibt dafür keinen Grund, keine Rechtfertigung. Die israelische Regierung hat in den Monaten vor den Angriffen übrigens versucht, Projekte zu fördern, um die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung in Gaza zu verbessern.
Israel mobilisiert 300'000 Reservisten. 123'000 Palästinenser flüchten nach den Gegenangriffen. Die Hisbollah lobt den Angriff der Hamas. Droht ein neuer Flächenbrand?
Das ist schwierig vorauszusagen. Wir haben die Pflicht, die Sicherheit der israelischen Zivilbevölkerung wiederherzustellen. Israel bleibt – das ist kein Widerspruch – ein friedliebendes Volk. Aber: Friede kann nur mit Menschen gemacht werden, die Frieden wollen.
Sie sagen, Israel will Frieden. Leidtragend im Krieg ist die Zivilbevölkerung – auf beiden Seiten. Was halten Sie von Forderungen nach einer Zweistaatenlösung?
Diese Debatte ist immer noch relevant, in Israel wie in Ramallah. Aber jetzt ist dafür der falsche Moment. Wir müssen uns zuerst mit der Bedrohung Israels aus dem Gazastreifen befassen. Danach können wir daran arbeiten, das Vertrauen mit jenen Palästinensern, die an Frieden interessiert sind, wiederherzustellen. Das wird Zeit brauchen.
Wie lange?
Das kann ich nicht sagen.
Sprechen wir über die Rolle der Schweiz. Was kann die Schweiz als Mitglied des UN-Sicherheitsrates gegen die Angriffe ausrichten?
Die Schweiz und Israel haben sehr enge Beziehungen. Die Schweiz muss die Gräueltaten und Kriegsverbrechen der Hamas deutlich verurteilen. Und Israels Recht zur Selbstverteidigung unterstützen.
Anders als etwa die EU hat die Schweiz die Hamas nicht zur Terrororganisation erklärt. Muss sich das ändern?
Unbedingt. Das ist jetzt augenfälliger, als es ohnehin schon war.
Was, wenn die Schweiz das anders sieht? Würde das die Beziehungen zu Israel verschlechtern?
Wie gesagt: Unsere Beziehungen sind sehr gut. Wir haben eine gute Zusammenarbeit und ein gegenseitiges Interesse an der Förderung von Innovation und Forschung – und das seit langem. Wir werden diese Kooperationen trotz unserer Differenzen fortsetzen. Dennoch erwarte ich von der Schweiz ein klares Statement.
Die Schweiz unterstützt das UNRWA. Fordern Sie einen Stopp der Hilfszahlungen?
Nein. Ich bin sehr dafür, den Palästinensern zu helfen. Aber es kann nicht sein, dass die Schweiz indirekt Geldflüsse unterstützt, die dazu verwendet werden, Kinder zur Verherrlichung von Terroristen zu erziehen.
Fürchten Sie nun um die Sicherheit von Juden und Synagogen hier in der Schweiz?
Ich bin immer besorgt um die Sicherheit von Juden weltweit. Weil die Vergangenheit gezeigt hat, dass antisemitische Übergriffe zunehmen, wenn Israel attackiert wird. Die Schweizer Behörden sind zuständig für die Sicherheit der Schweizer Juden – ich habe Vertrauen, dass die Schweizer Behörden ihren Job gut machen.
Genau das, ist der springende Punkt.
Die Zeit kann da leider keine Wunden heilen, weil es keine Zeit gibt, die Wunden heilen könnten.
Sie hat aber auch gelogen und den Siedlungsbau als Projekte quasi als Versuche zur Verbesserung wirtschaftlichen Lage der Leute in Gaza dargestellt.
Dass sie mehrmals auf Fragen nicht antwortete, weil jetzt nur die Verteidigung Israels wichtig sei. Diese Ansicht ist, von Ihrer Warte aus, (nur) jetzt, verständlich.
Aber Israel hat schnell vieles zu reparieren, zurückzugeben und ernsthaft auf Provokationen ála Bibi für immer zu verzichten.