Die Schweiz will rund 20 unbegleitete Kinder und Jugendliche aus dem niedergebrannten Flüchtlingslager Moria auf Lesbos aufnehmen. Das teilte der Bundesrat am Freitag mit. Im Zentrum steht für die Regierung aber die Hilfe vor Ort.
Am Freitagnachmittag geht ein Hilfsflug mit rund einer Tonne Material nach Athen ab. An Bord sind Schlafsäcke, Schlafmatten, Wasserkanister, Küchenutensilien und andere Hilfsgüter, um welche die griechische Regierung ersucht hatte.
Ebenfalls im Flugzeug sitzen zwei Spezialisten des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH). Das Aussendepartement EDA hat bis zu einer Million Franken für die humanitäre Hilfe bereitgestellt, um auf die dringendsten Bedürfnisse der vom Brand betroffenen Menschen reagieren zu können.
Nach dem Grossbrand im griechischen Migrantenlager Moria wollen sich neun EU-Staaten und die Schweiz an der Aufnahme von 400 unbegleiteten Minderjährigen beteiligen.
Es gehe vor allem darum, unverzüglich die Unterbringung, Versorgung und den Schutz der Migrantinnen und Migranten sicherzustellen, schreibt der Bundesrat. Eine Verteilung der betroffenen Migrantinnen und Migranten in die EU-Länder steht nach seinen Angaben nicht im Vordergrund.
Die Schweiz ist aber bereit, 20 der insgesamt rund 400 unbegleiteten Minderjährigen aufzunehmen. Das stellte das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf eine informelle Anfrage aus Deutschland hin in Aussicht. Diese besonders vulnerablen Kinder und Jugendlichen sollten umgehend evakuiert und in anderen europäischen Ländern aufgenommen werden, heisst es in der Mitteilung.
Der deutsche Innenminister Horst Seehofer sagt zuvor in Berlin: «Unsere Kontakte mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben bis zur Stunde dazu geführt, dass sich mit uns zehn europäische Mitgliedsländer an den Hilfen – das heisst an der Umsiedlung für die unbegleiteten Minderjährigen – beteiligen.»
In der von Seehofer genannten Zahl zehn ist die Schweiz inbegriffen, die kein EU-Mitglied ist. Man sei aber noch mit weiteren Ländern im Gespräch. Es sei angesichts der Regierungsbeteiligung der Grünen in Österreich «überraschend», dass Wien bislang keine Zusage gemacht habe.
Ein Grossteil der Menschen – je 100 bis 150 – werde von Deutschland und Frankreich aufgenommen, erklärte der Minister. In Deutschland sei eine Ankunft der Jugendlichen spätestens bis Monatsende geplant.
Eine genaue Zahl könne aber erst genannt werden, wenn die Gespräche mit den anderen EU-Staaten abgeschlossen seien. «Die 400 Minderjährigen sind ein erster Schritt und diesem ersten Schritt wird ein weiterer folgen», erklärte Seehofer. Er wolle, dass man sich dabei auf Familien mit Kindern konzentriere.
Das Lager Moria war in der Nacht zum Mittwoch durch zahlreiche Brände fast vollständig zerstört worden. Statt der vorgesehenen knapp 3000 Migranten waren dort mehr als 12'000 Menschen untergebracht gewesen. Einige der Migranten sollen Feuer gelegt haben, nachdem für die Bewohner des Lagers wegen Corona-Infektionen Quarantäne verordnet worden war. Die «Nicht-Lösung» in den Verhandlungen zu einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik habe zu der jetzigen katastrophalen Situation auf Lesbos geführt, sagte Seehofer.
Er berichtete, dass Griechenland am Donnerstag Vorschläge übermittelt habe, wie Deutschland bei der Unterbringung und Versorgung der obdachlos gewordenen Menschen vor Ort helfen könne. Die deutsche Regierung wolle sich nun mit den deutschen Hilfsorganisationen zusammensetzen, um möglichst umfassend zu helfen. Das Technische Hilfswerk habe sich am Freitag zudem auf den Weg gemacht, um Zelte, 1400 Feldbetten und Schlafsäcke nach Lesbos zu bringen.
Der für Migration zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Margaritis Schinas, sagte: «Moria existiert nicht mehr.» Mit Hilfe der Europäischen Union solle nun eine neue, modernere Einrichtung errichtet werden, in der Asylverfahren schneller durchgeführt werden könnten. Dies wolle er dem griechischen Regierungschef vorschlagen.
Schinas bekräftigte zudem, dass die EU-Kommission am 30. September neue Vorschläge für die jahrelang blockierte Reform der EU-Migrations- und Asylpolitik vorlegen werde. (sda/dpa)
Eine nachhaltige Lösung muss her, alles andere ist ein weiterer Tropfen auf den heissen Stein.