Die Ukraine hat in der Region rund um die Hauptstadt Kiew die Leichen von insgesamt 410 Bewohnerinnen und Bewohnern geborgen, wie die ukrainische Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa am Sonntagabend auf Facebook schrieb.
Die Ukraine macht für das «Massaker» russische Truppen verantwortlich, welche die kleine Stadt Butscha bis vor kurzem besetzt hatten – Moskau bestreitet dies jedoch.
Französische Medienschaffende, die nach der Befreiung Zugang zur Stadt hatten, berichten von mindestens 20 Toten auf einer einzigen Strasse – alle seien zivil gewesen.
«Diese Menschen wurden erschossen», zitiert die Agentur Agence France-Presse den Stadtpräsidenten von Butscha, Anatoly Fedoruk. 280 weitere seien in Massengräbern beerdigt worden.
Bei ihrem Rückzug sollen die russischen Soldaten Kinder als menschliche Schutzschilde benutzt haben. Der ukrainische Generalstaatsanwalt stelle dazu ein Dossier zusammen, berichtet der britische «Guardian».
Die Geschehnisse in Butscha lösen international Entsetzen aus. «Diese Verbrechen des russischen Militärs müssen wir schonungslos aufklären», sagte der deutsche Kanzler Olaf Scholz. Aus Paris, Rom und weiteren europäischen Städten kamen ähnliche Forderungen.
Die Pressestelle der Botschaft der Russischen Föderation in Deutschland wies auf ihrem Twitterkanal ebenfalls die Verantwortung am Tod der Zivilistinnen und Zivilisten in Butscha zurück – und markierte hohe Amtspersonen aus Deutschland.
Das brachte der Organisation prompt einen Rüffel der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) ein, die ebenfalls markiert wurde. Sie beschuldigte Russland und Kreml-Chef Wladimir Putin, «grausame und massive Kriegsverbrechen» begangen zu haben:
Verschonen Sie uns mit Ihren menschenverachtenden Lügen und wagen Sie es nicht, mich zu markieren. Der Tag wird kommen, an dem Putin & seine Schergen, also auch Sie, sich für diese grausamen und massiven Kriegsverbrechen in Den Haag verantworten müssen. Sie gehören ausgewiesen.
— Marie-Agnes Strack-Zimmermann (@MAStrackZi) April 3, 2022
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Die EU will ihre Sanktionen jetzt nochmals verschärfen und später die Verantwortlichen für «das Massaker» vor Gericht bringen.
Auch aus der Schweiz kommen deutliche Worte. Auf Anfrage schreibt das Aussendepartement: «Dem EDA sind die schrecklichen Bilder aus Butscha bekannt; Sie lassen schwere Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht befürchten.» Die Geschehnisse bedürften «einer unabhängigen internationalen Untersuchung», so das EDA weiter.
FDP-Vizepräsident Philippe Nantermod twitterte: «Die Bilder von Butscha sind absolut widerlich und unerträglich. Wir können einer solchen Barbarei nicht gleichgültig gegenüberstehen.» Es sei notwendig, «alle angemessenen Sanktionen und Massnahmen zu unterstützen, um diesen Krieg zu beenden und die Verbrecher zu bestrafen, die ihn verursacht haben».
Les images de #Bucha sont absolument écœurantes et insoutenables. On ne peut rester insensible face à une telle barbarie. Il est nécessaire de soutenir toutes les sanctions et mesures propres à faire cesser cette guerre et punir les criminels qui l’ont causée.
— Philippe Nantermod (@nantermod) April 3, 2022
SP-Nationalrat Fabian Molina schrieb: «In der Ukraine werden vor den Augen der Weltöffentlichkeit Kriegsverbrechen verübt.» Wehrlose Menschen würden ermordet. Molina fordert: «Die Schweiz muss den Handel mit russischen Fossilen verbieten!»
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat mehrere Fälle von mutmasslichen Kriegsverbrechen der russischen Armee bei Kiew, in Tschernihiw und Charkiw dokumentiert. Am Sonntag veröffentlichte sie ihren Bericht.
Darin festgehalten: Vergewaltigungen und Massenhinrichtungen. «Die Fälle, die wir dokumentiert haben, laufen auf unsägliche, vorsätzliche Grausamkeit und Gewalt gegen ukrainische Zivilisten hinaus», sagte Hugh Williamson, Europa-Direktor bei Human Rights Watch. «Vergewaltigung, Mord und andere Gewalttaten gegen Personen im Gewahrsam der russischen Streitkräfte sollten als Kriegsverbrechen untersucht werden.»
Die einstige Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes für Jugoslawien, Carla Del Ponte, fordert einen Haftbefehl für den russischen Präsidenten. «Putin ist ein Kriegsverbrecher», sagte sie am Wochenende der Westschweizer Zeitung «Le Temps».