Offiziell ist Ralf Heckner erst knapp fünf Monate im Amt. Aber bereits hat der Schweizer Botschafter in Washington zwei Präsidenten erlebt. Sein Amt trat Heckner, geboren 1967 in Davos, im September an, als noch Joe Biden im Weissen Haus arbeitete. Am Montag war Heckner, der zuvor als Botschafter in Indien und Bhutan amtiert hatte, nun im Kapitol zugegen, als Bidens Nachfolger seinen Amtseid ablegte.
Sie haben am Montag an der Amtseinführung von Präsident Trump im Capitol teilgenommen. Wie haben Sie diese Zeremonie miterlebt?
Ralf Heckner: Positiv. Man hat gespürt, dass der neue Präsident bereit ist, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Die Zeremonie symbolisierte auch die friedliche Übergabe der Macht von einer amerikanischen Regierung zur nächsten – und das hat man als Teilnehmer auch ganz klar gespürt.
Die Zeremonie musste im Kapitol stattfinden, aufgrund des kalten Winterwetters. Hatten Sie einen guten Sitz?
Weil der Platz im Kuppelsaal des Kapitols begrenzt war, mussten einige geladene Gäste – das diplomatische Korps, Gouverneure, die Gatten von Kongressabgeordneten – ins Besuchszentrum des Parlamentsgebäudes ausweichen. Ich verfolgte die Vereidigung von Präsident Trump auf einem Bildschirm mit.
Und dennoch hörten auch Sie eine Trump-Rede.
Genau. Zusammen mit seiner Frau, dem Vizepräsidenten JD Vance und Speaker Mike Johnson kam der neue Präsident nach der Vereidigung ins Besuchszentrum. Und dort hielt er vor den geladenen Gästen noch einmal eine Art Rede, in der er vor allem über die Migrationspolitik sprach.
Diese Rede wirkte improvisiert, im Gegensatz zu seiner ersten Ansprache als Präsident, die Trump einstudiert hatte. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie ihn aus dem Stegreif sprechen hörten?
Das Publikum, zu dem Trump im Besuchszentrum sprach, setzte sich vor allem aus seinen Wählerinnen und Wählern zusammen. Präsident Trump hielt deshalb eine Rede, die für seine Anhänger bestimmt war. Auch deshalb konzentrierte er sich auf eines der wichtigsten Wahlkampfthemen.
Nun waren Sie ja im Kapitol nicht als Privatperson anwesend, sondern als Vertreter der offiziellen Schweiz. Basierend auf diesen Reden – auf was muss sich unser Land in der zweiten Amtszeit des Republikaners einstellen?
Wir haben von Trump keine neuen Rede-Elemente gehört. Seine Themen sind aus dem Wahlkampf bekannt. Mir sind zwei Elemente aufgefallen. Er sprach über die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen und über das industrielle Wachstum. Da sind wir gut aufgestellt, finde ich, haben doch Schweizer Firmen in den USA 400'000 gut bezahlte Arbeitsplätze kreiert. Auch ist die Schweiz der sechstwichtigste ausländische Investor in den Vereinigten Staaten.
Das ist ein Thema, mit dem sie schon seit dem Beginn ihrer Amtszeit im vergangenen September vertraut sind.
Genau, seit meiner Ankunft in Washington sehe ich, wie eine Schweizer Firma nach der anderen eine neue Produktionsstätte in den USA eröffnet. Viele bilden auch Lehrlinge aus. Sie helfen damit, eines der Ziele von Präsident Trump zu erreichen: Die Stärkung der industriellen Basis in den USA.
Eher überraschend verzichtete Trump bisher darauf, massive neue Strafzölle gegen Importe zu verhängen. Ist das ein gutes Zeichen für die Exportnation Schweiz?
Gute Nachrichten sind immer willkommen. Aber Präsident Trump im Wahlkampf und nach seinem Wahlsieg klargemacht, dass er Zölle auf importierten Gütern und Dienstleistungen erheben will. Deshalb würde ich sagen, dass Strafzölle immer noch zur Debatte stehen.
Was ist Ihnen an den Wortmeldungen von Trump sonst noch aufgefallen?
Trump hat gesagt, er wolle als Friedensstifter in die Geschichte eingehen. Aus Schweizer Sicht muss man sagen: Eine friedlichere Welt ist sicherlich eine bessere Welt.
Hatten Sie Gelegenheit, mit Trump am Montag direkt zu sprechen?
Das diplomatische Korps wurde nach der Zeremonie im Capitol im Blair House empfangen, dem Gästehaus des amerikanischen Präsidenten. Später war ich auch an einem der Bälle eingeladen. Aber das sind sehr, sehr grosse Anlässe, mit Tausenden von geladenen Gästen. Das war nicht so organisiert, dass man als ausländischer Diplomat direkt mit Trump hätte sprechen können. (bzbasel.ch)