Bei der Konferenz soll es um die Eckwerte für den Wiederaufbau der Ukraine gehen. Der Weg zum Wiederaufbau führe über einen breit abgestützten politischen und diplomatischen Prozess, sagte Bundespräsident Ignazio Cassis vergangene Woche bei einer Medienorientierung in Bellinzona. «Diesen Prozess wollen die Schweiz und die Ukraine mit den internationalen Partnern in Lugano lancieren.»
Due settimane alla Ukraine Recovery Conference #URC2022 🇺🇦 Una responsabilità e opportunità per la Svizzera 🇨🇭 di contribuire alla stabilità in Europa. Wir sind bereit, in #Lugano gemeinsam mit den beteiligten Akteuren den Wiederaufbau-Prozess international zu lancieren. pic.twitter.com/ravS7BIApg
— Ignazio Cassis (@ignaziocassis) June 20, 2022
Den Veranstaltern schwebt eine Art Paten-System vor. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hofft, dass die grossen Unternehmen und Partnerländer an der Wiederaufbaukonferenz Wege finden und eigene Vorschläge machen werden, um die Ukraine beim Aufbau zu unterstützen. Die Ukraine stelle sich vor, dass jedes Partnerland und jede Firma eine bestimmte Region oder eine bestimmte Industrie beim Wiederaufbau unterstützen könne, sagte Selenskyj bei seinem Video-Auftritt am WEF Ende Mai.
Sie sind teilweise sehr hoch. Der Schweizer Sonderbotschafter für die Ukraine-Konferenz, Simon Pidoux, zog vergangene Woche gar Vergleiche mit dem Marshallplan. Mit dem riesigen Hilfspaket legten die US-Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg den Grundstein für den wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas.
Am Ende der Konferenz soll die sogenannte «Deklaration von Lugano» verabschiedet werden. Ob sie in ferner Zukunft in einem Atemzug mit dem Marshallplan genannt werden soll, wird sich weisen.
Deutlich gedämpfter sind die Erwartungen etwa bei Magdalena Martullo-Blocher. Die Schweiz werde wahrscheinlich keine bedeutende Rolle bei der Suche nach Lösungen im Ukraine-Krieg spielen, sagte die SVP-Nationalrätin kürzlich in einem NZZ-Interview. «Selenskyj wird vielleicht per Video zugeschaltet, die Russen kommen gar nicht. Verhandeln kann man nur, wenn die Verhandlungspartner grundsätzliche Bereitschaft dafür zeigen.»
Das sehen einige Politiker tatsächlich so. SVP-Parteichef Marco Chiesa äusserte ebenfalls Bedenken zur Konferenz. «Ich kann diese Lugano-Konferenz nicht unterstützen. Sie macht gar keinen Sinn», sagte er Mitte Juni gemäss dem «Blick». Es sei zu früh, jetzt über den Wiederaufbau zu sprechen, so der Tessiner Ständerat. «Der Krieg ist noch in vollem Gang. Es ist völlig unklar, was überhaupt alles wieder aufgebaut werden muss.» Teilnehmen will Chiesa an der Konferenz trotzdem.
Anders sehen dies Cassis und sein Sonderbotschafter Pidoux. Der Marshallplan sei auch zwei Jahre vor Ende des Zweiten Weltkrieges aufgegleist worden, erinnerte Pidoux. Die Gründung der UNO sogar vier Jahre vor 1945. Zudem meinte Pidoux: «Wir hoffen alle, dass der Krieg nicht mehr so lange dauert.»
Cassis erwartet die Teilnahme von 40 Staaten und 18 internationalen Organisationen. Insgesamt sollen über 1000 Personen teilnehmen.
Bereits angemeldet haben sich die Regierungschefs der Tschechischen Republik und von Litauen. Ausserdem wird die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, erwartet sowie eine Reihe von Ministern. Cassis meinte vergangene Woche, dass die letzten Anmeldungen wohl erst kurz vor Konferenzbeginn eingehen würden.
Wolodymyr Selenskyj dürfte wahrscheinlich nicht nach Lugano reisen. Der ukrainische Präsident wird voraussichtlich per Videoschalte teilnehmen. Das Aussendepartement EDA rechnet aber damit, dass der ukrainische Premierminister Denys Schmyhal vor Ort sein wird, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet.
Sollte sich Selenskyj doch noch für eine physische Teilnahme in Lugano entscheiden, dürfte auch die Zahl anderer Staatschefs zunehmen. Wer von den US-Amerikanern teilnimmt, ist derzeit nicht bekannt. Gänzlich abwesend sind russische Vertreterinnen.
Von Schweizer Seite werden Bundespräsident Cassis und Bundesrätin Simonetta Sommaruga an der Konferenz teilnehmen. Auch werden zahlreiche Ständerätinnen und Nationalräte nach Lugano reisen.
Die Konferenz findet in einem Umfeld grosser internationaler Spannungen statt. Zudem werden viele hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus rund vierzig Ländern an der Konferenz teilnehmen. Dementsprechend aufwendig gestalten sich die Sicherheits-Vorkehrungen.
Die Gesamtleitung über den Einsatz obliegt der Kantonspolizei Tessin. Diese erhält Unterstützung von den Einsatzkräften der Kantone und des Bundes. Der Bundesrat bietet für die Konferenz 1600 Armee-Angehörige auf. Derweil stellt die Luftwaffe den Luftpolizeidienst sicher. 80 Prozent der Sicherheitskosten, die für den Kanton Tessin anfallen, werden vom Bund übernommen.
Der Einsatz im Kanton Tessin stellt die anderen Kantone teilweise vor Schwierigkeiten. Im Kanton Luzern werden diesen Sommer wegen Personalmangels 20 kleinere Polizeiposten geschlossen. Die Polizeiführung begründete den Entscheid damit, dass die Luzerner Polizistinnen und Polizisten an vielen Veranstaltungen präsent sein müssten. Nun kämen auch noch Einsätze an internationalen Kongressen hinzu. Etwa beim WEF, der Ukraine-Konferenz oder dem Zionistenkongress in Basel.
In Lugano soll die Zone, die für die Bevölkerung gesperrt wird, so klein wie möglich gehalten werden, sagte Matteo Chocchi, Kommandant der Tessiner Kantonspolizei, vergangene Woche. Cassis ergänzte, dass für die Bevölkerung in und um Lugano im Rahmen der Konferenz ein kulturelles Rahmenprogramm zusammengestellt werde.
Das mit der UNO stimmt so auch nicht die wurde 1942 aufgegleist mit der Deklaration der Vereinten Nationen, gegründet wurde sie aber am 26. Juni 1945.