Die Bundesratsreise 2025 führt in den Kanton St.Gallen, die Heimat von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter. Allzu gross dürfte ihre Feierlaune nicht sein, denn nach der letzten Bundesratssitzung vor den Sommerferien am Mittwoch wurden zwei für sie unerfreuliche Botschaften kommuniziert. Sie dürften die Finanzlage des Bundes weiter verschärfen.
Erst trat die FDP-Finanzministerin selbst vor die Medien. Es ging um das Entlastungspaket, mit dem der Bundesrat auf drohende Defizite in Milliardenhöhe reagieren will. Nach heftiger Kritik in der Vernehmlassung wurde es reduziert. Die Expertengruppe Gaillard hatte in ihrem Bericht für 2027 Einsparungen von 3,9 Milliarden Franken vorgeschlagen. Jetzt sind es noch 2,4 Milliarden.
Damit reagierte der Bundesrat auf den Widerstand von Kantonen und Gemeinden, die nicht zu Unrecht fürchten, die Sparmassnahmen des Bundes würden letztlich an ihnen hängen bleiben. Bei der Finanzierung der Kinderbetreuung hatte der Bundesrat dies auch explizit so kommuniziert. Nun will er den Kantonen in einigen Bereichen entgegenkommen.
Ihre Skepsis konnte er damit nicht zerstreuen. Auch bei den geplanten Steuererhöhungen für die bislang privilegierten Kapitalbezüge aus der zweiten und dritten Säule macht der Bundesrat Abstriche. Beträge bis 100’000 Franken sollen davon ausgenommen werden. Die FDP, Keller-Sutters Partei, tobt dennoch und droht bereits mit dem Referendum.
So weit wird es kaum kommen. Die «Vorsorgesteuer» dürfte von den Bürgerlichen im Parlament versenkt werden – und damit jener Teil des Pakets, der Mehreinnahmen vorsieht. Hart bleibt der Bundesrat bei Einsparungen in anderen Bereichen, etwa der Klimapolitik, was dem «Zeitgeist» entspricht. So sollen 400 Millionen Franken für Gebäudesanierungen wegfallen.
Das bringt die Grünen auf die Palme. «Karin Keller-Sutter und der No-Future-Bundesrat wollen weiterhin dem Klima an den Kragen», meinte Parteipräsidentin Lisa Mazzone. Keller-Sutter wiederum ermahnte das Parlament, es müsse «in der Realität ankommen und sich an die Verfassung halten, wonach die Bundesfinanzen im Gleichgewicht sein müssen».
Es wirkt wie eine Durchhalteparole, denn auch andere Sparvorschläge stossen bei den Betroffenen auf Ablehnung. Es zeichnet sich ab, dass nur einzelne Massnahmen die parlamentarische Debatte «überleben» werden, wenn überhaupt. «Der ‹Sparplan› des Bundesrats ist zum Scheitern verurteilt», schrieb watson schon im letzten Herbst.
Gleichzeitig drohen bei einem Prestigeprojekt happige Mehrkosten: bei der Beschaffung des US-Kampfjets F-35. 36 dieser Hightech-Flieger will die Schweiz kaufen, zum «Fixpreis» von sechs Milliarden Franken, wie die damalige Verteidigungsministerin Viola Amherd wiederholt betonte. Doch nun müsste sie bis zu 1,3 Milliarden «nachschiessen».
Die USA bezeichnen den angeblichen Fixpreis als «Missverständnis». Warnungen vor der «Kostenfalle» gibt es, seit Amherd vor vier Jahren den F-35-Entscheid kommuniziert hatte. Die Eidgenössische Finanzkontrolle schrieb 2022, es gebe «keine rechtliche Sicherheit für einen Festpreis im Sinne einer Pauschale nach schweizerischer Rechtsprechung».
Dies scheint sich zu bewahrheiten. Verteidigungsminister Martin Pfister und Rüstungschef Urs Loher wollen den «Aufpreis» nicht hinnehmen, wie sie am Mittwoch vor den Medien betonten. Sie möchten mit diplomatischen Mitteln den Fixpreis durchsetzen, während die Schweiz gleichzeitig versucht, mit der Trump-Regierung die Zusatzzölle «wegzuverhandeln».
Ihre Chancen sind überschaubar, und das nicht nur, weil die USA grundsätzlich am längeren Hebel sitzen. Ein Gesetz verbiete es der US-Regierung, bei Rüstungskäufen andere Länder auf Kosten ihrer Steuerzahler zu bevorzugen, berichtete Radio SRF am Donnerstag. Die Schweiz muss wohl die Mehrkosten «schlucken» oder die Zahl der Flugzeuge reduzieren.
Pfister und Loher verbreiteten am Mittwoch Durchhalteparolen, ebenso bürgerliche Politiker. Von SP und Grünen gibt es Forderungen nach einer neuen Volksabstimmung und einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK). Beim Stimmvolk hätte der F-35 einen schweren Stand, wie eine watson-Umfrage zeigt. 66 Prozent würden ihn heute ablehnen.
Viel Kritik prasselt auf Viola Amherd ein, und das nicht zu Unrecht. Ihr Beharren auf dem Fixpreis war blauäugig, denn bei Rüstungsgeschäften sind Kostenüberschreitungen keine Seltenheit. Die Schweiz erlebte dies in den 1960er Jahren beim Kauf des französischen Mirage-Kampfflugzeugs. Statt 100 Maschinen wurden am Ende nur 57 beschafft.
Mögliche Zusatzkosten in Milliardenhöhe beim F-35, dazu ein Sparpaket auf wackeligen Beinen: Dem Bund droht ein Finanzdebakel, denn weitere Mehrausgaben sind programmiert, vor allem bei AHV und Armee. Die 13. Rente muss finanziert werden, und das Armeebudget soll bis 2035 auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts angehoben werden.
Die NATO hat am Mittwoch sogar ein 5-Prozent-Ziel beschlossen. Selbst wenn dabei «getrickst» wird und die Schweiz auf ihre höhere Kaufkraft verweist, könnte sie unter Druck geraten, nachzuziehen. Zum Beispiel von Donald Trump und seiner Regierung. Dabei wissen Bundesrat und Parlament schon heute nicht, wie sie das 1-Prozent-Ziel bezahlen wollen.
Die am Mittwoch verbreiteten Durchhalteparolen nutzen sich ab. Mehreinnahmen müssen irgendwann zum Thema werden, etwa durch eine Lockerung der Schuldenbremse. Das ist leichter gesagt als getan. Während in Deutschland das Parlament zuständig ist, braucht es in der Schweiz zwingend einen Volksentscheid. Ein Spaziergang dürfte das nicht werden.
«Die tiefe Verschuldung der Schweiz ist ein Trumpf, den wir nicht aus der Hand geben», betonte Karin Keller-Sutter am Mittwoch. Von Steuererhöhungen will sie nichts wissen, und auch diese müssten eine Abstimmung mit Ständemehr überstehen. Doch Durchwursteln und Hoffen auf höhere Einnahmen als budgetiert sind keine Strategie.
Lasst diese Unternehmen und das Vermögen über angemessene Steuern am Ausbau der Infrastruktur und des Service public teilhaben. Sollten deshalb einige wieder abwandern, auch gut dann braucht es weniger Ausbau und der Dichte-Stress sinkt.
Wachstum für Wirtschaftswachstum ist in der Schweiz langfristig nicht nachhaltig. Schon gar nicht wenn Bevölkerungswachstum grösser ist als Wirtschaftswachstum.