Die Diskussion um die Wiederausfuhr von Schweizer Rüstungsgütern ist um ein Kapitel reicher: Wie die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles am Dienstagnachmittag bekanntgab, könne das Land aufgrund einer fehlenden Bewilligung der Schweiz bestimmte militärische Güter nicht an die Ukraine liefern.
Gemäss diversen spanischen Medien – darunter das Nachrichtenportal Europapress – kritisierte Robles an einer Versammlung der spanischen Botschafter in Madrid die Schweizer Gesetzgebung scharf.
Sie respektiere zwar die Schweizer Neutralität, doch dadurch werde Spanien aktuell daran gehindert, «sich an einer legitimen Verteidigung gegen die ungerechte, illegale und grausame russische Invasion» in der Ukraine zu beteiligen. Robles kündete an, demnächst bei der Schweiz vorstellig zu werden.
Das ist bis anhin noch nicht geschehen: Das zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) teilt auf Anfrage mit, dass es «bis zum jetzigen Zeitpunkt keine Anfrage auf dem offiziellen Kanal für eine Weitergabe von Schweizer Kriegsmaterial durch Spanien an die Ukraine erhalten» habe. Sollte eine solche in den kommenden Tagen eintreffen, hält das Seco folgende Antwort bereit: «Aufgrund des neutralitätsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots und des Kriegsmaterialgesetzes kann eine Weitergabe von Schweizer Kriegsmaterial an die Ukraine nicht bewilligt werden.»
Grund dafür ist die sogenannte Nichtwiederausfuhr-Erklärung. Diese ist im Kriegsmaterialgesetz verankert. Sie sieht vor, dass sich alle Länder, die Waffen oder Munition aus der Schweiz beziehen, dazu verpflichten, die militärischen Güter nicht ohne Erlaubnis an einen Drittstaat weiterzugeben. Jegliche Ausfuhren in Länder, die in einen «internationalen bewaffneten Konflikt» verwickelt sind, bleiben gemäss Gesetz verboten, da sie nicht mit der Schweizer Neutralität vereinbar seien.
Ähnliche Gesuche haben die Schweizer Behörden bereits im vergangenen Jahr abgelehnt. Im April gelangte die deutsche Regierung mit zwei Gesuchen an die Schweiz: Sie wollte der Ukraine einerseits in der Schweiz hergestellte Munition für den Gepard-Panzer, andererseits mehrere Radschützenpanzer aus Schweizer Produktion zur Verfügung stellen. Im Juni bat zudem Dänemark um eine Erlaubnis für die Weitergabe von 22 Radschützenpanzern an die Ukraine. Beide Gesuche lehnte das Seco mit Verweis auf die Neutralität und das Kriegsmaterialgesetz ab.
Das Beharren der Schweiz auf ihren Gesetzen bleibt nicht ohne Folgen: Wie der «Tages-Anzeiger» kürzlich berichtete, will etwa die deutsche Regierung unabhängig werden von der Schweizer Rüstungsindustrie. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass auf die Schweiz als Rüstungspartner in Kriegszeiten kein Verlass sei.
Vor dieser Abkoppelung fürchten sich Vertreterinnen und Vertreter der Schweizer Rüstungsindustrie. Sie hinterfragen die Neutralität der Schweiz: Kann es sich die Schweiz erlauben, auf Exporte von Rüstungsgütern zu verzichten? Oder lässt sich die Neutralität so auslegen, dass sie die Rüstungsindustrie nicht gefährdet?
Allen voran FDP-Präsident Thierry Burkart weibelt für eine Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes. Er hat dazu im vergangenen Juni eine Motion eingereicht. Burkart schlägt vor, dass nicht mehr alle Exportländer eine Nichtwiederausfuhr-Erklärung unterzeichnen müssen. Staaten, welche «die Schweizer Werte teilen und über ein ähnlich strenges Waffenexportregime verfügen», sollen künftig auf eine solche Erklärung verzichten und frei über das aus der Schweiz beschaffte Kriegsmaterial verfügen dürfen. Dazu zählen sollen nebst zahlreichen europäischen Ländern auch die USA, Australien und Japan.
Der Bundesrat lehnt die Motion ab. Und zwar, weil mit der Lockerung des Gesetzes die Weitergabe von Schweizer Kriegsmaterial «an unerwünschte Endempfänger» nicht ausgeschlossen werden könne. Anfang Februar ist das Geschäft in der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats traktandiert. (bzbasel.ch)