Millionenschaden nach Palästina-Demo – «Würde einem solchen Sauhaufen nie hinterherlaufen»
16 Polizisten und zwei Polizistinnen wurden beim Einsatz verletzt, teilten Vertretungen der Polizei am Sonntag vor den Medien mit. Vier der Verletzten mussten sich einer medizinischen Kontrolle unterziehen, konnten das Spital aber inzwischen wieder verlassen.
Der Stellvertretende Kommandant der Berner Kantonspolizei, Stefan Lanzrein, sprach von «eindrücklicher und besorgniserregender Gewalt». Demonstrierende hatten mehrfach versucht, Polizeiblockaden zu durchbrechen. Die Einsatzkräfte wurden mit Baustellenmaterial, Mobiliar, Steinen, Flaschen, Feuerlöschern, Pyrotechnik und Lasern angegriffen.
Die Polizei wiederum setzte Wasserwerfer, Tränengas, Gummischrot und -geschosse sowie Schlagstöcke gegen Demo-Teilnehmende ein. Sie hat bisher Kenntnis von zwei Personen, die sich medizinisch betreuen lassen mussten.
Sachschaden in Millionenhöhe
Der entstandene Sachschaden beläuft sich voraussichtlich «auf einen Millionenbetrag», wie es weiter hiess. Es seien mindestens 57 Gebäude, neun Polizeifahrzeuge und diverses Einsatzmaterial beschädigt worden. Unter anderem hätten Demonstrierende ein Feuer gelegt, indem sie den Inhalt einer Schuttmulde in Brand setzten. An der Fassade des angrenzenden Restaurants waren Russspuren zu sehen.
Generell waren die Spuren der Konfrontationen am Tag nach der Demonstration in der Berner Innenstadt nicht zu übersehen, insbesondere an den Bankengebäuden am Bundesplatz und den angrenzenden Gassen: Böden und Fassaden waren mit roter Farbe beschmiert und mit Parolen besprayt, Fensterscheiben eingeschlagen.
Kosten könnten abgewälzt werden
Zu den Einsatzkosten äusserten sich die Polizeiverantwortlichen am Sonntag noch nicht. Klar ist, dass das Polizeiaufgebot in Bahnhofnähe und der ganzen oberen Altstadt massiv war. Polizeikorps aus zahlreichen Kantonen standen im Einsatz.
Eine Kostenüberwälzung auf gewalttätige Demo-Teilnehmende sei eine Möglichkeit, sagte der Stadtberner Sicherheitsdirektor Alec von Graffenried. Da dies von einer strafrechtlichen Beurteilung abhängig sei, dürfte diese Abklärungen aber noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen. In Vergangenheit kam es etwa 2021 im Nachgang einer ausgearteten Corona-Demo zu Kostenüberwälzungen.
Die Stadt bat mindestens 18 Massnahmenkritiker zur Kasse, die bei unbewilligten Kundgebungen straffällig geworden waren. Ihnen wurden insgesamt 4900 Franken der Polizeikosten in Rechnung gestellt.
Der Gemeinderat begründete dies damit, dass die Gewalt an den Demos derart eskaliert sei, dass die meinungsbildende Komponente völlig in den Hintergrund getreten sei. Deshalb sei gemäss Bundesgericht hier eine Kostenüberwälzung möglich.
Viel ist das nicht. Gemäss früheren Angaben verursachte jede unbewilligte Corona-Demo im Herbst 2021 Polizeikosten zwischen 100'000 und 200'000 Franken. Wie hoch die Kosten am vergangenen Samstag waren, blieb an der Medienkonferenz der Kantonspolizei vom Sonntag offen.
Die Massnahmenkritiker wurden wegen ähnlicher Delikte verurteilt, wie sie nun im Raum stehen – etwa Landfriedensbruch, Hinderung einer Amtshandlung, Gewalt gegen Beamte und Sachbeschädigung.
Sicherheitsdirektor verurteilt Gewalt
Sicherheitsdirektor von Graffenried verurteilte die Gewalt «in aller Schärfe» und wählte deutliche Worte für seine Haltung. Die Kundgebung habe nichts mit Meinungsäusserung zu tun gehabt, sagte er. Den vermummten Block an der Spitze der Demonstration bezeichnete er als «Gewaltextremisten».
«Ich würde einem solchen Sauhaufen nie hinterher laufen», betonte von Graffenried ebenfalls. Er sich schockiert, dass so viele normale Demonstrationsteilnehmer «den Gewaltextremisten nachgezottelt» sind. Die Gewalt ging etwa von 500 Menschen aus, rund 5000 Menschen hätten deren Taten aber zumindest geduldet.
«Die politische Aufarbeitung wird uns noch länger beschäftigen», sagte von Graffenried. Nun gehe es aber zunächst darum, «die Scherben zusammenzuwischen».
Die strafrechtlichen Ermittlungen seien im Gang. Insgesamt wurden 536 Personen in Polizeiräumlichkeiten kontrolliert und weggewiesen. Eine angehaltene Person war zur Haft ausgeschrieben, alle anderen konnten die Polizeiräumlichkeiten wieder verlassen. Im Raum stünden Delikte wie Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Körperverletzung und Brandstiftung.
Umzug auf Bundesplatz gestoppt
Mehr als 5000 Demonstrierende zogen am Samstag vom Bahnhofplatz zum Bundesplatz und wieder zurück. Beim Bundesplatz angekommen, teilte die Polizei mit, dass sie keinen weiteren Umzug mehr toleriere. Nachdem Demonstrierende diese Anweisung wiederholt missachtet hatten, kesselten Einsatzkräfte die Spitze des Demozugs ein.
Derweil setzten mehrere hundert Personen die Kundgebung auf dem Bahnhofplatz fort, wo es zu weiteren Konfrontationen mit der Polizei kam. Bei einem friedlicheren Verlauf hätte man die Kundgebungsteilnehmer auf dem Bundesplatz gewähren lassen, hiess es an der Medienkonferenz.
Ein Gesuch für die Kundgebung wurde trotz eines öffentlichen Aufrufs der Stadt Bern nicht eingereicht. Zur Teilnahme aufgerufen hatten propalästinensische und linksautonome Gruppierungen.
(rst/sda/aargauer zeitung)