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Die Geschichte von drei Männern, die ums nackte Überleben kämpften

Die Geschichte von drei Männern, die auf offener See ums nackte Überleben kämpften

Ein Bild geht um die Welt: Drei Männer sitzen auf dem Ruderblatt eines riesigen Frachtschiffs. Elf Tage sollen sie so auf offener See überlebt haben – sie sind nicht die Ersten.
30.11.2022, 15:4602.12.2022, 00:26
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Drei Männer sitzen gekrümmt auf dem Ruderblatt eines riesigen Tankers. Ihre Beine baumeln einen halben Meter über dem Wasser. Über ihnen baut sich ein gigantischer Stahlkoloss auf. Stimmt ihre Geschichte, dann grenzt es an ein Wunder, dass sie noch am Leben sind.

Das Bild der drei blinden Passagiere, das um die Welt geht.
Das Bild der drei blinden Passagiere, das um die Welt geht.bild: efe

Am 17. November 2022 verliess der Öltanker Alithini II, ein 183 Meter langes Schiff, das 2008 gebaut wurde und unter maltesischer Flagge fährt, Lagos, die grösste Stadt Nigerias. Der Tanker stach in den Golf von Guinea, umschiffte Westafrika, erreichte den Atlantischen Ozean und ankerte schliesslich auf der spanischen Ferieninsel Gran Canaria. Elf Tage dauerte die Reise – mit den drei blinden Passagieren auf dem Ruderblatt.

alithini II
Der Öltanker verliess am 17. November 2022 die nigerianische Stadt Lagos, elf Tage später erreichte der Tanker die kanarische Insel Gran Canaria.bild: marine traffic

Die drei Männer wurden am Montagnachmittag im Hafen von Las Palmas von der spanischen Küstenwache auf dem Ruderblatt entdeckt und aufgegriffen.

Kampf ums nackte Überleben

Festgeklammert am Ruder des Tankers waren die Männer schwankenden Temperaturen, rauem Seegang und einer ungewissen Zukunft ausgesetzt. Ein heftiger Wellengang oder eine unachtsame Bewegung hätten zum sicheren Tod im Ozean geführt. Platz zum Hinlegen blieb den Männern auf dem kleinen Ruderblatt kaum. Ob hinter dem Ruderblatt ein Innenraum für die Männer zugänglich war, ist unklar.

Die Männer sollen aus Ländern südlich der Sahara stammen, wie die spanische Küstenwache weiter mitteilte. Wie sie auf das Ruderblatt gelangt sind, ist unklar. Ein Kapitän sagte zur spanischen Zeitung «El País», es sei gar nicht so schwierig, auf ein Ruderblatt zu gelangen. Wohl wegen der Nachahmungsgefahr geht der Experte nicht genauer darauf ein.

Doch für die Schiffscrew sind blinde Passagiere eine heikle Angelegenheit: «Es bedeutet mehr Arbeit für die Mitarbeiter, die manchmal ihre Kabinen verlieren, um sie isolieren zu können. All dies führt zu Spannungen», so der Kapitän. Deshalb hätten Kapitäne und Crews «äusserste Vorsichtsmassnahmen» getroffen und überprüften das Schiff oft gründlich, bevor sie ins offene Meer stechen.

Sollte die Crew während der Fahrt blinde Passagiere an Bord entdecken, so übernimmt der Kapitän die Verantwortung für Menschen, die in ein anderes Land zu emigrieren versuchen. Der Kapitän müsste sich dann auch um die Rückführung kümmern.

Unterkühlt und «mässig» dehydriert

Als die Männer die spanische Insel erreichten, seien sie unterkühlt und «mässig» dehydriert ins Krankenhaus gebracht worden. Wie sie sich während dieser elf Tage ernährten, ist eine weitere offene Frage.

Klar ist: Die drei Männer sind nicht die Ersten, welche die riskante Überfahrt wagten. 2020 ereignete sich dieselbe unfassbare Geschichte: Drei Männer, darunter ein 14-jähriger nigerianischer Junge, überlebten eine zweiwöchige Fahrt auf dem Ruderblatt eines Tankers. Auch diese Reise begann in Lagos.

Anderer Tanker, dieselbe unfassbare Geschichte.
Anderer Tanker, dieselbe unfassbare Geschichte. bild: SALVAMENTO MARÍTIMO

Der 183 Meter lange Tanker soll beladen mit 50'000 Tonnen Treibstoff – und drei blinden Passagieren – nach Gran Canaria gefahren sein. Die spanische Zeitung El Pais sprach später mit dem Jungen, der die Überfahrt knapp überlebt haben soll:

«Mir war sehr kalt, ich hatte grosse Angst, ich dachte, ich würde sterben. Wir hatten kein Essen. Ich musste die Treppe benutzen, um mit den Händen Wasser aus dem Meer zu holen, damit ich etwas trinken konnte.»

Von Nigeria nach Gran Canaria sollen im vergangenen Jahr laut Angaben des Roten Kreuzes mehr als 20'000 Migrantinnen und Migranten geflüchtet sein. Mehr als 1100 Menschen sollen auf offener See umgekommen sein. Die Dunkelziffer dürfte aber deutlich höher liegen, denn genauso wie diese sechs Überlebenskämpfer bleiben wohl viele bei illegalen Überfahrten unbemerkt.

Der Migrationsberater Txema Santana ist sich sicher:

«Es sind nicht die Ersten – und werden nicht die Letzten sein.»
Der Migrationsberater der kanarischen Regierung, Txema Santana, in einem Tweet

(cst)

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23 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Martinus72
30.11.2022 17:37registriert Januar 2020
"Ich musste die Treppe benutzen, um mit den Händen Wasser aus dem Meer zu holen, damit ich etwas trinken konnte." - Damit sollten zumindest Zweifel an der Geschichte aufkommen. Sobald man Salzwasser trinkt, dehydriert man noch sehr viel schneller und stirbt, ausser man übergibt sich von dem Salzwasser, was eine natürliche Körperreaktion ist, und dehydriert auch. So oder so: Wer am Verdursten ist und Salzwasser trinkt, stirbt sehr schnell.
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Krämer Ochsenknecht
30.11.2022 17:13registriert März 2022
Krasse Geschichte, doch ich hab einige zweifel an ihr. Die Alithini II hat laut offiziellen Angaben eine Ladekapazität von 51308 t DWT. Mit den obengennanten 50000 t wäre sie also Randvoll unterwegs gewesen. Das Foto zeigt aber eindeutig anhand des Unterwasser Anstrichs, dass die Ruderanlage des Tanker bei vollbeladung mehrere Meter unter Wasser ist. In Internet sind auch diverse Fotos vorhanden welche das selbe Schiff vollbeladen zeigen. Das Wasser reicht bis zum deutlich sichtbaren Rostfleck am Heck.
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Lilalux
30.11.2022 15:58registriert September 2021
Phuuu wenn man sein leben auf diese drastische arte und weise riskiert, hat man wohl nichts mehr anderes übrig.
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