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Ex-Häftlinge erzählen von den Zuständen im Gefängnis in El Salvador

FILE - Inmates attend a class on social behavior from inside their shared cell during a press tour of the Terrorism Confinement Center, or CECOT, in Tecololuca, El Salvador, Oct. 12, 2023. (AP Photo/S ...
«Cecot», das Hochsicherheitsgefängnis in El Salvador, wo mutmassliche Gangmitglieder meist den Rest ihres Lebens verbringen.Bild: keystone

Entlassene erzählen vom Mega-Gefängnis in El Salvador – und was dort am schlimmsten war

18.08.2025, 17:3218.08.2025, 20:20
Nina Bürge
Nina Bürge
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«Cecot» ist die Abkürzung für «The Center for the Confinement of Terrorism». Ein Gefängnis, gebaut für Masseninhaftierungen und Bandenmitglieder aus El Salvador und Venezuela. Eröffnet wurde das Massengefängnis von Präsident Nayib Bukele.

Die USA haben ein Abkommen mit El Salvador, um mutmasslich illegale Einwanderer schnell und ohne richterliche Bescheinigung in El Salvador inhaftieren zu lassen.

Nur wenige der Inhaftierten sind je wieder entlassen worden. Informationen über das Gefängnis und was sich hinter den hohen Wänden abspielt hat die Öffentlichkeit kaum.

252 Insassen wurden vor Kurzem in einem Gefangenenaustausch mit den USA aus dem Gefängnis Cecot entlassen. BBC hat mit acht von ihnen gesprochen, diese haben geschildert, wie der Alltag im Massengefängnis aussieht und was sie heute noch verfolgt.

Der Weg

Allen 252 ehemaligen Inhaftierten wurde vorgeworfen, in kriminelle Gang-Machenschaften involviert zu sein. Die meisten von ihnen sind überzeugt, dass sie wegen ihrer Tätowierungen ins Visier der US-Behörden geraten sind, wie sie gegenüber BBC sagen.

Festgenommen, an Händen und Füssen gefesselt und in ein Flugzeug gesetzt. Die Männer dachten, sie würden nach Venezuela zurückgebracht, wo die meisten von ihnen herkommen. Nach der Landung wurden sie aus dem Flugzeug gerissen, von maskierten Wärtern und Beamten. Da merkten sie, dass sie nach El Salvador in die Masseninhaftierungsanstalt gebracht werden.

Das Ankommen

Angekommen im Cecot, immer noch an Händen und Füssen gefesselt, wurden ihnen die Haare abrasiert und sie wurden gezwungen, sich umzuziehen. Weisse Hose, weisses T-Shirt, weisse Gummischuhe. Alle sahen sich zum Verwechseln ähnlich.

A prisoner with a tattoo with leg irons on stands as Homeland Security Secretary Kristi Noem tours the Terrorist Confinement Center in Tecoluca, El Salvador, Wednesday, March 26, 2025. (AP Photo/Alex  ...
Sie sehen auf den ersten Blick alle fast gleich aus, weiss gekleidet, mit weissen Schuhen.Bild: keystone

Einer der ehemaligen Inhaftierten sagte gegenüber BBC, er sei bei der Ankunft von den Wärtern bewusstlos geschlagen worden. Seine Brille sei zertreten worden. Doch die begrüssenden Worte habe er klar und deutlich gehört:

«Willkommen in der Hölle. Willkommen auf dem Friedhof der Lebenden. Der einzige Weg, hier wegzukommen, ist der Tod.»

Einige seien während des Umziehens geschlagen worden. Tritte in den Rücken, Schläge in die Rippen. Es sei unmöglich gewesen, sich wieder anzuziehen, schildert Mervin Yamarte gegenüber BBC. Vor der Inhaftierung arbeitete Yamarte in einer Tortilla-Fabrik in Texas.

Das Cecot

Die Haftanstalt besteht aus 23 Hektar Land, umgeben von hohen Mauern und Überwachungstürmen. Dahinter stehen 8 Zellblöcke, in jedem Block liegen 32 Zellen.

FILE - A mega-prison known as Detention Center Against Terrorism (CECOT) stands in Tecoluca, El Salvador, March 5, 2023. (AP Photo/Salvador Melendez, File)
Deportation Battle
Das Cecot steht in Tecoluca, im Süden von El Salvador. Bild: keystone

In jeder Zelle sitzen 10 bis 19 Männer. Venezolaner und Salvadorianer werden getrennt. Pro Zelle stehen gemäss Erzählungen der ehemaligen Inhaftierten vier Reihen an Etagenbetten, je vier Betten aufeinander.

«Die meiste Zeit schliefen wir auf Metall, wie Blechtischen, ohne Bettwäsche, ohne irgendetwas.»
Arturo, ein ehemaliger Inhaftierter, gegenüber BBC

Das Licht brennt. 7 Tage die Woche, 24 Stunden am Tag. Doch geschlafen hätten sie nie wirklich, sagt Arturo weiter, die Wärter hätten konstant gegen die Gitterstäbe geschlagen. Er sagt: «Jeder Moment war Folter.»

Jede Zelle habe zwei Wassertanks, einen zum Trinken, einen zum Waschen, und zwei Toiletten, die die Männer mit einem Wassereimer spülten. Toilettenpapier gebe es nicht. Keine Belüftung, keine Klimaanlage. Die Hitze sei erstickend gewesen, sagt Arturo.

Der Alltag

Fenster gebe es keine in den Zellen. Nach draussen hätten die Inhaftierten nie dürfen. Die Wärter weigerten sich, ihnen zu sagen, welcher Tag oder welche Uhrzeit es sei. Gegenüber BBC sagen die Männer, sie vermuten, dass ihr Tag jeweils um 4 Uhr begann.

Ein Wärter sei durch die Gänge und habe «Zählzeit» geschrien. Das sei ihr Wecker gewesen. Nachdem sie durchgezählt worden seien, hätten sie zehn Minuten gehabt, um sich zu waschen. Zahnpasta hätten sie nur dreimal erhalten. Als das Rote Kreuz und die US-Regierung auf Besuch gekommen seien.

Um Wasser zu trinken, hätten sie die Erlaubnis der Wärter gebraucht. Ansonsten seien Schläge erfolgt. Sprechen sei verboten. Falls sie trotzdem gesprochen hätten, hätten sie sich in der «Durchsuchungsposition» nach vorn beugen müssen. Bis sie von den Wärtern aufgefordert worden seien, wieder normal zu stehen.

FILE - In this photo provided by El Salvador's presidential press office, prison guards transfer deportees from the U.S., alleged to be Venezuelan gang members, to the Terrorism Confinement Cente ...
In der Position, in der die Gefangenen von A nach B gebracht werden, müssen sie auch zur Bestrafung stehen.Bild: keystone
«So liessen sie uns zwei, drei, vier Stunden lang zurück.»
Ringo, einer der Inhaftierten, die freigekommen sind

Jeden Montag hätten sie Tabletten einnehmen müssen, sechs rote, drei weisse. Ihnen wurde gesagt, dass sie gegen Tuberkulose vorbeugen würden. Ob dies stimmt oder wofür die Tabletten wirklich sind, ist nicht bekannt.

«Die Insel»

Joén Suárez beschreibt den für die Gefangenen schlimmsten Ort der Inhaftierungsanstalt gegenüber BBC. Der Ort wird übersetzt «die Insel» genannt. Insgesamt gebe es drei davon.

«Drei dunkle Zellen, in die man dich bringt, um dich zu foltern.»
So beschreibt Suárez «die Insel»

Ein kleiner, geschlossener, abgedunkelter Raum mit einem Bett, ebenfalls ohne Bettwäsche, und einer Toilette. Die einzige Lichtquelle sei ein kleines Loch in der Decke des Raums. Wenn die Wärter zu einem gekommen seien, hätten sie sich maskiert, dass die Männer sie im Nachhinein nicht mehr erkennen konnten.

epa12256960 Venezuelan Joen Suarez speaks during an interview with EFE in Cua, Venezuela, 22 July 2025 (issued 23 July 2025). Angel Blanco and Joen Suarez, two of the 252 Venezuelans detained in El Sa ...
Joén Suárez war selbst einmal in der «Insel», wie lange, kann er nicht mehr sagen. Bild: keystone

Arturo, ein Sänger aus Caracas, wurde mehr als zehnmal in den kleinen Raum gebracht. Gegenüber BBC sagt er, er denke, es sei als Bestrafung für das Singen gewesen. Gemäss seinen Aussagen wurde er gezwungen, hinzuknien. Darauf sei er geschlagen und gekickt worden. Manchmal seien auch Baseballschläger eingesetzt worden. Teils habe Arturo nicht mehr sitzen können, weil seine Rippen so stark schmerzten.

Andere seien von den Wärtern sexuell missbraucht worden. Gegenüber BBC sagt Andry, dem dies ebenfalls geschehen ist, er denke, es war, weil er öffentlich homosexuell sei. Auch dies sei geschehen, während Andry in der «Insel» war.

Die Besuche

In der Zeit, als die 252 später freigelassenen Männer da waren, hatten sie dreimal Besuch. Zweimal vom Roten Kreuz und einmal von Kristi Noem, der Ministerin für Innere Sicherheit der Vereinigten Staaten.

As prisoners stand looking out from a cell, Homeland Security Secretary Kristi Noem speaks during a tour of the Terrorist Confinement Center in Tecoluca, El Salvador, Wednesday, March 26, 2025. (AP Ph ...
Die Ministerin für Innere Sicherheit, Kristi Noem, bei ihrem Besuch in El Salvador. Bild: keystone

Während der Besuche hätten die Gefangenen Fleisch zu essen bekommen, dies habe es sonst nie gegeben. Man habe ihnen kurz vor dem Besuch Matratzen und Bettdecken gebracht. Ansonsten schliefen die Männer auf den Stahlgerüsten der Betten.

«Sie (die Wärter) nahmen uns mit zum Fussballspielen oder zum Gottesdienst, nur für das Foto.»
Die Männer erinnern sich, wie sie während der drei Besuche behandelt wurden, als bei dem Besuch auch Medien anwesend waren

Auf Anfrage von BBC bestätigt die Hilfsorganisation Rotes Kreuz die zwei Besuche. Man könne die Informationen jedoch nicht öffentlich teilen, um die Vertraulichkeit der Gespräche mit den Inhaftierten den Behörden zu wahren.

Die Rückkehr nach Hause

Im Juli 2025 wurden 252 Inhaftierte in Busse gebracht und zum Flughafen gebracht, als Teil eines Gefangenenaustauschs mit den USA. Darunter alle in El Salvador inhaftierten US-Bürger.

«Körperlich sind wir frei, aber mental sind wir immer noch in Cecot. Unsere Gedanken sind immer noch in diesen Zellen gefangen.»
Andry, einer der Freigelassenen, gegenüber BBC

Andry erzählt, dass er immer, wenn er das Rasseln von Schlüsseln hört, dieselben Gedanken habe. «Kommen sie, um mich zu holen? Bestrafen sie mich?»

Andry und Arturo planen, gemeinsam einen Dokumentationsfilm über ihre Erfahrung zu machen. Dies, um auf das, was sie erlebt haben und immer noch täglich passiert, aufmerksam zu machen.

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Mike Wieland
18.08.2025 19:27registriert Februar 2025
Das Vorgehen von Trump und Bukele ist mit meiner rechtsstaatlichen und EMRK-geprägten Überzeugung nicht vereinbar. Cecot scheint nichts weiter als ein mieses Konzentrationslager zu sein, von Trump zu politischen Zwecken missbraucht, um den Leuten in den USA Angst einzujagen.
Was das bringen soll, erhellt sich nicht.

Ach, alle die jetzt denken "Cecot sei weit weit weg und mich trifft es sowieso nicht": möchtest Du, ja: DU, vielleicht so behandelt werden?
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Ichsagstrotzdem
18.08.2025 18:48registriert Juni 2016
Einmal abgesehen von denjenigen, die zu Unrecht einsitzen: Alle haben dieselben unmenschlichen Haftbedingungen, egal wie schwer ihre Verbrechen waren.
Innert kurzer Zeit sind diese Menschen dermassen haftgeschädigt, dass man sie nur noch sehr schwer resozialisieren kann.
Dann muss man sie entweder umbringen oder sie auf immer und ewig in Gefangenschaft halten.
Tolle Gesellschaft!
Sollen sie lieber noch 10 weitere solcher Gefängnisse bauen, sie werden sie brauchen.
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Küderli
18.08.2025 19:39registriert April 2021
Von diesem Gefängnis zu den Bedingungen während der Militärdiktaturen, wo Menschen über dem Atlantik aus Flugzeugen gestossen wurden, ist es nur noch ein kleiner Schritt
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