International
Südkorea

Nordkorea schickt 260 Luftballons mit Abfall nach Südkorea

Kim Jong-un schickt stinkende Grüsse nach Südkorea

In Südkorea sind diese Woche rund 260 Luftballons gefüllt mit Abfall aus dem verfeindeten Nordkorea gelandet. Im Süden kann man darüber kaum lachen, und warnt vor einem neuerlichen Ausbruch des Krieges.
30.05.2024, 11:41
Felix Lill, Tokyo / ch media
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In Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang dürfte man sich über die Reaktionen aus dem Süden scheckig gelacht haben. Bald ganz Südkorea hat sich über das, was da ab Dienstag aus dem Norden angeflogen gekommen ist, nun mehrere Tage lang aufgeregt: Es geht um Luftballons, allerdings keine gewöhnlichen. «Es wurden Objekte identifiziert, die wohl nordkoreanische Propaganda transportieren», hiess es in einer frühen offiziellen Warnung, die an Smartphones in Südkoreas Grenzgegend geschickt worden waren.

Kurz darauf war der Eindruck schon ein anderer. Auf Strassen und Feldern in der Hauptstadt Seoul und kleineren Orten lagen die zerplatzten Säcke herum, ihre Ladung auf dem Boden ausgebreitet: «Nordkorea schickt mehr als 260 Ballons mit Müll nach Südkorea», schrieb die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap in ihrer Meldung. Die Zeitung «JoongAng Ilbo» fügte hinzu: «Die über 260 Ballons tragen Exkremente mit sich.» Ein fieser, aber witziger Nachbarschaftsgruss?

Offizielle Stellen in Südkorea finden das überhaupt nicht witzig. «Diese Taten von Nordkorea verletzen klar internationales Recht und bedrohen die Sicherheit der südkoreanischen Bürger», erklärte Lee Sung-jin, führender Sprecher des Verteidigungsministeriums. «Die Verantwortung für die Ballons liegt gänzlich bei Nordkorea und wir warnen Nordkorea, seine unmenschlichen Aktionen sofort zu stoppen.»

«Kann in militärischen Konflikt münden»

Lim Eul-chul, Professor an der Kyungnam Universität im Süden des Landes, sagte zum südkoreanischen Fernsehsender Arirang sogar: «Wenn diese Situation weiter eskaliert, kann sie in einen militärischen Konflikt münden.» Südkoreas Regierung müsse nun «mehr als je zuvor» einen kühlen Kopf bewahren. Auch Yang Moo-jin, Präsident der Universität für Nordkoreastudien in Seoul, ist alarmiert: «In der Grenzregion gibt es grosse Sorge um die Sicherheit der Menschen.» Die Sache müsse geklärt werden.

Im Norden hat man sich zu den Taten längst bekannt, ist sich aber wohl keiner Schuld bewusst. Kim Yo-jong, die Schwester des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un und eine hohe Offizielle im Regime, erklärte gegenüber Staatsmedien aus dem Norden, man lebe doch nur seine Meinungsfreiheit aus. Kurz zuvor hatte das kommunistisch regierte Nordkorea, das mit dem kapitalistischen Südkorea seit dem Waffenstillstand von 1953 im Kriegszustand verharrt, die Ballonaktion schon angedeutet. Die Lage ist angespannt.

«In der Grenzregion gibt es grosse Sorge um die Sicherheit der Menschen.»
Yang Moo-jin, Präsident der Universität für Nordkoreastudien in Seoul

Dass die Ballonflüge nun ihr Ziel erreicht haben, ist aus Perspektive des Nordens eine Erfolgsmeldung. Erst am Mittwoch hatte sich die Regierung des diktatorisch geführten Staats eingestehen müssen, dass ihr Versuch vom Montag, einen Satelliten ins All zu befördern, misslungen war. Im November hatte Nordkorea zwar schon einen Satelliten in der Erdumlaufbahn platziert, aber drei weitere sind geplant. Das Vorhaben, das von westlichen Staaten als Verletzung gegen UN-Sanktionen kritisiert wird, stockt.

Kurzstreckenraketen folgen auf Luftballons

Anders eben als die Müllballons, die nun so zielgenau geflogen sind. Wobei man sagen muss: In dieser Sache haben Nord- wie Südkorea viel Erfahrung. Aktivistinnen aus Südkorea - nicht wenige von ihnen Geflüchtete aus dem Norden - haben über Jahre Gasballons über die Grenze gen Norden geschickt und daran Ladungen von Flugblättern befestigt, die den Sturz des nordkoreanischen Regimes fordern. Auch USB-Sticks mit südkoreanischer Popmusik sind schon dabei gewesen.

South Korean army soldiers pass by the barbed-wire fence in Paju, South Korea, near the border with North Korea, Friday, April 19, 2024. (AP Photo/Ahn Young-joon)
Soldaten in Südkorea nahe der Grenze zu Nordkorea.Bild: keystone

Aus dem Norden sind dagegen Propagandabotschaften gen Süden geflogen. Und eigentlich wollte man das alles hinter sich haben. Als sich die beiden Staaten ab 2018 einander annäherten, erliess die damals liberale Regierung Südkoreas bald ein Gesetz, das solche Aktionen aus dem Süden verbot. Im vergangenen Jahr aber kassierte der Verfassungsgerichtshof das Gesetz wieder ein, da es die Meinungsfreiheit einschränke.

Unter Südkoreas aktuell konservativer Regierung ist nicht zu erwarten, dass es einen neuen Versuch geben wird, Provokationen aus dem Süden zu unterbinden. Nordkoreas Vize-Verteidigungsminister erklärte zur Müll-Aktion, der Süden werde nun sehen, «welche Mühe es macht, das alles zu beseitigen.» In Südkorea geht man nun davon aus, dass die 260 Ballons nicht der letzte nachbarschaftliche Gruss aus dem Norden gewesen sein werden. Wer weiss, was aus dem Süden zurückgeflogen kommt.

Zumal am Donnerstag weitere Objekte Nordkorea verliessen. Diesmal waren es allerdings solche, die tatsächlich die Sicherheit von Menschen ernsthaft bedrohen könnten. Rund zehn ballistische Kurzstreckenraketen flogen ins Meer. Das sah dann fast so aus, als wäre alles wieder beim Alten. (aargauerzeitung.ch)

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73 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Rannen
30.05.2024 12:32registriert Januar 2018
Es ist erstaunlich festzustellen, dass einige der derzeitigen Autokraten massive Geistesgestörte Merkmale aufweisen und deshalb wegen der vorhandenen Unberechenbarkeit, sehr gefährlich sind und in der Lage sind einen grösseren Krieg vom Zaune zu brechen
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BG1984
30.05.2024 11:55registriert August 2021
Dass Kim ein Alkoholproblem hat ist ja allgemein bekannt. War wohl wieder so eine Schnapsidee...
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MadRat
30.05.2024 12:22registriert April 2024
Exkremente und andere potentielle Krankheitserreger in der Kriegsführung zu verwenden, ist eine alte Praxis.

Ob nun ein Genghis Kahn der Leichen über Stadtmauern katapultiert oder der Vietkong der Ausscheidungen an seine Fallen anbrachte um Infektionen zu provozieren.

Angesichts des angespannten Situation auch rund um Korea herum (China, welche Taiwan provoziert und droht), würde es mich nicht wundern, wenn es sich hierbei um einen kriegerischen Akt handeln würde.

Ich hoffe es natürlich nicht. Es gibt schon genug Krisenherde im Moment, da brauchen wir nicht noch einen Kriegstreiber mehr.
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