Die Geschichte des staubbedeckten Säuglings aus dem syrischen Dschandairis geht um die Welt – das kleine Mädchen erblickte das Licht der Welt unter den Trümmern.
Ein Mann konnte das Baby zehn Stunden nach dem ersten Beben aus den Trümmern bergen. Unter dem Beton begraben, war das kleine Mädchen noch immer durch die Nabelschnur mit seiner toten Mutter verbunden. Die Eltern sowie die vier Geschwister konnten nicht mehr lebend geborgen werden.
Nachdem das Neugeborene gerettet werden konnte, ist es in ein Krankenhaus in Afrin gebracht worden. Aufgrund der eisigen Kälte sind die winzigen Gliedmassen angelaufen. Das Baby hatte blaue Flecken und Schnittwunden, als es ins Krankenhaus eingeliefert wurde.
Aufgrund der Körpertemperatur scheint das Neugeborene einige Stunden nach dem Erdbeben geboren worden zu sein, sagte der behandelnde Arzt Dr. Hani Maarouf gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Die Mutter sei während der Geburt bei Bewusstsein gewesen und kurz darauf gestorben, schätzt der Arzt. Weiter sagt er: «Wäre das Mädchen noch eine Stunde länger dort gelassen worden, wäre es gestorben.»
Das Baby überlebte wie durch ein Wunder – dies veranlasste die Ärzte im Krankenhaus dazu, das kleine Mädchen Aya zu nennen, was auf Arabisch Wunder bedeutet. Der Name stammt aus dem Koran, dort gilt Aya als Zeichen, in dem sich Gottes Macht manifestiert.
أم مهجّرة من #دير_الزور تلد طفلها ثم تموت مع عائلتها بأكملها في #جنديرس ريف #حلب جرّاء #الزلزال 💔 pic.twitter.com/KY2bjgDuHP
— عمر مدنيه (@Omar_Madaniah) February 6, 2023
Der Krankenhausleiter Khalid Attiah sagte gegenüber BBC, dass er zahlreiche Anfragen von Menschen aus der ganzen Welt erhalten habe, die Baby Aya adoptieren wollen – ohne dass die Kleine zur Adoption freigegeben wurde.
Attiah habe Tausenden von Menschen erklären müssen, dass Aya nicht adoptiert werden könne. Denn: Der Grossonkel habe sich bereits dazu bereit erklärt, das Kind bei sich aufzunehmen, sobald es aus dem Krankenhaus entlassen wird. Nur: Sein Zuhause ist zerstört, er lebt derzeit mit elf anderen Personen in einem Zelt. Bei eisiger Kälte.
Die Ortschaft Dschandairis, die sich in der von den Rebellen gehaltenen Enklave im Nordwesten Syriens befindet, ist schwer von den Erdbeben betroffen. Nur zehn Prozent der Gebäude seien hier noch bewohnbar, sagt der Grossonkel Salah al-Badran gegenüber BBC.
Die Familie von Aya hatte ohnehin ein schweres Schicksal: Vor dem Erdbeben musste die Familie aus dem Osten des Landes flüchten, weil ihre Heimat, die Provinz Deir el-Zour, von der Terrormiliz IS eingenommen wurde. In Dschandairis habe sich die Familie ein neues Leben aufgebaut – genau in jenem Haus, das aufgrund des Bebens einstürzte und 20 Verwandten von Aya das Leben nahm.
Aya ist nur eines von unzähligen Kindern, die durch das Erdbeben ihre Eltern verloren haben. In der syrischen Stadt Azaz ist der Nachrichtenagentur AP News zufolge ein Waisenhaus errichtet worden, in dem 40 Kinder untergebracht sind.
Wie viele Kinder die Katastrophe zu Waisenkindern machte, sei schwierig zu bestimmen, sagte Muheeb Qaddour, stellvertretender Leiter der Gesundheitsbehörde in der syrischen Provinz Idlib. «Leider werden die Dinge erst klar, nachdem sich der Staub des Erdbebens gelegt hat», so Qaddour. (cst)