Der frühere Berater von Boris Jelzin, Anders Åslund, hat dem Westen in einem Interview einen naiven Umgang mit Waffenlieferungen an die Ukraine vorgeworfen.
Im Interview mit deutschen Journalisten von der «Welt» sagte der heutige Buchautor und Forscher beim Thinktank «Stockholm Free World Forum»: «Es ist absurd, dass der Westen immer darauf bestand, dass die Ukraine mit westlichen Waffen keine russischen Stützpunkte angreifen dürfe.»
Man könne auch sagen: «Die Ukraine soll mit gefesselten Händen kämpfen, um Waffen zu erhalten», so Åslund.
Dieser Konsens sei nicht nur in den USA weit verbreitet, sondern auch bei Deutschland und Frankreich, so der Russlandforscher weiter. «Jetzt ändert sich das glücklicherweise langsam.» Dennoch bewegten sich die Länder nicht schnell genug, etwa dabei, Ukraine in die Nato einzugliedern.
Bislang ist unter anderem die deutsche Bundesregierung etwa bei der Lieferung von Kampfjets zögerlich, weil sie befürchtet, dass die Kampfflieger auch für Angriffe auf russischem Territorium eingesetzt werden könnten. Das könnte den Krieg in der Ukraine weiter eskalieren. Auch bei Kampfpanzern hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) lange gezögert, deren Lieferung aber letztlich doch zugesagt.
Åslund war von 1991 bis 1994 als Wirtschaftsberater des damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin tätig und hatte direkten Einblick in die Kreml-Regierung. Nun sagte Åslund der «Welt», dass das Regime unter Diktator Wladimir Putin «überhaupt nicht stabil» sei. Putin traue sich kaum noch in die Öffentlichkeit, oft werde gemunkelt, dass ein Doppelgänger statt Putin erscheine.
«Putin scheint verängstigt», so Åslund. «Er hat Bunker an seinen drei Hauptwohnsitzen gebaut. Er reist mit gepanzertem Zug durch das Land. (...) Das Ausmass der Paranoia scheint fast pathologisch.» Mehr zu dem gepanzerten Spezialzug, mit dem Putin durchs Land fahren soll, lies du hier bei T-Online.
Diese Unsicherheit sei kein Zeichen von Stärke, so der Russlandforscher. Im Gegenteil. «Er ist völlig verrückt und glaubt jede Verschwörungstheorie, dass Russland von äusseren und inneren Feinden bedroht wird.»
Auch meide Putin persönliche Treffen mit seinem Sicherheitsrat, einem für seine Regierungsarbeit eigentlich sehr wichtigen Gremium. Lieber lasse er sich mittlerweile per Video zuschalten.
Durch seine Zurückgezogenheit sei seine Machtbasis geschrumpft, meint Åslund. Putin habe sein Umfeld, also Menschen, denen er vertraue, auf wenige frühere KGB-Agenten reduziert und etwa die Brüder Juri und Michail Kowaltschuk, die korrupte Geschäftsmänner seien. Technokraten hingegen, die er noch um sich versammle und die für die eigentliche Regierungsarbeit zuständig sind, traue er kaum über den Weg.
(t-online/dsc)