Russland bringt seine vom Westen als haltlos kritisierten Vorwürfe, die Ukraine plane im Krieg den Einsatz einer «schmutzigen» radioaktiven Bombe, vor den UN-Sicherheitsrat. Eine entsprechende Aussprache des mächtigsten Gremiums der Vereinten Nationen hinter verschlossenen Türen soll am Dienstag nach einem Treffen zum Konflikt in Syrien stattfinden – vermutlich gegen frühen Nachmittag (Ortszeit). Das verlautete am Montag aus Diplomatenkreisen in New York.
Trotz westlicher Zurückweisungen hält Russland an der Behauptung fest, Kiew wolle Moskau mit einer «schmutzigen» – also atomar verseuchten – Bombe in Verruf bringen. Russland hatte die Vorwürfe am Sonntag publik gemacht, die Ukraine sowie die USA, Frankreich und Grossbritannien wiesen diese zurück. Aussenminister Sergej Lawrow hatte erklärte, es gebe «konkrete Informationen zu den Instituten in der Ukraine, die über entsprechende Technologien verfügen, solch eine »schmutzige Bombe« zu bauen».
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Derweil forderte Kiew selbst eine Kontrolle durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) an. Experten der Organisation würden in den kommenden Tagen zwei ukrainische Atomanlagen untersuchen, die von Russland erwähnt worden seien, kündigte IAEA-Chef Rafael Grossi am Montagabend an. Diese Standorte würden aber ohnehin regelmässig von der IAEA inspiziert, einer davon zuletzt im September. «Dort wurden keine unbekannten nuklearen Tätigkeiten oder Materialien entdeckt».
Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, sagte am Montag, dass an der russischen Behauptung absolut nichts dran sei. «Es ist einfach nicht wahr. Wir wissen, dass es nicht wahr ist», sagte Kirby. «Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass die Russen gelegentlich andere für Dinge verantwortlich gemacht haben, die sie vorhatten zu tun.» Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte Russland dazu auf, seine «falsche Behauptung» zu einer nuklear verseuchten Bombe nicht als Vorwand für eine weitere Eskalation des Kriegs gegen die Ukraine zu nutzen.
Acht Monate nach Beginn des russischen Angriffskrieges attestierte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Moskau ein Versagen auf breiter Front. «Die Ukraine bricht die sogenannte zweitstärkste Armee der Welt», sagte Selenskyj in seiner am Montagabend in Kiew verbreiteten Videobotschaft. Mit Blick auf den Kriegsbeginn vor acht Monaten, am 24. Februar, meinte der Präsident, dass Russlands militärischer Einfluss heute verpufft sei. «Das Gefühl einer Niederlage in Russland wird stärker», sagte Selenskyj. Das Land werde zunehmend isoliert international.
Russland müsse heute auch etwa den Iran anbetteln wegen Drohnen und erfinde «verschiedenen Unsinn» über die Ukraine, um vom Westen Zugeständnisse zu erreichen, sagte Selenskyj mit Blick auf die Vorwürfe Moskaus etwa zu der «schmutzigen Bombe». Zuvor hatte Russland schon behauptet, in der Ukraine würden chemische und Biowaffen entwickelt. Echte Beweise gab es auch dafür nicht.
Selenskyj betonte erneut, dass die Ukraine den russischen Angriffen zum Trotz ihre Unabhängigkeit verteidigt habe und ihre besetzten Gebiete jeden Tag weiter befreie. Zugleich mahnte der Staatschef, nicht nachzulassen im Kampf gegen Russland und weiter bis zum Sieg zu kämpfen. Unter anderem schwor Selenskyj das Land angesichts der von russischen Raketen zerstörten Energieanlagen auf einen Winter ein, «der der härteste in unserer Geschichte werden wird».
Das Weisse Haus bekräftigte, dass die USA keine direkten Verhandlungen mit Russland ohne Beteiligung Kiews führen werden. Das habe man von Anfang an gesagt, «und das bleibt der Ansatz», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am Montag. Zuvor hatten 30 Abgeordnete der Demokratischen Partei von US-Präsident Joe Biden in einem Brief an das Weisse Haus angeregt, die Tür für direkte Verhandlungen mit Moskau offenzuhalten, um ein rascheres Ende des Krieges zu erreichen. Kirby betonte, dass aus US-Sicht nur die Ukrainer über Verhandlungen zu entscheiden haben.
Auf Einladung des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beraten am Dienstag internationale Experten über den Wiederaufbau der Ukraine nach einem Ende des Krieges. An der Tagung nimmt auch der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal teil. Scholz und von der Leyen haben den Wiederaufbau als «Generationenaufgabe» bezeichnet und einen «Marshallplan» für das von Russland angegriffene Land gefordert – nach dem Vorbild des US-Aufbauprogramms für Deutschland und ganz Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. (sda/dpa)