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Ukraine

Russland hat Probleme mit Angriffen der Ukraine auf Öldepots

Drohnenattacken auf Öldepots – deshalb macht das den Russen zu schaffen

Immer neue ukrainische Angriffe auf die ölverarbeitende Industrie machen Moskau offenbar zu schaffen. Kiew hat nicht vor, damit aufzuhören.
31.03.2024, 06:1931.03.2024, 06:29
Thomas Wanhoff / t-online
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t-online

Immer wieder haben in den vergangenen Monaten ukrainische Drohnen und Raketen russische Ölraffinierien getroffen. Einige sogar auf russischem Staatsgebiet. Kiew will damit die Treibstoffversorgung der russischen Truppen erschweren, aber auch die russische Wirtschaft schwächen. Das scheint so erfolgreich zu sein, dass Moskau mittlerweile bei seinem treuen Verbündeten Belarus nach Nachschub fragt.

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Immer wieder setzen die Ukrainer russische Versorgungsdepots in Brand, hier in der Region Bryansk. Bild: keystone

Die Öldepots und die Treibstoffverarbeitung sind derzeit eines der Hauptangriffsziele. «Wir setzen systematisch eine gut kalkulierte Strategie um, um das wirtschaftliche Potenzial der Russischen Föderation zu reduzieren», sagte eine Quelle im ukrainischen Geheimdienst SBU am Mittwoch dem Nachrichtenportal Ukrajinska Prawda. «Unsere Aufgabe ist es, dem Feind die Ressourcen zu entziehen.» Die Treibstoffversorgung des Militärs solle getroffen werden und auch der Zufluss von Öleinnahmen, die Russland in den Krieg und die Tötung ukrainischer Bürger lenke.

Videos russischer Militärblogger sollen zeigen, wie eine der ukrainischen Drohnen in Nowokuibyschewsk mit erstaunlicher Präzision einen besonders wichtigen Teil einer Raffinerie getroffen und damit die Ölproduktion unterbrochen hat. Waren zuvor die Tanklager Ziele gewesen, scheint sich einem Bericht des «Merkur» zufolge die Ukraine jetzt auf die Unterbrechung der Treibstoffproduktion zu fokussieren.

Das soll sogar Kritik aus den USA hervorgebracht haben. In Washington soll man besorgt sein, dass damit die weltweiten Ölpreise in die Höhe getrieben werden, berichtete die «Financial Times». Doch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beeindruckt das wenig, auch wenn er die Hinweise aus dem Weissen Haus bestätigte. Die Raffinerien seien legitime Ziele, sagte er der «Washington Post».

«Wir haben unsere Drohnen eingesetzt. Niemand kann uns sagen, dass wir das nicht dürfen», sagte Selenskyj und betonte, dass Washington den Einsatz von Waffen aus eigener Produktion durch die Ukraine nicht einschränken könne.

Ukrainische «Liutyi»-Drohne kann 1'000 Kilometer weit fliegen

Alleine am 17. März hatte seine Luftwaffe 12 Anlagen angeflogen, viele Drohnen seien aber mach russischen Angaben abgeschossen worden. Im Mittelpunkt steht dabei offenbar eine Drohne, die die Ukraine selbst entwickelt hat. Sie heisst «Liutyi» und kann offenbar bis zu 1'000 Kilometer weit fliegen. Pro Gerät können etwa 75 Kilogramm Sprengstoff transportiert werden, berichtet die ukrainische Militärwebseite «Defense Express». Es werde vermutet, dass die «Liutyi» ein Stahlwerk in Lipetsk und einen Rüstungskomplex im russischen Taganrog sowie mehrere Raffinerien angegriffen haben.

Liutyi-Drohne Ukraine
Eine Aufnahme einer ukrainischen Liutyi-Drohne.Bild: X

Nach Berechnungen der Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg seien 12 Prozent der ölverarbeitenden Anlagen von den Angriffen betroffen. Rosstat, der russische staatliche Statistikdienst Russlands, teilte nach Angaben des US-Magazins «Newsweek» mit, dass in der Woche, die am 24. März endete, die landesweite Produktion von Benzin im Vergleich zur Vorwoche, in der die Produktion 815'300 Tonnen betrug, um etwa 7,4 Prozent auf 754'600 Tonnen gesunken sei. Mittlerweile muss sogar Nordkorea als Lieferant einspringen.

Schätzung: 14 Prozent der Produktionskapazität eingeschränkt

Allein seit Mitte März attackierte die Ukraine mit Drohnen mindestens acht russische Ölraffinerien. An den betroffenen Standorten war Insidern zufolge im vergangenen Jahr insgesamt mehr als ein Fünftel des in Russland raffinierten Öls verarbeitet worden. Zwar wurden nach russischen Angaben einige Angriffe abgewehrt, und nach anderen Attacken sei der Betrieb nur kurzzeitig gestört gewesen. Doch nach Reuters-Berechnungen sind mittlerweile rund 14 Prozent der Raffineriekapazität wegen Drohnenangriffen lahmgelegt.

Moskau ist von seinen Ölexporten und seiner Energiewirtschaft abhängig, die etwa 30 Prozent der Haushaltseinnahmen des Landes ausmachen und für die Finanzierung des Krieges in der Ukraine entscheidend sind. Russland ist laut Statista der drittgrösste Ölproduzent der Welt mit einem Anteil von mehr als 12 Prozent an der weltweiten Rohölproduktion. Die ukrainischen Angriffe, aber auch westliche Sanktionen machen Moskau zu schaffen. Anfang März wurden Benzinexporte für sechs Monate ausgesetzt, um die Preise im Land zu stabilisieren.

Die ukrainischen Angriffe auf die russischen Energieeinrichtungen haben bereits im Januar begonnen, als ein Gasterminal bei St. Petersburg in Brand gesetzt wurde. Zuletzt musste ein Werk in Samara die Produktion einstellen, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Der Leiter des Geheimdienstes SBU Wassyl Maljuk hatte laut «Newsweek» in dieser Woche erklärt, dass seine Organisation hinter den Angriffen steckte und diese auch fortführen werde.

Russland hat die Gefahr durch die «Liutyi» erkannt. Das Verteidigungsministerium in Moskau hat mehrmals berichtet, diese ukrainische Drohnen abgeschossen zu haben. Gleichzeitig schlägt Putin auf ähnliche Weise zurück: Die jüngsten Attacken auf die Ukraine gelten der Energieinfrastruktur. In einigen Teilen der Ukraine musste am Osterwochenende der Strom rationiert oder teilweise komplett abgeschaltet werden. Besonders ein Angriff auf eine Einrichtung am Dnipro macht der Ukraine zu schaffen – hier steht das grösste Wasserkraftwerk des Landes.

«Wenn es keine Luftverteidigung zum Schutz unseres Energiesystems gibt und Russland es angreift, frage ich mich, warum wir nicht zurückschlagen können. Wenn Russland seine Angriffe einstellt, werden auch wir aufhören», sagte Selenskyj.

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59 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Weisch na?
31.03.2024 06:54registriert November 2022
Ich freue mich über jede Explosion in russischen Raffinerien. Wenn der Westen es nicht schafft, die Sanktionen durchzusetzen, dann muss die Ukraine dafür sorgen, dass Russlands Einnahmen einbrechen.
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ImmerMitderRuhe
31.03.2024 07:15registriert Februar 2023
Ich freue mich über jeden Menschen, der sich dazu entschieden hat, mit dem Verbrennen von Importiertem Öl aufzuhören und seinen Energiebedarf mit Regionaler und Erneuerbarer Energie deckt.
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HKD
31.03.2024 08:14registriert November 2022
Geschickte Taktik der Ukrainer, frei nach dem Motto "umägäh gilt".
Herr Selenskyj könnte auch die USA, von wegen dem Ölpreis, etwas beruhigen, mit einem Hinweis auf die ausstehenden Waffenlieferungen. So als bescheidenes Entgegenkommen, falls nötig.
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