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Wagner-Chef: Prigoschin machte der Ukraine ein unmoralisches Angebot

Doppeltes Spiel des Wagner-Chefs: Prigoschin machte der Ukraine ein verräterisches Angebot

Der Chef der Söldnertruppe Wagner offerierte den Ukrainern zu Jahresbeginn Informationen über russische Truppenstellungen. Kiew aber ging auf das Angebot von Jewgeni Prigoschin nicht ein.
15.05.2023, 07:1215.05.2023, 07:38
Renzo Ruf, Washington / ch media
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Diese Enthüllung könnte Jewgeni Prigoschin noch einiges Kopfzerbrechen bereiten. Ende Januar soll der mitteilsame Anführer der Söldnertruppe Wagner dem ukrainischen Militärnachrichtendienst ein ausserordentliches Angebot gemacht haben: Wenn Kiew seine Soldaten aus der umkämpften Kleinstadt Bachmut zurückziehe, dann werde er Informationen über die Position des russischen Militärs liefern. Diese Angaben hätten die Streitkräfte der Ukraine dann nutzen können, um den Gegner anzugreifen.

In this handout image taken from a video released by Prigozhin Press Service on Friday, May 12, 2023, head of Wagner Group Yevgeny Prigozhin makes a video statement from an unknown location. In a vide ...
Jewgeni Prigoschin, Chef der russischen Privatarmee Wagner GroupBild: keystone

Nachzulesen ist dieser schier unglaubliche Vorschlag angeblich in den amerikanischen Geheimdepeschen, die ein Nationalgardist aus Massachusetts bis vor einigen Wochen unerlaubterweise auf der Internet-Plattform Discord veröffentlichte. Einige dieser Dokumente beruhen auf abgelauschten Gesprächen in der ukrainischen Führung. Die «Washington Post» publizierte am Sonntag Auszüge aus Dokumenten, die Auskunft über regelmässige Kontakte zwischen Prigoschin und der ukrainischen Streitkräfte geben sollen.

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Bereit, Russland zu verraten

Demnach beklagte sich der Wagner-Chef über die hohen Verluste in Bachmut und die Nachschubprobleme, mit denen seine Söldnertruppe zu kämpfen hatte. Das ist mittlerweile wohlbekannt, auch weil sich Prigoschin regelmässig in zunehmend wirren Video-Botschaften und Stellungnahmen auf dem Netzwerk Telegram zu Wort meldet. Zuletzt hatte er behauptet, dass die russischen Streitkräfte für den Abschuss von vier russischen Militärmaschinen am Wochenende verantwortlich seien.

Neu ist aber, dass er zu Jahresbeginn bereit war, Russland zu verraten, um seine Söldner im erbittert geführten Kampf um Bachmut zu retten. Im Gespräch mit der «Post» bestätigte ein ukrainische Geheimdienstverantwortlicher die wiederholten Kontakte mit Prigoschin. Schauplatz dieser Unterredungen soll ein afrikanisches Land gewesen sein; Wagner ist auf dem afrikanischen Kontinent in mehreren Staaten präsent.

Kiew aber habe das Angebot des Söldnerchef letztlich zurückgewiesen, weil die Ukrainer ihm nicht trauten und sich nicht sicher waren, ob sein Vorschlag aufrichtig gemeint war. Angeblich teilte Washington diese Zweifel. Aus den Dokumenten geht nicht hervor, ob die Ukraine auf das Gesprächsangebot bloss einging, um die bereits angeschlagene Stellung Prigoschins im Machtapparat von Russlands Präsident Wladimir Putin weiter zu untergraben.

Selenski will keine Auskunft geben

Die «Post» sprach Wolodimir Selenski zu Monatsbeginn auf die Kontakte zum Wagner-Chef an, als mehrere Vertreter der Zeitung den ukrainischen Präsidenten interviewten. Selenski lehnte es aber ab, Auskunft darüber zu geben oder die Echtheit der amerikanischen Geheimdienstdokumente zu bestätigen. In seiner Antwort, die erst am Sonntag publiziert wurde, wirkte Selenski genervt. «Bitte, hören Sie auf, Spiele mit mir zu spielen», sagte er den «Post»-Journalisten. «Ich bin der Präsident eines Landes, das sich im Krieg befindet», und die Veröffentlichung geheimer Informationen «ist nicht gut für unsere Bevölkerung».

Prigoschin wiederum schien am Wochenende auf Telegram zu bestätigen, dass er mit der Führung in Kiew im direkten Kontakt stehe. «Wir haben nichts zu verbergen», schrieb er. Und: Er und der Chef des ukrainischen Militärnachrichtendienstes «sind immer noch in Afrika».

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20 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Remus
15.05.2023 07:32registriert Dezember 2016
Hoffentlich nehmen die internen Machspielchen in Moskau weiter zu. Dies half, gegen einen gewissen Adolf im Jahr 1945, auch der Gegenseite.
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John Galt
15.05.2023 07:45registriert November 2014
Das Erstaunliche daran, die Geschichte tönt glaubhaft. Ist Prigoschin das zuzutrauen? Definitiv ja.

Noch erstaunlicher, auch die russischen Geheimdienste werden das Wissen, und trotzdem ist Prigoschin noch nicht aus einen Fenster gefallen (vermutlich weil Putin ihn trotz allem noch braucht).
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cabli
15.05.2023 09:02registriert März 2018
Ist das nicht Hochverrat? Es sind schon Personen für weniger zufälligerweise vom Balkon gestürzt.
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