Russische Luftabwehrkräfte haben in der Ostukraine einen modernen Kampfjet abgeschossen: Diese Meldung machte am Montag bei Telegram die Runde. Das Problem aus russischer Sicht: Es war offenbar eine eigene Maschine – und ein weiterer Rückschlag für die eigene Luftwaffe.
Berichten zufolge wurde in der Nacht auf Montag (18. Juli 2022) ein topmoderner russischer Kampfjet in der Ostukraine abgeschossen: eine Su-34M im Wert von rund 50 Millionen US-Dollar. Was den Abschuss aus russischer Sicht zum Propaganda-Albtraum macht: Der Kampfbomber soll versehentlich über Luhansk abgeschossen worden sein. Es handelte sich demnach um einen Fall von «Friendly Fire».
Der russische Propagandist Jewgeni Poddubny hat offenbar den Absturz am Sonntag über der Stadt Altschewsk in der von Russland besetzten Ostukraine auf Video festgehalten. Dies schreibt der auf Rüstungsthemen spezialisierte US-Journalist David Axe («Forbes») und verlinkt auf einen Telegram-Post.
Demnach schrieb Poddubny am Montag:
Tatsächlich zeigen die auch bei Twitter veröffentlichten mutmasslichen Smartphone-Videoaufnahmen ein brennendes Objekt am Himmel, das relativ schnell zu Boden sinkt und in einem grossen Feuerball endet. Dies lasse darauf schliessen, dass die Maschine viel Treibstoff mit sich führte.
Es gibt klare Indizien dafür.
Ein bei Twitter veröffentlichtes Video lasse auf die Identität des Flugzeugs schliessen: Demnach handelt es sich um einen Kampfjet vom Typ Su-34M mit der Kennung RF-95890, das sei eine von lediglich etwa zehn solcher Maschinen, die Sukhoi bisher an die russische Luftwaffe geliefert habe.
Auf einigen Bildern sei ein Teil der Hecknummer des Kampfjets zu sehen. Nach Angaben der Dutch Aviation Society – einer niederländischen Non-Profit-Organisation – gebe es nur eine russische Su-34, deren Kennzeichen auf «90» endet. Das sei RF-95890 – eine modernisierte Variante des russischen Kampfbombers Su-34 – mit Verbesserungen in Avionik, Radar, Kommunikation und Waffensystemen.
Das ist nicht bekannt.
«Russische Invasoren der Luftverteidigung haben ihr eigenes Flugzeug abgeschossen, das am Himmel über Altschewsk flog», berichtete die ukrainische Nachrichtenagentur dialog.ua. Der Zwischenfall sei wahrscheinlich in der Nacht auf Montag passiert, als ukrainische Truppen einen gezielten Angriff auf russische Militärlager lanciert hätten.
Westliche Beobachter vermuten, dass die russischen Luftabwehrkräfte versuchten, eine vermeintliche HIMARS-Rakete abzuschiessen. Putins Armeeführung habe den eigenen Streitkräften befohlen, die Langstreckenraketen und Artilleriewaffen anzugreifen, die westliche Länder kürzlich an die Ukraine geliefert haben.
Sicher ist: Moderne Kampfjets wie die Su-34 haben einen Transponder an Bord, um auf Anfrage vom Boden – respektive vom militärischen Radar-System – ein verschlüsseltes Funksignal zur «Freund-Feind-Identifikation» zu übermitteln.
Dieses IFF genannte System funktioniere aber nicht immer, schreibt «Forbes». Es sei nicht klar, was am Sonntag über Altschewsk schiefgelaufen sei. «Der Fehler könnte mechanischer Natur gewesen sein: Irgendein IFF-System hatte eine Fehlfunktion. Es könnte ein Bedienungsfehler gewesen sein.»
«Friendly Fire»-Vorfälle seien im modernen Luftkampf gar nicht so selten, schreibt The Drive. Die USA und ihre Verbündeten hätten schon früher tragische Vorfälle dieser Art erlebt.
Der Kreml hat sich bislang nicht dazu geäussert.
Sehr wertvoll.
Der Kreml hat laut «Forbes» 2020 einen Vertrag mit der Sukhoi-Division des russischen Luftfahrtkonzerns OAK über den Bau von 76 Su-34M abgeschlossen. Bis 2027 sollen 8 bis 14 Maschinen jährlich geliefert werden, zu einem Preis von rund 50 Millionen US-Dollar pro Exemplar.
Insgesamt 76 Maschinen sollten laut «Forbes» ausreichen, um zwei russische Luftwaffen-Regimenter auszurüsten und die in die Jahre gekommenen Su-24-Kampfbomber zu ersetzen. Die erste Su-34M-Einheit, das 277. Bomber Aviation Regiment, sei Anfang Juli in Betrieb genommen worden.
Die Su-34 kann laut «Forbes» Ziele in einer Entfernung von bis zu 960 Kilometer treffen, während sie 12 Tonnen Bomben und Raketen, einschliesslich Luft-Luft-Raketen, trägt. Das rund 40 Millionen Dollar teure Kampfflugzeug entspreche in etwa der F-15E der US-amerikanischen Air Force.
RF-95890 ist laut «Forbes»-Bericht der 11. Kampfbomber vom Typ Su-34 (bzw. Su-34M), den die Russen seit der Invasion am 23. Februar über der Ukraine verloren haben. Das sei fast ein Zehntel aller Su-34, die der Hersteller gebaut habe.
Russland habe mindestens 35 «Starrflügel-Militärflugzeuge» in der Ukraine verloren, schreibt The Drive und beruft sich dabei ebenfalls auf die Statistiken des Oryx-Blogs. Dort wird eine fortlaufend aktualisierte Liste der visuell bestätigten Ausrüstung, die im Konflikt verloren ging, geführt.
Die Gesamtzahl der abgeschossenen Maschinen sei wahrscheinlich noch grösser, so «Forbes». Die meisten wohl durch ukrainische Luftabwehrsysteme und Luft-Luft-Raketen.
Nicht sehr gut.
Fünf Monate nach Beginn des Krieges sei es den russischen Luftstreitkräften nicht gelungen, die Luftüberlegenheit über der Ukraine zu erlangen, konstatiert The Drive.
Von der Ukraine abgefeuerte Flugabwehrraketen, die als tragbare Luftverteidigungssysteme oder «MANPADS» bezeichnet werden, hätten Dutzende von russischen Militärflugzeugen und Helikoptern abgeschossen. Dank Systemen mit grösserer Reichweite sei es gelungen, Russlands bemannte Kampfjets aus dem westlichen Teil des Landes fernzuhalten.
Mit der Su-34 und der kampfwertgesteigerten Su-34M hätten die Russen eigentlich eine neue Ära der Hightech-Präzisionsbombardierung einleiten wollen, schreibt «Forbes». Stattdessen seien die modernisierten Kampfjets meistens mit denselben alten ungelenkten «dummen» Bomben in die Ukraine geflogen, die auch ältere russische Kampfjets tragen.
Ein Mangel an präzisionsgelenkter Smart-Munition zwinge die russischen Kampfpiloten, tief durch die dichteste ukrainische Luftabwehr zu fliegen, um überhaupt eine Chance zu haben, ihre Bomben abzufeuern. Und Russlands eigene Luftverteidigung stelle offensichtlich auch eine Bedrohung dar.
Das hat also Tradition.