International
Ukraine

Selenskyj kündigt Lügendetektortests für Staatsdiener an

epa12229993 President of Ukraine Volodymyr Zelensky delivers a speech during an Ukraine Recovery Conference 2025 at Convention Center La Nuvola, in Rome, Italy, 10 July 2025. EPA/FABIO CIMAGLIA
Wolodymyr Selenskyj hat einen Gesetzentwurf zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Anti-Korruptionsbehörden vorgelegtBild: keystone

Selenskyj kündigt Lügendetektortests für Staatsdiener an

25.07.2025, 07:3125.07.2025, 07:31
Mehr «International»

Nach scharfer Kritik der EU und massiven Protesten Tausender Ukrainer hat Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew einen Gesetzentwurf zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Anti-Korruptionsbehörden vorgelegt. Um einen russischen Einfluss in den staatlichen Stellen auszuschliessen, sollen aber alle Mitarbeiter mit Zugang zu Staatsgeheimnissen Lügendetektortests unterzogen werden, kündigte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft an. «Und das müssen regelmässige Kontrollen sein», sagte er.

epa12229990 President of Ukraine Volodymyr Zelensky delivers a speech during an Ukraine Recovery Conference 2025 at Convention Center La Nuvola, in Rome, Italy, 10 July 2025. EPA/FABIO CIMAGLIA
Der ukrainische Präsident will einen Lügendetektortest für alle Mitarbeiter des Staats, die Zugang zu Staatsgeheimnissen haben.Bild: keystone

Zuvor hatte er demnach einen entsprechenden neuen Gesetzentwurf zur Arbeit der Anti-Korruptionsbehörden in das Parlament – die Oberste Rada – eingebracht. Dieser sieht Lügendetektortests innerhalb von sechs Monaten vor. Trotzdem gab es in Kiew und anderen Städten des Landes erneut Proteste gegen Selenskyjs erst am Dienstag trotz Kritik in einem Eilverfahren unterschriebenes Gesetz, mit dem die Anti-Korruptionskämpfer der Generalstaatsanwalt und damit letztlich auch dem Präsidenten unterstellt werden sollten.

Demonstrationen am dritten Tag infolge

Die Protestierenden forderten die Verabschiedung des neuen Gesetzes, dass den Anti-Korruptionskämpfern ihre bisherigen Vollmachten wieder zubilligt. In Kiew versammelten sich die Demonstranten den dritten Tag infolge in Sichtweite des Präsidentensitzes, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtete. Die Zahl der Versammelten blieb aber mit einigen Hundert hinter den Zahlen des Vortags zurück.

epa12259679 Ukrainian people attend a protest against the restriction of the autonomy of Ukrainian anti-corruption authorities in Kyiv, Ukraine, 24 July 2025. Ukrainians gathered to protest the limite ...
In Kiew fanden in den vergangenen Tagen Proteste gegen den Gesetzentwurf von Selenskyj statt.Bild: keystone

«Der Gesetzentwurf stellt alle prozessualen Vollmachten wieder her und garantiert die Unabhängigkeit vom Nationalen Antikorruptionsbüro (NABU) und der Spezialisierten Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAP)», schrieben die beiden Behörden nach Bekanntwerden von Selenskyj neuem Gesetzestextes auf ihren Telegramkanälen. NABU und SAP waren demnach an der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs beteiligt.

Abstimmung über korrigiertes Gesetz bisher ohne Termin

Ein Zeitpunkt der Abstimmung in der Rada war zunächst nicht klar. Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk versprach bei Facebook, das Dokument in der nächsten Sitzung zur Abstimmung zu stellen. Abgeordneten zufolge ist die Oberste Rada allerdings erst einmal bis Mitte August in den Sommerferien.

Zuvor viel Unverständnis für Gesetz

Die Gesetzesänderung am Dienstag hatte nicht nur Proteste in verschiedenen Städten ausgelöst. Auch in der EU stiess die Entscheidung auf Unverständnis. Der NABU und SAP waren 2015 mit westlicher Hilfe gegründet worden, um die notorische Korruption vor allem bei hochrangigen Politikern und in der Verwaltung zu bekämpfen. Das in die EU strebende Land gilt der Nichtregierungsorganisation Transparency International nach trotz aller Reformen als eines der korruptesten Länder Europas.

Kritiker warfen Selenskyj autoritäre Tendenzen vor, indem er sich die lange Zeit unabhängige Behörden unterwerfen wollte. Dass er nun scheiterte, bezeichneten Kommentatoren als eine herbe politische Niederlage, die den Präsidenten angeschlagen zurücklasse.

Selenskyj setzt auf Unterstützung von Kanzler Merz

Selenskyj informierte nach eigenen Angaben auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) über die jetzigen Änderungen. Er habe «Deutschland eingeladen, sich an der Begutachtung des Gesetzentwurfs durch Experten zu beteiligen. Friedrich hat mir seine Bereitschaft zur Unterstützung zugesichert.» Geplant sei auch eine Einbeziehung anderer europäischer Partner wie Grossbritannien und die EU.

epa12251827 German Chancellor Friedrich Merz looks on during a press conference with Norway's prime minister at the chancellery in Berlin, Germany, 21 July 2025. EPA/CLEMENS BILAN
Der deutsche Bundeskanzler, Friedrich Merz.Bild: keystone

«Wir waren uns alle einig, dass es keine Einmischung oder Einflussnahme Russlands auf die Funktionsweise unserer Antikorruptionsinfrastruktur geben darf», teilte Selenskyj nach einem Treffen mit den Behördenvertretern mit. «Jeder, der Zugang zu Staatsgeheimnissen hat – und das gilt nicht nur für das NABU und die SAP, sondern auch für das Staatliche Büro für Ermittlungen, unsere nationale Polizei – muss sich einem Lügendetektortest unterziehen. Und das müssen regelmässige Kontrollen sein», sagte Selenskyj.

Schon bisher gab es solche Tests, aber nicht in der nun geplanten Dichte. Das NABU teilte allerdings am Abend erleichtert mit, dass laut dem Gesetzentwurf nicht der Geheimdienst SBU die Tests führe, sondern eine verwaltungsinterne Kontrollstelle. Der auf der Rada-Seite veröffentlichte Text spricht aber bei der ersten Kontrolle nach Inkrafttreten des Gesetzes explizit vom SBU. Alle nachfolgenden Kontrollen sollen mindestens alle zwei Jahre durch interne Kontrollorgane erfolgen.

Selenskyj kündigt Antwort auf russische Angriffe an

Der ukrainische Präsident verurteilte in seiner Abendbotschaft einmal mehr die andauernden russischen Angriffe – ungeachtet der direkten Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau am Mittwoch in Istanbul. Russland zeige mit den Attacken – wie auf den Markt in Odessa und auf die Stadt Charkiw, wo es mehr als 40 Verletzte gab -, dass es kein Interesse an einem Frieden habe. Auch viele andere Städte waren einmal mehr Ziele russischer Drohnen- und Bombenangriffen, es gab Tote und Verletzte.

«Natürlich werden wir Russland auf all das antworten», kündigte Selenskyj an. Die Ukraine greift in ihrem Abwehrkampf gegen den seit mehr als drei Jahren andauernden Moskauer Angriffskrieg immer wieder auch russisches Staatsgebiet an. Bei einem Drohnenangriff auf das russische Gebiet Kursk starb eine Frau, wie Behörden dort am Abend mitteilten. Insgesamt stehen die Zahlen der Opfer und die Schäden in keinem Verhältnis zu den massiven Zerstörungen, vielen Toten und Verletzten durch die russischen Angriffe in der Ukraine. (sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
2 Jahre Ukraine-Krieg in 34 Bildern
1 / 37
2 Jahre Ukraine-Krieg in 34 Bildern
Von ihrem Nachbarn überfallen, kämpft die Ukraine ums Überleben. In dieser Bildstrecke schauen wir auf die Ereignisse seit der Invasion Russlands zurück ...
quelle: keystone / bo amstrup
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Videos sollen ukrainischen Drohnenangriff auf Waffenfabrik tief im russischen Hinterland zeigen
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
10 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
10
«Verkettung tragischer Umstände»: Vater überfährt in Deutschland eigenes Baby
Auf einem Parkplatz in der Nähe der deutschen Stadt Ulm (Baden-Württemberg) kam es am Wochenende zu einem Unfall. Ein Vater überfuhr dabei sein eigenes vier Wochen altes Baby. Wie die Polizei mitteilt, wollte er sein Auto rückwärts ausparken und erfasste dabei die Babyschale.
Zur Story