Bei einem russischen Raketenangriff auf die Stadt Kramatorsk im Osten der Ukraine sind offiziellen Angaben zufolge mehrere Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt worden. Unter den Toten sei ein Kind, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstag in seiner abendlichen Videoansprache. «Solcher Terror beweist uns und der ganzen Welt immer wieder, dass Russland für all seine Taten nur eines verdient: Niederlage und Tribunal.» Selenskyjs Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen.
Der ukrainische Innenminister Ihor Klymenko teilte mit, die russische Armee habe Kramatorsk am Dienstagabend zweimal beschossen und dabei unter anderem ein Restaurant getroffen. Rettungskräfte suchten unter den Trümmern nach möglichen Verschütteten. Es soll mindestens drei Tote und mehr als 40 Verletzte geben.
Die aktuellen Entwicklungen im Liveticker:
Das Präsidentenbüro in Kiew veröffentlichte ein Dekret zur Entlassung des Chefs des Rüstungskonzerns Ukroboronprom, Jurij Hussjew. Er hatte den Posten seit Dezember 2020 inne. Nachfolger soll laut Berichten der 31 Jahre alte Chef des Panzerwerks im ostukrainischen Charkiw werden, Herman Smetanin. Eine offizielle Bestätigung lag dazu zunächst nicht vor.
In der Holding Ukroboronprom sind alle Rüstungsunternehmen der Ukraine konzentriert. Laut der Internetzeitung «Ukrajinska Prawda» hatte Selenskyj von Hussjew eine höhere Produktion der Kurzstreckenrakete Sapsan (Wanderfalke) erwartet.
Die US-Regierung stellt der Ukraine weitere Militärhilfen zur Abwehr des russischen Angriffskrieges zur Verfügung. Das Verteidigungsministerium in Washington kündigte ein neues Paket mit militärischer Ausrüstung im Umfang von 500 Millionen US-Dollar (rund 456 Millionen Euro) an. Darin enthalten sind nach Pentagon-Angaben unter anderem Munition für Patriot-Luftabwehrsysteme, Bradley-Schützenpanzer, Flugabwehrsysteme vom Typ Stinger, Ausrüstung zur Minenräumung sowie Wärmebildsysteme und Nachtsichtgeräte.
Der inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny bescheinigte dem russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Blick auf den Söldneraufstand vor wenigen Tagen mangelnden Rückhalt in der Bevölkerung. «In dem Moment, in dem Militärkolonnen nach Moskau fuhren, um es zu besetzen, stand niemand auf, um Putin zu verteidigen», liess Nawalny am Dienstag über sein Team in sozialen Netzwerken mitteilen. «Es gab um ihn herum keinerlei nationale Einheit.» Der Kremlchef sei offenbar noch unpopulärer in der Bevölkerung als der aufständische Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, meinte Nawalny.
Prigoschin, dessen Söldner monatelang an der Seite der regulären russischen Armee in der Ukraine gekämpft hatten, hatte am Samstag einen lange schwelenden Machtkampf innerhalb der russischen Militärführung eskalieren lassen. Die Wagner-Kämpfer besetzten erst die südrussische Stadt Rostow am Don und marschierten dann weiter in Richtung Moskau. Ihr praktisch ungehinderter Vormarsch stoppte erst gut 200 Kilometer vor der russischen Hauptstadt. Später behauptete Putin in einer Fernsehansprache, die russische Gesellschaft habe sich als geschlossen erwiesen in ihrer Ablehnung des Aufstands.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte davor, die Bedrohung durch Russland nach dem Söldneraufstand weniger ernst zu nehmen. Es sei klar, dass der illegale Krieg von Kremlchef Putin gegen die Ukraine in Russland Gräben vertiefe und neue Spannungen geschaffen habe, sagte der Norweger in Den Haag am Rande von Vorgesprächen zum Nato-Gipfel im Juli. Zugleich dürfe man Russland aber nicht unterschätzen. Wichtig sei es nun, die Ukraine weiter zu unterstützen. Vom Nato-Gipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius erwarte er ein klares Signal in diese Richtung.
In der Ost- und Südukraine setzt die ukrainische Armee ihre Gegenoffensive fort und versucht, weitere besetzte Orte zu befreien. (con/sda/dpa)