International
Ukraine

Putins Bluthunde gehen aufeinander los – ihm kann das nur recht sein

Putins Bluthunde gehen aufeinander los – doch ihm kann das nur recht sein

Jewgeni Prigoschin und Igor Girkin buhlen um die Gunst der Hardliner im Kreml. Vom Streit der beiden dürfte vor allem einer profitieren.
31.01.2023, 17:52
Martin Küper / t-online
Mehr «International»
Ein Artikel von
t-online

Kritik am Krieg gegen die Ukraine duldet der Kreml nur, wenn sie von rechts aussen kommt. Vor allem auf Telegram wettern nationalistische Hardliner gegen die russische Armeeführung, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Einer der bekanntesten Figuren in diesem Milieu ist Igor Girkin, der unter dem Kampfnamen «Strelkow» schon 2014 auf russischer Seite gegen die Ukraine kämpfte und in den Niederlanden für den Abschuss von Flug MH17 mit 298 Toten zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.

FILE - businessman Yevgeny Prigozhin gestures on the sidelines of a summit meeting between Russian President Vladimir Putin and Turkish President Recep Tayyip Erdogan at the Konstantin palace outside  ...
«Dieses miese Stück Scheisse»: Wagner-Chef Prigoschin teilt aus.Bild: keystone

In seinem Telegramkanal mit mehr als 762'000 Abonnenten hat sich Girkin sogar schon ungestraft über Kremlchef Putin lustig gemacht, den er als «unseren einzigartigen strategischen Vorteil» verspottete. Zuletzt forderte Girkin sogar, Putin abzusetzen. Sein Ruf als erfahrener Militär und seine Anhängerschaft im russischen Sicherheitsapparat haben Girkin bisher geschützt, doch jetzt hat er sich womöglich mit dem Falschen angelegt: dem Chef der Söldner-Truppe Wagner, Jewgeni Prigoschin.

Die öffentlich ausgetragene Fehde zwischen den beiden prominenten Hardlinern lässt tief blicken in Moskauer Machtkämpfe – und dürfte vor allem dem Mann an der Kremlspitze nutzen.

Girkin kritisiert Prigoschin

Anlass für Attacken Prigoschins auf Girkin ist vermutlich ein Text, der sich kritisch mit Prigoschins politischen Ambitionen beschäftigt und von Girkin Anfang voriger Woche auf Telegram weiterverbreitet wurde. Kurz darauf erschien im Wagner-nahen Telegramkanal «RiaFan» ein Beitrag, der Girkin als «Couch-Experten» verspottet, der sich «wie der letzte Feigling und Schurke» verhalte und «seine Aussagen aus einem warmen Studio und nicht an der Front macht».

>> Alle aktuellen Entwicklungen im Liveticker

Girkin reagierte ungewohnt defensiv und betonte, er habe nie die Kämpfer und Kommandeure von Wagner kritisiert, deren «hohe Kampffähigkeit» er ständig betone. Prigoschin warf er vor, sich hinter dem Rücken der Wagner-Kämpfer zu verstecken. Der anonyme Beitrag im «RiaFan»-Kanal solle ihn diskreditieren, so Girkin. «In der Tat stehe ich Herrn Prigoschins für Russland äusserst schädliche Medientätigkeit kritisch gegenüber und bewerte auch seine politischen Ambitionen sehr negativ», so Girkin weiter. Davon schien sich der Wagner-Chef erst recht provoziert zu fühlen und äusserte sich am folgenden Tag persönlich auf Telegram zu Wort.

Prigoschin beleidigt Girkin massiv

Prigoschin bestritt politische Ambitionen und Werbung in eigener Sache. «Alles, was ich tue, tue ich zum Wohle des Unternehmens, das ich gegründet habe», schrieb er – um Girkin dann ein vergiftetes Angebot zu machen: «Als Wagner-Seniorchef lade ich Girkin an die Front ein, um seine Kampferfahrung zu nutzen. Natürlich wird ihm niemand eine hohe Position anbieten können, dafür ist es notwendig, seine Fähigkeiten zu zeigen. Es ist an der Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen.» Girkin reagierte auf Telegram zunächst wohlwollend auf das Jobangebot der Söldner-Truppe, doch dann verschärfte Prigoschin in einem Radiointerview seinen Ton gegenüber Girkin massiv.

Igor Girkin
THE HAGUE - Photo of Igor Vsevolodovich Girkin. The investigation team in the case of bringing down flight MH17 comes with four arrest warrants. These are rebel leader Igor Girkin, his rig ...
Igor Girkin wurde und in den Niederlanden für den Abschuss von Flug MH17 mit 298 Toten zu lebenslanger Haft verurteilt. (Archivaufnahme)Bild: imago

Seine Kommandeure würden Girkin einen ziemlich unfreundlichen Empfang bereiten, so Prigoschin: «Sie werden den Schweinepriester fragen, warum er überhaupt hergekommen ist, dieses miese Stück Scheisse. Sie werden ihn fragen, warum er 2014 Slowiansk aufgegeben und seine Jungs zurückgelassen hat», so Prigoschin. «Wenn er überlebt, schüttle ich ihm die Hand. Wenn er versucht wegzulaufen, pisse ich ihm ins Gesicht.»

Nach Prigoschins Tirade schloss Girkin einen Einsatz für die Wagner-Truppe aus: Er werde nicht unter der Führung eines Mannes dienen, der ihn des Verrats beschuldigt habe, schrieb Girkin. «Ganz zu schweigen von den schmutzigen Beleidigungen, die diese Anschuldigungen begleiteten.»

«Wir sollten Prigoschin nicht zu ernst nehmen»

Hintergrund des Streits zwischen Prigoschin und Girkin ist nach Einschätzung der US-Experten vom Institute for the Study of War (ISW) ihre Konkurrenz um die Gunst nationalistischer Kräfte innerhalb des Kreml: «Während beide wortreich ihre politischen Ambitionen verleugnen, haben sie immer wieder die Armeeführung angegriffen, um sich in der russischen Gesellschaft einen Namen zu machen», analysiert das ISW.

«Prigoschin versucht offenbar, Girkins Ansehen zu untergraben und seinen Einfluss unter den Nationalisten auszuweiten. Dabei hat er – womöglich unabsichtlich – einen der prominentesten Kritiker Putins blossgestellt.»

Der britische Historiker und Russland-Experte Mark Galeotti hat Girkin allerdings noch nicht abgeschrieben. Um Prigoschin entwickle sich zwar ein regelrechter Personenkult, weil viele ihn als rücksichtslosen Anführer verehrten. «Wir sollten Prigoschin aber nicht zu ernst nehmen oder gar als kommenden Präsidenten betrachten», schreibt Galeotti auf Twitter.

«Ironischerweise ist das Gegenteil der Fall: Aus Sicht des Kreml ist es ungefährlich, Prigoschin zum Helden zu stilisieren, eben weil er keine Bedrohung ist. Im Gegensatz dazu sind die ‹patriotischen Putingegner›, für die Girkin spricht, eine echte Bedrohung», so Galeotti.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Ist «Putins Superpanzer» bald in der Ukraine im Einsatz?
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
28 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
D.Enk-Zettel
31.01.2023 18:16registriert Oktober 2021
Diese zwei tun gerade das richtige. Werft euch gegenseitig aus dem nächsten Fenster , am besten aus der 15. Etage oder geht beide an die Front, da wo die Kugeln zwischen die Augen fliegen.
751
Melden
Zum Kommentar
avatar
Kleinaberdoktor
31.01.2023 18:29registriert Mai 2020
Schon wieder Schwanzvergleich…….

Echt krass, die streiten darüber wer der grössere Held ist, keiner von den Knallern war jemals richtig im Krieg und ihre „Heldentaten“ bestehen aus plündern, vergewaltigen und verbreiten von Terror.

Währenddessen verrecken an der Front ihre „Krieger“ im Dreck ohne Material und schlauer Ausbildung.
Die meisten davon unter gewissem Zwang.

Absolut pervers, abartig und krank bis unterste Schublade………
Kaum vorstellbar wieviele durchgeknallte Barbaren es auf dieser Welt gibt🙈
572
Melden
Zum Kommentar
avatar
Bluecat1965
31.01.2023 19:58registriert Dezember 2020
Jedes Mal, wenn ich ein Bild von Prigoschin sehe, läuft es mir kalt über den Rücken. Dieser Mann strahlt eine solch unglaubliche Brutalität aus, was sich ja auch in seinen Reden und Taten widerspiegelt. Ich hätte nichts dagegen, wenn er und seine "Gegner" sich gegenseitig vernichten.
421
Melden
Zum Kommentar
28
Zwei Tote nach Explosion in Mehrfamilienhaus in Den Haag – immer mehrere Vermisste
Nach einer schweren Explosion in einem Mehrfamilienhaus im niederländischen Den Haag sind zwei Todesopfer geborgen worden. Vier Verletzte kamen in eine Klinik, teilte die Polizei mit.

Nach weiteren Opfern, die sich möglicherweise noch unter den Trümmern befinden, werde mit Hochdruck gesucht, sagte Bürgermeister Jan van Zanen. «Es ist nicht bekannt, wie viele Menschen sich noch unter den Trümmern befinden, aber Tatsache ist, dass es für sie nur eine geringe Überlebenschance gibt», sagte der Bürgermeister. «Wir bereiten uns auf das schlimmste Szenario vor.»

Zur Story