International
Ukraine

Ukraine plant «Krim-Invasion»: Experte warnt vor dramatischen Folgen

Ukrainian army snipers change their position facing Russian troops near Bakhmut, Donetsk region, Ukraine, Tuesday, May 2, 2023. (AP Photo/Libkos)
Ukrainische Soldaten sollen laut Medienberichten für ein grosses Landungsmanöver auf der Krim in Großbritannien trainieren.Bild: keystone

Ukraine plant wohl «Krim-Invasion»: Experte warnt vor dramatischen Folgen

Eine umfangreiche Landungsoperation auf die ukrainische Halbinsel Krim: Würde die Ukraine das wirklich wagen? Laut Medienberichten trainiert das ukrainische Militär sogar schon dafür.
13.10.2023, 08:5713.10.2023, 12:49
Anne-Kathrin Hamilton /
Mehr «International»

Seit Frühjahr 2014 liegt die Krim in den Händen der Russen, nachdem sie die Insel völkerrechtswidrig besetzt und annektiert haben. Seither baut der Kreml sie zu einer regelrechten militärischen Festung um. Denn: Sie gilt als wichtigste Basis im Krieg gegen die Ukraine.

In der Vergangenheit gab es immer wieder kurzzeitige Landungsoperationen von ukrainischen Spezialeinheiten auf der Krim. «Grösstenteils bleibt es bei Nacht-und-Nebel-TikTok-Aktionen, bei denen ein Kleintrupp landet, unter Kameras die Flagge hisst und gleich wieder abzieht», sagt Konfliktbeobachter Nikita Gerasimov von der Freien Universität Berlin auf watson-Anfrage. Denn hier gehe es durchaus um die Symbolkraft.

Krim hat hohe Symbolkraft für Ukraine und Russland

So kam es auch immer wieder zu Explosionen auf der Krimbrücke, auch bekannt als Kertsch-Brücke. Sie ist die einzige Verbindung zwischen dem russischen Festland und der von Russland besetzten Krim. Vor etwa fünf Jahren eröffnete der russische Präsident Wladimir Putin höchstpersönlich die Brücke. Sie gilt als ein Prestigeprojekt mit hoher Symbolkraft, der den russischen Anspruch auf die ukrainische Halbinsel festigen soll.

Laut Gerasimov bieten die ukrainischen Aktionen auf der Krim daher gute PR. Sprich, medienwirksame Bilder für das In- und Ausland. Denn: Der mediale Aspekt des Krieges in der Ukraine bleibe weiterhin ein wichtiger Bestandteil der militärischen Erfolge. «Das inländische Publikum braucht Bilder, um die Kampfmoral aufrechtzuerhalten. Das ausländische, also westliche, benötigt es, um von weiteren Waffenlieferungen überzeugt zu werden», sagt der Experte.

Auf der gegnerischen Seite wiederum sollen die Bilder für Verunsicherung, Unmut und Kritik gegenüber dem Kreml sorgen nach der Devise: Er könne noch nicht einmal die Sicherheit der Krimküste garantieren.

FILE - Flame and smoke rise fron Crimean Bridge connecting Russian mainland and Crimean peninsula over the Kerch Strait, in Kerch, Crimea, Saturday, Oct. 8, 2022. The Crimean Peninsula's balmy be ...
Immer wieder kommt es zu Explosionen und Anschlägen auf der Kertsch-Brücke.Bild: keystone

Zum anderen haben solche Aktionen Gerasimov zufolge einen wichtigen logistischen Effekt: Sie binden signifikante russische Streitkräfte auf der Halbinsel, die mit permanenter Küstenbewachung ausgelastet sind. Diese Truppen können folglich nicht an der eigentlichen Front eingesetzt werden.

Anscheinend müssen sich diese wohl bald warm anziehen. «Im Westen rechnen nicht allzu wenige damit, dass es eine grossangelegte Landung geben könnte», sagt Gerasimov. So berichtet etwa das britische Tabloid «Daily Express», dass eine Landungsoperation mit massiver See- und Luftunterstützung bevorsteht.

Ukrainer trainieren für Krim-Invasion in Grossbritannien

Britische Truppen bilden demnach eine ukrainische Elitebrigade aus, um die russischen Streitkräfte zu schwächen und die Krim zurückzuerobern, heisst es. Mehr als 2000 Soldaten nehmen an einem abgelegenen Ort im Dartmoor an speziellen Übungen teil. Sie sollen die «Speerspitze der Invasion» bilden, während zwei andere Streitkräfte gleichzeitig Angriffe durchführen.

«Unter diesen Bedingungen droht eine solche Operation zu einem Himmelfahrtskommando für die beteiligten Truppen zu werden.»
Konfliktbeobachter Nikita Gerasimov von der Freien Universität Berlin

Zudem soll der ukrainische Geheimdienstchef Kyrylo Budanov bestätigt haben, dass die Truppen «bald» die Krim betreten werden. Und das noch vor Weihnachten, also dem 25. Dezember.

Dieses Unterfangen sieht der Experte kritisch. Seiner Meinung nach ist die ukrainische Armee für eine grossangelegte Landungsoperation auf der Krim derzeit nicht gerüstet. Er führt aus:

«Maritime Landungsoperationen auf befestigter gegnerischer Küste gehören zu den schwierigsten Militäroperationen überhaupt und benötigen eine massive Feuerunterstützung durch See- und Luftstreitkräfte, im Idealfall eine totale Dominanz in der Luft und im See im anvisierten Landungsgebiet.»

Weder das eine noch das andere sei für die ukrainische Armee derzeit gegeben.

Experte warnt: Ukraine sei für solch eine Operation nicht gerüstet

Weder verfügt Kiew über die Lufthoheit noch hat es eine Kriegsmarine, die eine Landungsoperation von grösseren Massstäben unterstützen könnte. «Unter diesen Bedingungen droht eine solche Operation zu einem Himmelfahrtskommando für die beteiligten Truppen zu werden», warnt der Experte.

Das könne die ukrainische Armee sicherlich nicht einfach wegstecken. Für Gerasimov ist klar: Eine grossangelegte Landungsoperation ukrainischer Streitkräfte auf der Krim mit einer anschliessenden Ausweitung des Brückenkopfes und eines Vorstosses ins Innere der Halbinsel bleibt somit zumindest unter gegenwärtigen Bedingungen kaum vorstellbar.

Allerdings rechnet er mit vermehrten kleineren Landungsaktionen, wie bereits mehrfach geschehen. Unter den russischen Kriegsreporter:innen kursiere derweil eine andere Theorie.

Die Ukraine könnte auch etwas ganz anderes planen

«Sie nehmen an, dass die ukrainischen Krim-Aktionen 'nur' eine gezielte Ablenkung sind. Die eigentliche Landungsoperation werde demnach weiter westlich, beispielsweise auf der Kinburn-Halbinsel vorbereitet», führt Gerasimov aus.

Damit könne die Ukraine eine weitere Front eröffnen, um russischen Truppen auf der Ostküste des Dnjepr hinter die eigentlichen Defensivstellungen zu fallen. «Die militärischen Erfolgsaussichten einer Landung etwa auf dem Kinburn-Bogen sind in der Tat weitaus höher und könnten russische Truppen vor erhebliche Schwierigkeiten stellen», prognostiziert Gerasimov.

Für solch eine Landung brauche die Ukraine aber genügend Waffen und Soldaten – letzteres bereite Kiew Sorgen, meint Gerasimov.

Ukraine zahlt schon jetzt einen hohen Blutzoll

«Derzeit hält der Westen den Waffenfluss an die Ukraine aufrecht, will ihn bei manchen Waffengattungen sogar ausweiten, Sorgen macht Kiew eher das Personal», sagt Gerasimov. Egal, wie man es dreht, die Ukraine hat laut ihm eine vielfach kleinere «menschliche Ressource» als Russland. "Diese aufzufüllen, werde zunehmend schwieriger. Und die Verluste steigen, auch wenn die harte Kriegszensur diesen Fakt gern verstecken wolle, führt er aus.

«Aufnahmen von neuen ukrainischen Kriegsgräbern fluten das Internet, auch in der Ukraine», sagt er. In anderen Worten: Der Blutzoll sei immens. Die Bodengewinne gering. «Die Gefahr des Ausblutens» der ukrainischen Armee darf nicht unterschätzt werden», meint Gerasimov.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das Who is Who der Ukraine – diese Namen solltest du kennen
1 / 10
Das Who is Who der Ukraine – diese Namen solltest du kennen
Walerij Saluschnij – Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine
quelle: www.imago-images.de / imago images
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Gefangennahme per Drohne: Russischer Soldat flieht durch Niemandsland
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
71 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Tim3000
13.10.2023 09:44registriert März 2021
Die Ukarine kann keine Invasion auf die Krim planen. Ein Voraussetzung dafür wäre, dass es sich dabei um fremdes Staatsgebiet handlen würde.

Passt bitte deshalb den Titel an und nennt es Rückeroberung.

Duden - Invasion: "feindliches Einrücken von militärischen Einheiten in fremdes Gebiet"
25825
Melden
Zum Kommentar
avatar
misohelvetikos
13.10.2023 10:42registriert Februar 2019
"So berichtet etwa das britische Tabloid «Daily Express», dass eine Landungsoperation mit massiver See- und Luftunterstützung bevorsteht. "
Wer den sich auf den Express beruft, kann schon fast sicher sein, dass die Information von zweifelhaftem Charakter ist. Der militärische ukrain. Oberkommandierende Saluschnyj ist bisher nicht dadurch aufgefallen, dass er allzu grosse militärische Risiken eingeht, sondern sparsam mit seinen Ressourcen umgeht. Das schliesst nicht aus, dass die Ukraine trotzdem Amphibische Fähigkeiten trainiert, die sie f. Kommandooperationen braucht.
682
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hans Stark
13.10.2023 10:28registriert März 2023
Ich denke, hier geht es um eine gezielte Desinformationskampagne um möglicherweise noch mehr russische Ressourcen auf der Krim zu binden. Wenn das so ist würde mich eine Landung beim Kinburn-Bogen mehr als wundern. Am ehesten wäre dann eine Überraschungsaktion an ganz anderer Stelle wirksam. Obwohl ich eine Landung beim Kinburn-Bogen (falls genügend Ressourcen vorhanden) als sehr schmerzlich für die Russen sehen würde.
520
Melden
Zum Kommentar
71
Hitzewelle im Iran: Mehr als 50 Grad im Südwesten
Inmitten einer Wasserkrise sind die Temperaturen an einem Ort im Iran auf mehr als 50 Grad gestiegen. In der südwestlichen Stadt Omidieh in der industriell geprägten und trockenen Provinz Chusestan wurden am Donnerstag 51 Grad gemessen, wie der staatliche Rundfunk berichtete.
Zur Story