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Mutter von in der Ukraine getötetem Journalisten meldet sich zu Wort

«Mir wird schlecht» – Mutter von in der Ukraine getötetem Journalisten meldet sich zu Wort

Nach dem Tod eines französischen Journalisten in der Ukraine wirft Russland ihm vor, ein «ausländischer Söldner» gewesen zu sein. Nun hat sich die Mutter des Mannes zu Wort gemeldet.
01.06.2022, 22:3301.06.2022, 22:33
Miriam Hollstein / t-online
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t-online

Frédéric Leclerc-Imhoff war erst 32 Jahre alt, als ihn Bombensplitter so schwer verletzten, dass er starb. Der junge Kameramann arbeitete für den französischen Privatsender BFMTV, war zum zweiten Mal seit Beginn des Krieges in der Ukraine unterwegs. Gemeinsam mit einem Kollegen und einer Ortskraft begleitete er am Montag einen Hilfskonvoi in der Region Sjewjerodonezk, die aktuell massiv von der russischen Armee angegriffen wird. Der Bus mit den Journalisten wurde beschossen, sein Kollege wurde leicht verletzt, aber für Leclerc-Imhoff kam jede Hilfe zu spät. Er ist der achte Journalist, der in diesem Krieg ums Leben kam.

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Der französische Journalist Frédéric Leclerc-Imhoff starb am Montag in der Ostukraine.Bild: keystone

In Frankreich löste die Nachricht Trauer und Bestürzung aus. «Der Journalist Frédéric Leclerc-Imhoff war in der Ukraine, um die Realität des Krieges aufzuzeigen», schrieb der französische Präsident Emmanuel Macron auf Twitter. «An Bord eines humanitären Busses, zusammen mit Zivilisten, die gezwungen waren, vor den russischen Bomben zu fliehen, wurde er tödlich getroffen.» Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi zeigte sich in einem Videostatement betroffen vom Tod des Journalisten, kondolierte den Angehörigen und den Kollegen.

Russland nutzt Tod für Propagandazwecke

Auch Russland reagierte umgehend. Die staatliche Nachrichtenagentur Tass verbreitete den Kommentar des prorussischen Milizenführers Andrey Marochko, dessen Gruppe für den Angriff verantwortlich gemacht wird. Leclerc-Imhoff sei kein Journalist, sondern sei vielmehr an Waffenlieferungen an die ukrainische Armee beteiligt gewesen, behauptete dieser. «Man kann ihn mit Fug und Recht einen ausländischen Söldner nennen», höhnte Marochko weiter: «Und es ist absolut klar, dass er Komplize der rechten ukrainischen Truppen war.»

Nun hat sich die Mutter von Leclerc-Imhoff zu Wort gemeldet. An die Adresse der Agentur Tass und an die Verantwortlichen der Attacke gerichtet, schreibt sie in einem Statement, das der Sender ihres Sohnes am Dienstagnachmittag verbreitete:

«Ich bin die Mutter des jungen Journalisten, den Sie gestern getötet haben. Mir wird schlecht angesichts Ihrer Mitteilung. Natürlich versuchen Sie, sich reinzuwaschen. Aber nehmen Sie zur Kenntnis, dass es Ihnen niemals gelingen wird, die Erinnerung an ihn zu beschmutzen.»

Ganz Frankreich würde das «professionelle und persönliche Engagement für die Demokratie, den menschlichen Respekt und vor allem für die freie, unparteiische und ehrliche Berichterstattung» ihres Sohnes kennen, so die Mutter weiter. Dann spricht sie Marochko noch einmal direkt an: «Alles Dinge, die weit von dem entfernt sind, was Sie antreibt.»

Aussenminister will wegen «Kriegsverbrechen» ermitteln

Leclerc-Imhoff arbeitete seit sechs Jahren für den Sender BFMTV. Er hatte am Institut für Journalismus in Bordeaux Aquitaine sein Diplom als Journalist erworben. Die neue französische Aussenministerin Catherine Colonna bezeichnete den Anschlag als «doppeltes Verbrechen, das sowohl einen Hilfskonvoi als auch einen Journalisten zum Ziel hatte». Sie kündigte an, eine Untersuchung wegen Kriegsverbrechen einleiten zu wollen. Colonna hielt sich in Kiew auf, als sie die Nachricht vom Tod des Journalisten erhielt. Sie war als erstes Mitglied der neuen französischen Regierung in die ukrainische Hauptstadt gereist.

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5 Kommentare
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Liebu
01.06.2022 23:01registriert Oktober 2020
Meine Hochachtung vor Journalisten, die versuchen, unter Einsatz ihres Lebens objektiv aus dem Kriegsgebiet zu berichten.
Ihre Arbeit wird wertvoll sein in der Aufarbeitung dieses Krieges.
Sie wissen worauf sie sich einlassen, versuchen aber ihr Risiko zu minimieren.
Wenn sie in einem Hilfskonvoi mitreisen, der angegriffen wird, ist das verwerflich, dass das nun sogar als Propaganda ausgeschlachtet wird, macht es nicht besser, passt aber zum Bild, das Russland abgibt.
Ich hoffe nur, sie müssen einmal büssen dafür, egal wie.
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G. Nötzli
02.06.2022 01:45registriert Juni 2015
Russland lügt
lügt
und lügt…

Bereits vor dem Beginn der Invasion versprachen sie keinen Einmarsch und nun sollen wir ihnen noch glauben?
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    «Die Amerikaner sind zum Spielball der Israelis geworden»
    Militärexperte Fabian Hoffmann sagt, was eine US-Intervention bedeuten würde – und welche hochrelevante Lehre der Schlagabtausch zwischen Israel und dem Iran für uns in Westeuropa hat.

    Was würde ein Kriegseintritt der USA gegen den Iran bedeuten?
    Fabian Hoffmann: Für Israel gibt es im Moment zwei Wege: Entweder sie bringen selber zu Ende, was sie begonnen haben, indem sie dem Iran die Mittel nehmen, nochmals ein ernsthaftes Nuklearprogramm zu starten. Allein durch militärische Mittel, oder auch allenfalls durch einen Deal, der früher oder später geschlossen wird. Wenn das aber nicht gelingt, dann ist der Anreiz im Iran enorm gross, sich eine Atombombe zu beschaffen, und diese auf ballistische Raketen zu packen.

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