Die Artillerie spielt im Krieg in der Ukraine eine wichtige Rolle. Die Russen nehmen ihren Gegner seit Wochen unter massiven Beschuss. Mit ihren Raketenwaffen machen sie ganze Städte dem Erdboden gleich und greifen ukrainische Verteidigungspositionen an. So gelingt es der russischen Armee, im Donbas Kilometer für Kilometer gutzumachen.
Die Ukrainer versuchen, mit ihrer Artillerie der russischen Übermacht entgegenzuhalten. Dabei müssen sie oft auf Waffensysteme zurückgreifen, die bereits stark in die Jahre gekommen sind. Im Mai erhielten die Ukrainer auch moderne Artillerie: So setzen sie neuerdings auch M777-Haubitzen ein, die von den USA geliefert werden. Aktuell reicht der Artilleriebestand jedoch nicht aus, um die Russen an allen Fronten zurückzudrängen.
Deshalb forderten die Ukrainer noch mehr Artillerie vom Westen. «Die Ukraine muss alle Waffen und die gesamte Verteidigungsausrüstung erhalten, die es ermöglichen, die Tyrannei zu besiegen – insbesondere die Mehrfachraketensysteme M142 HIMARS und M270 MLRS», sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei einer Videoschalte mit den G7-Ländern.
Der Ruf nach den «M142 HIMARS» und den «M270 MLRS» blieb in den USA nicht ungehört. Vor wenigen Tagen berichteten US-Medien, dass die Biden-Regierung zu einer Lieferung der genannten Waffensysteme tendiere.
Doch um was handelt es sich bei der «M142 HIMARS» und der «M270 MLRS»? Es sind beides Raketenwerfer, die mit modernen Raketen bestückt werden können. Sie sind der Artillerie, die bei den Russen im Einsatz ist, technisch weit überlegen.
Sowohl die M142 als auch die M270 können mit mehreren Raketen gleichzeitig beladen werden. Die normale Beladung bei der M142 sind sechs Raketen, bei der M270 sind es zwölf Raketen. Die M142 gilt als kleiner Cousin der M270, beide Systeme haben aber ähnliche Vorteile.
Das Nachladen dauert jeweils nur gerade fünf Minuten. Die Ukrainer könnten somit bis zu sechs Salven pro Stunde auf russische Stellungen feuern. Die Waffensysteme können zudem mit GPS-gesteuerten Raketen bestückt werden, was genaue Angriffe ermöglicht. Zudem sind die Systeme schnell auf- und abgebaut, was russische Gegenschläge erschwert.
Ein wesentlicher Vorteil ist die Reichweite. Die beiden Waffenplattformen könnten theoretisch die «ATACMS»-Rakete abfeuern, die bis zu 300 Kilometer weit fliegt. Bestückt werden können sie aber auch mit Lenkraketen, die gemäss Hersteller «Lockheedmartin» eine Reichweite von 70 Kilometern haben.
Die Reichweite wurde in den USA zum Politikum. «Wir werden keine Raketensysteme in die Ukraine schicken, die in Russland einschlagen können», sagte US-Präsident Joe Biden am Montag. Das Weisse Haus präzisierte später, dass die Lieferung der Raketensysteme weiterhin erwägt werde, wobei nur Raketen mit einer beschränkten Reichweite mitgeliefert würden. Die «ATACMS»-Raketen waren somit aus dem Spiel.
Der ehemalige US-Botschafter in Russland, Michael McFaul, folgerte aus den Aussagen des Weissen Hauses: «Die Ukraine wird neue Lieferungen von präzisionsgelenkten Raketen erhalten, die eine grössere Reichweite haben als die derzeitigen ukrainischen Raketen, aber keine Raketen, die tief nach Russland eindringen können.»
Die USA unterstützen die Ukraine zwar tatkräftig. Erst vergangene Woche setzte Biden ein neues Hilfspaket mit einem Volumen von fast 40 Milliarden Dollar in Kraft. Dennoch geht Washington nicht aufs Ganze. Der ukrainischen Forderung nach einer No-Fly-Zone kam es nicht nach. Nun verzichtet es auch auf die Entsendung der «ATACMS»-Raketen.
Der Entscheid der US-Regierung wurde auch in Russland wahrgenommen. «Biden hat erklärt, dass die USA der Ukraine keine Raketensysteme zur Verfügung stellen werde, die Russland treffen können. Das ist vernünftig», twitterte der ehemalige Präsident Dimitri Medwedew. Er drohte mit einer weiteren Eskalation des Krieges: «Im Falle eines Angriffs auf unsere Städte würde Russland die Zentren angreifen, in denen diese kriminellen Entscheidungen getroffen werden. Einige von ihnen befinden sich nicht in Kiew. Was als Nächstes kommt, ist offensichtlich.»
Biden’s stated, the US won’t provide Ukraine with the missile systems able to hit Russia. It’s reasonable. In the case of attack against our cities, Russia would strike the centres where these criminal decisions are made. Some of them aren’t in Kiev. What comes next is obvious
— Dmitry Medvedev (@MedvedevRussiaE) May 30, 2022
Bereits vor wenigen Tagen sagte der russische Aussenminister Sergej Lawrow, dass die Lieferung von Raketen, die bis nach Russland fliegen könnten, «ein ernsthafter Schritt in Richtung einer nicht hinnehmbaren Eskalation» sein würde.
Am Dienstagabend gab die US-Regierung dann, wie von McFaul erwartet, bekannt, die Ukraine mit einem HIMARS-Raketensystem zu versorgen, das eine Reichweite von gut 70 Kilometern hat. «Die Ukrainer haben uns versichert, dass sie diese Systeme nicht gegen Ziele auf russischem Gebiet einsetzen werden», sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter dazu.
Auch diese Waffen dürften, abgefeuert vom HIMARS-System, einen entscheidenden Einfluss auf den Kriegsverlauf haben. Waffenexperte Thomas C. Theiner hat auf der Karte eingezeichnet, was die neuen Waffen bedeuten. Er hat die Reichweite der M777- und CAESAR-Haubitzen mit den obengenannten Lenkraten verglichen. Die Ukraine wird so eine ungleich grössere Fläche ins Visier nehmen können.
Nachfolgend drei Beispiele:
Die Ukrainer könnten die Versorgungslinien der Russen zerstören, schreibt Theiner – Brücken, Strassen, Gleise. Auch gegnerische Truppen könnten mit den neuen Waffen ins Visier genommen werden. Dabei müssten die Ukrainer nicht einmal Angst vor russischen Gegenschlägen haben. Die neuen Waffensysteme würden ihre Raketen so schnell abfeuern, dass die Ukrainer genug Zeit hätten, um ihre Positionen zu verlassen.
Diese Waffen würden «die Dynamik des Krieges definitiv verändern», konstatiert Theiner. «Jeder russische Angriff wird zerschlagen, jeder russische Nachschubpunkt wird zerstört. Und wir wissen bereits, dass Russland sich nicht weiter als 80–90 km von Versorgungspunkten entfernen kann.»
Der britische Militärexperte und Ex-Offizier Nicholas Drummond glaubt gar, dass die M142 den Krieg entscheiden könnte. «HIMARS ist das, was die Ukrainer brauchen. 48 Trägerraketen plus 4000–5000 Lenkraketen würden die Sache in wenigen Wochen erledigen», twitterte Drummond kürzlich.
Bis die Ukraine die neuen Waffen aber tatsächlich einsetzen kann, wird es wohl noch einige Zeit dauern. Das Material muss zuerst noch an die Front gebracht und die Ukrainer geschult werden.
Ukrainian leaders say military victory against Russia “unlikely” if U.S. holds back supplies of long-range artillery @mchancecnn reports pic.twitter.com/o0MDQD2U6M
— The Lead CNN (@TheLeadCNN) May 30, 2022
Ohne die neuen Raketensysteme wäre es für die Ukrainer enorm schwierig geworden. «Die ukrainischen Beamten haben mir erzählt, dass sie den Krieg ohne die Langstrecken-Raketensysteme wohl nicht gewinnen können», sagte CNN-Korrespondent Matthew Chance am Montagabend.
Also erstens mal nimmt er den Mund ganz schön voll dafür dass sie schon riesige Probleme gegen die wesentlich schwächere Ukraine haben, und 2. ist man wohl plötzlich besorgt wenn man Angst kriegt dass auch die EIGENE Infrastruktur zerstört werden könnte.
Wie viele Städte hat Russland nun schon quasi pulverisiert? Wie viele Zuhause vernichtet?