Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gab es diese Woche einen Wendepunkt – nicht nur, weil der 1000. Tag seit Beginn der Vollinvasion gezählt werden musste. In mehrfacher Hinsicht zeichneten die Ereignisse der vergangenen Tage den weiteren Verlauf vor, den der Krieg 2025 nehmen dürfte.
Der Einschlag einer russischen Mittelstreckenrakete in Dnipro am Donnerstagmorgen stellte den bisher jüngsten Eskalationsschritt in Wladimir Putins Kriegsstrategie dar. Die Absicht ist klar: Indem sich Russland immer näher an die nukleare Schwelle herantastet, soll im Westen der Graben zwischen Ängstlichen und Zweiflern sowie Unterstützern der Ukraine vertieft werden.
Indem vor allem in Europa die «nukleare Psychose» geschürt wird, sollen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine infrage und bestenfalls verhindert werden. Dabei handelt es sich um eine altbewährte KGB-Strategie aus den Zeiten des Kalten Krieges zur Unterwanderung des Feindes. Bezeichnend dafür ist, dass Kreml-Sprecher Dmitri Peskow Angaben des Pentagons dementierte, Russland habe die USA über den Abschuss der Mittelstreckenrakete vorgewarnt.
Das US-Analysezentrum Institute for the Study of War (ISW) sieht darin die logische Fortsetzung der Putin'schen «Rhetorik der Roten Linien». Russlands Präsident eskaliert den Krieg jeweils nach Belieben respektive nach seiner eigenen militärischen Notwendigkeit – «ganz unabhängig von westlichen Entscheidungen». Zuletzt mit dem Einsatz von nordkoreanischen Truppen oder den jüngsten massiven Luftschlägen gegen zivile Ziele und die Energieinfrastruktur. Die Schuld dafür wird aber propagandistisch wirksam immer dem Westen zugeschoben; verbunden mit der Androhung weiterer «Bestrafungen», wie jetzt der Ausweitung der russischen Raketenziele auf europäische NATO-Länder.
Bisher haben sich die von Wladimir Putin angedrohten Roten Linien stets als Bluffs erwiesen: Wenn die westlichen Staaten nach langem Streit und Zögern trotzdem Raketenartillerie, Panzer oder Kampfflugzeuge der Ukraine geliefert haben, dann blieb laut ISW dem Kreml jeweils nur übrig, bei seiner Drohrhetorik «die Torpfosten noch weiter zu verschieben».
Daher gebe es auch nach Joe Bidens Freigabe für Angriffe auf russischen Boden mit ATACMS-Lenkwaffen – laut Putin der Hauptgrund für das Abfeuern der Mittelstreckenrakete – «keinen realen Hinweis für die erhöhte Wahrscheinlichkeit eines russischen Atomschlags». Denn die Ukraine habe zuvor schon mit eigenen Drohnen und Kurzstreckenraketen Ziele in Russland angegriffen, schreibt das ISW weiter. Im Interview mit CH Media sagte der Osteuropaexperte Alexander Dubowy, mit einem Atomschlag würde Putin im auch politisch geführten Ukraine-Krieg sofort das «Gros seiner Handlungsoptionen verlieren». Das ISW nennt daher Putins Hantieren mit Roten Linien «zunehmend inkonsequent».
#RussiaUkraineWar | Usually when you are bluffing in poker, it is because you have a bad hand. Vladimir Putin knows that if he fights the West directly, he will lose: @ActualAlexZ, Republican Strategist#Russia #Ukraine #ICBM #TheHardFacts | @RShivshankar pic.twitter.com/ojxsQyBAsv
— News18 (@CNNnews18) November 21, 2024
Der US-republikanische Parteistratege Alex Zdan sagte es diese Woche in einem Interview bezogen auf Putin so: «Wer beim Poker so bluffen muss, hält in der Regel ein schlechtes Blatt in Händen.» Davon abgeleitet könnten die jüngsten Eskalationsschritte Moskaus ein eigentliches Zeichen der militärischen Schwäche sein. Aufgrund horrender Verluste beim Vorrücken in der Ostukraine, der realen Gefahr verheerender ATACMS-Schläge auf eigenem Gebiet und der zunehmend schlechteren wirtschaftlichen Lage forciere Putin jetzt den Propagandakrieg, um den neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump von der Aussichtslosigkeit einer weiteren Unterstützung der Ukraine zu überzeugen.
All dies gibt einen guten Hinweis darauf, dass sich 2025 der Krieg militärisch im bisherigen Rahmen weiterziehen wird, verbunden mit der Frage, welcher Seite zuerst der Atem ausgehen wird: Russland, das dringend auf nordkoreanische Soldaten und Munition sowie auf iranische Raketentechnologie angewiesen ist, oder der von westlichen Waffenlieferungen fast vollständig abhängigen Ukraine?
Parallel dazu stehen die Chancen für die Aufnahme echter Waffenstillstandsverhandlungen so gut wie seit dem Sommer 2022 nicht mehr. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich in einem Interview mit dem konservativen US-Sender Fox verhandlungsbereit, indem er von einer der militärisch kritischsten Situationen seit der Schlacht um Kiew sprach. Das Ergebnis einer Gallup-Umfrage, in der sich mit 52 Prozent erstmals eine knappe Mehrheit der befragten Ukrainer ein baldiges Kriegsende und Verhandlungen herbeisehnt, dürfte ein weiterer Beweggrund sein.
Für sein Land hänge jetzt alles «von der weiteren Unterstützung durch die USA» ab. Wobei Trump die Mittel besitze, Putin zur Beendigung des Kriegs zu bewegen: «Es wird nicht einfach sein, aber er ist viel stärker als Putin», antwortete Selenskyj auf die Frage, ob Trump den russischen Präsidenten zu Verhandlungen bringen könne.
EXCLUSIVE: Fox News chief foreign correspondent @TreyYingst speaks with Ukrainian President Volodymyr Zelenskyy about the ongoing conflict in Ukraine. pic.twitter.com/YjTj7TaMOg
— Fox News (@FoxNews) November 20, 2024
Gleichzeitig zitierte die «New York Times» den ukrainischen Vorsitzenden des parlamentarischen Verteidigungskomitees Roman Kostenko. Dieser würde bei Verhandlungen künftige Sicherheitsgarantien über die vollständige Wiederherstellung des ukrainischen Territoriums stellen, was bisher für die Regierung Selenskyj ein absolutes Tabu bedeutete.
Ob das allein genügt, um Putin an den Verhandlungstisch zu bringen, darf indes bezweifelt werden. Vielmehr setzt Russlands Präsident momentan alles daran, den scheinbar in greifbarer Nähe liegenden militärischen Sieg über die Ukraine zu finalisieren. Aber weder Moskau noch Kiew zweifeln daran, dass der neue US-Präsident der Treiber einer Friedensinitiative sein wird; und beide Seiten versuchen Trump auf ihre Weise zu beeinflussen.
Hierbei können sich die von der Regierung Joe Bidens masslos enttäuschten Ukrainer sogar gewisse Hoffnungen machen, dass das von Trump im Wahlkampf versprochene Kriegsende nicht einseitig zu ihrem Nachteil erfolgen wird. Noch immer hält sich der neue US-Präsident bezüglich konkreter Punkte seines Friedensplans bedeckt.
In einem Fox-Interview im Sommer aber verriet Trump zumindest seine Verhandlungsstrategie: «Selenskyj würde ich sagen, du kriegst nichts mehr, du musst einen Deal machen. Und Putin würde ich sagen, wenn du keinen Deal machst, gebe ich ihm (Selenskyj; die Red.) sehr viel.»
https://www.pravda.com.ua/news/2024/11/23/7485978/index.amp
Wir werden in ganz Europa täglich sabotiert und wir wollen es immer noch nicht wahrhaben, dass der Krieg immer den grösseren Kreis bekommt. Putin blufft, er ist pleite!