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Rasputiza: Dieses Phänomen erwartet die ukrainischen Truppen

Rasputiza: Dieses Phänomen erwartet die ukrainischen Truppen

Die militärischen Bemühungen Kiews gehen in eine entscheidende Phase. Ausgerechnet jetzt wird jedoch ein Phänomen erwartet, dass der Armee Kopfzerbrechen bereiten dürfte.
30.08.2023, 09:36
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Ein Artikel von
t-online

Als Napoleon im Jahr 1812 mit einer gewaltigen Streitmacht von 500'000 Soldaten seinen Russlandfeldzug startete, dabei tief in russisches Gebiet eindrang, schliesslich Moskau eroberte und die Stadt niederbrannte, der russische Zar sich aber trotzdem nicht ergab, mussten der französische Kaiser und seine Generäle feststellen, dass sie etwas Entscheidendes ausser Acht gelassen hatten: die Zeit.

Mud-stained guns of Ukrainian soldiers are seen on the street of Chasiv Yar, Ukraine, Wednesday, March 8, 2023. (AP Photo/Evgeniy Maloletka)
Schlammige Waffen in Tschassiw Jar bei Bachmut. Bild: keystone

Die Unternehmung hatte schlicht zu lange gedauert, um noch rechtzeitig vor Einbruch des russischen Winters zurückzukehren und die eigenen Truppen in Sicherheit zu bringen. Eine mörderische Flucht vor dem Wetter setzte ein. Als Napoleon die Kontingente schliesslich in Ostpreussen sammelte, waren von einer halben Million Soldaten nur noch 50'000 am Leben. Meteorologisch hat sich seitdem nicht viel geändert im Osten Europas.

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Im vergangenen Jahr war es Russland selbst, dessen Truppen im Herbst 2022 in der Ukraine zum Stillstand kamen. Die Offensive zur Eroberung des Landes, wie Machthaber Wladimir Putin sie sich vorgestellt hatte, wurde in weiten Teilen des Landes von der berüchtigten Witterung gestoppt. Nun ist es die Ukraine, deren Gegenoffensive an ein natürliches Ende kommen könnte. Zumindest für dieses Jahr. Das Phänomen wird Rasputiza genannt.

Was genau bedeutet Rasputiza? Der Ausdruck stammt aus dem Russischen und heisst übersetzt so viel wie «Wegekreuzung». Er wird auch verwendet, um auszudrücken, dass «Strassen aufhören zu existieren». Im Ukrainischen wird dagegen das Wort Bezdorizhzhya für das Phänomen verwendet, das zweimal im Jahr auftritt. Weitere Synonyme sind «General Schlamm» und «die geheime Waffe der Ukraine.» Diese «Geheimwaffe» könnte sich nun gegen die Ukraine wenden.

Worum handelt es sich bei dem Phänomen? Rasputiza ist ein Wetterphänomen, das jedes Jahr im Frühjahr und im Herbst auftritt und die Tiefebenen der Ukraine und Russland erfasst. In dieser Zeit kommt es häufig zu einer Grosswetterlage, die mehrere Wochen, manchmal sogar Monate anhält, und die im Herbst mit viel Regen verbunden ist. Im Frühjahr hingegen ist es die einsetzende Schneeschmelze, die den Boden in den südlichen Regionen der Ukraine aufweicht und in regelrechte Schlammwüsten verwandelt.

Ukrainian soldiers in a trench under Russian shelling on the frontline close to Bakhmut, Donetsk region, Ukraine, Sunday, March 5, 2023. (AP Photo/Libkos)
Ukrainische Soldaten in einem wassergefüllten Schützengraben in der Nähe von Bachmut.Bild: keystone

Was bedeutet Rasputiza für den Krieg? Das Wetter spielt für die ukrainische Gegenoffensive eine ebenso wichtige Rolle, wie es für den völkerrechtswidrigen Überfall von Putins Truppen zu Beginn des Krieges von Bedeutung gewesen ist. Insbesondere im vergangenen Jahr hatten laut Analysen von Militärexperten die Streitkräfte des Kreml zum Teil grosse Mühe, ihre mechanisierten Verbände in dem vom Regen aufgeweichten Boden zu bewegen.

Nun haben sich die Vorzeichen geändert, denn im Spätsommer 2023 ist die Ukraine in der Offensive, Russlands Armee hat sich dagegen in ihren Verteidigungslinien eingegraben. Das könnte es für die ukrainischen Truppen noch schwerer machen, signifikante Geländegewinne zu verzeichnen und die von Russland besetzten Gebiete zurückzuerobern.

Wann beginnt die Rasputiza? Meist setzen die ersten Regenfälle in den trockenen Ebenen der Südukraine Ende September oder Anfang Oktober ein. Dann verwandelt sich der feste, gut manövrierbare Untergrund in eine tiefe Schlammebene. Für die ukrainischen Truppen erhöht dies die Gefahr unter feindliches Feuer zu geraten. Meist geht die Schlammperiode nahtlos in den Winter über, was in dieser Region das Aufkommen von sehr kalten Temperaturen mit Schnee und Eis bedeutet und grössere Vorstösse der ukrainischen Streitmacht ebenfalls erschwert.

Wie sind die militärischen Aussichten? Die Armee Kiews wird trotz Rasputiza ihre Bemühungen, Geländegewinne im Süden des Landes zu erzielen wohl nicht einstellen, schliesslich ist das Wetterphänomen keine Neuigkeit für die ukrainischen Truppen. Ihre Generäle planen mit den veränderten meteorologischen Bedingungen. «Die Rasputiza gibt es ja seit hunderten von Jahren», sagt der ehemalige australische Generalmajor Mick Ryan gegenüber «yahoo news». «Für die Strategen ist das keine Neuigkeit. Schon bevor es Fahrzeuge gab, blieben Pferdegespanne im Schlamm stecken. Das heisst nicht, dass es leicht ist, aber es gibt dafür Lösungen» Ähnlich sieht es der österreichische Gardekommandant Marcus Reisner.«Das ändert nichts an der Möglichkeit, die Truppen zu Fuss einzusetzen», sagt er im Interview mit «ntv».

Wie wirkt sich die Rasputiza auf die Gegenoffensive aus? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Militärstratege Ryan sieht die Schlammperiode im Frühjahr, wenn in der Ukraine der Schnee schmilzt und den Boden in eine Schlammrutschbahn verwandelt, militärstrategisch als wesentlich komplizierter an, als den Regen im Herbst. «Ich glaube nicht, dass es im Herbst genauso schlimm werden wird, wie im Frühjahr.»

Reisner hingegen räumt ein, dass auch die Regenfälle im Herbst «den grossen Nachteil mit sich» brächten, dass die ukrainischen Truppen dann «nicht die Stosskraft entwickeln können, wie Panzerverbände, die einen trockenen Boden brauchen.» Er erwartet daher schon bald eine «Phase des Innehaltens», in der sich beide Armeen darauf konzentrieren werden, ihre Lage militärisch zu konsolidieren.

So oder so spielt der Faktor Zeit für die Ukraine eine immer grössere Rolle. Denn je länger die Gegenoffensive dauert, desto grösser wird die Ungeduld ihrer Unterstützer. In den vergangenen Tagen wurden bereits Stimmen aus dem Umkreis der US-Regierung laut, die deutliche Kritik am militärstrategischen Vorgehen Kiews übten. Der ukrainische General Walerij Saluschnyj konterte daraufhin erstmals brüsk und verbat sich jegliche Einmischung von aussen. Der Ton unter den Verbündeten wird also rauer.

Im Kreml dürfte sich ein Mann die Hände reiben – und geduldig auf den ukrainischen Herbst warten. (t-online, cc)

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56 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ato1000
29.08.2023 13:57registriert März 2022
Wann hören unsere Medien endlich auf, ständig die Ungeduld der Unterstützerländer herbeizureden. Die Nato würde nie ohne Luftüberlegenheit kämpfen, würde aber von der Ukraine verlangen, ohne eine solche schnellere Fortschritte zu machen.
Sie helfen nicht Mal dabei, dass die Ukraine zu einer Luftüberlegenheit kommt, aus Angst Putin zu verärgern.
Die Ukraine darf keine militärische Ziele in RuSSland mit Waffen aus den Unterstützerländer angreifen. Man gibt also RuSSland alle Möglichkeiten der Welt weiterhin masisiv Waffen herzustellen und in die Ukraine zu liefern. Zynischer geht es kaum.
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winglet55
29.08.2023 14:11registriert März 2016
Ich denke mal, die Ukrainer wissen besser mit den ihnen bekannten Wetterverhältnissen umzugehen, wie wir.
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En Espresso bitte
29.08.2023 14:26registriert Januar 2019
Können wir uns darauf einigen, das ukrainische Wort dafür zu nutzen? Angesichts der Tatsache, dass der Konflikt in der Ukraine stattfindet und die Russen schuld daran sind, finde ich es nur angebracht, dass wenigstens nicht auch noch das Wetter russisch bezeichnet wird.

Also: Bezdorizhzhya.
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