Darf man mitten im Krieg Urlaub machen und Partys feiern? Geht es nach moskaufreundlichen Medien, ist das verwerflich oder gar ein Zeichen, dass der Krieg in der Ukraine gar nicht so schlimm ist wie immer behauptet.
Allerdings reisen Journalisten solcher Medien kaum je selbst in die Ukraine, um sich selbst ein Bild zu verschaffen. Viel lieber stützen sie sich auf Videos, die in den sozialen Medien kursieren. Und Filmschnipsel zeigen - wenn sie denn echt sind - immer nur einen kleinen Ausschnitt der Realität. Wie sieht es also wirklich aus in den Feriengebieten der Ukraine?
Tatsächlich gibt es typische Touristenorte, dem Krieg und der Bedrohung durch russische Drohnen und Marschflugkörper zum Trotz. Zu ihnen zählen zum Beispiel Odessa am Schwarzen Meer oder Lwiw, das ehemalige Lemberg, und die Karpatenausläufer in der Westukraine. Diese werden zum Teil auch im Winter für Skiferien besucht.
Und dann gibt es da noch die zentralukrainische Stadt Uman, eine Art Wallfahrtsort für orthodoxe Juden - aus der Ukraine und dem Ausland. Jedes Jahr kommen diese zu Tausenden, weil sich hier das Grab eines berühmten chassidischen Rabbis befindet.
Transkarpatien an der Grenze zu den Nachbarländern Slowakei, Ungarn und Rumänien liegt rund 600 Kilometer von den nächsten Frontgebieten entfernt. Die Menschen strömen deshalb nicht nur wegen der Berge, der Natur und der angenehmen Temperaturen hierher, sondern weil das Risiko eines russischen Luftangriffs minim erscheint. Hier kann man den Krieg für eine kurze Weile vergessen oder verdrängen.
Die 50-jährige Irina erzählt, dass sie sich übers Wochenende am Fuss der Karpaten entspannt habe. «Zum ersten Mal in diesem Krieg habe ich auf meinem Mobiltelefon die App deaktiviert, die mich sonst jeweils über Luftalarme informiert.» Als Beamtin muss sie an ihrem Arbeitsplatz, einem Bürogebäude in Lwiw, beim Ertönen der Sirenen immer den Luftschutzkeller aufsuchen. Viele Ukrainer nehmen die Sirenentöne allerdings nicht mehr ernst, weil in den allermeisten Fällen nichts passiert.
In Uschhorod, der Hauptstadt Transkarpatiens, sind Sirenenalarme höchst selten. Im Unterschied zu vielen anderen ukrainischen Bevölkerungszentren gibt es hier auch keine Ausgangssperre. Für manche Ukrainer ist das die erste Gelegenheit, eine Art Normalität im Urlaub zu erleben. Uschhorod ist mit dem Zug zum Beispiel bequem von Kiew aus zu erreichen.
Die Hotels sind voll mit Familien, Kindern und Soldaten, die Fronturlaub haben und in Transkarpatien ein paar unbeschwerte Tage mit ihrer Partnerin verbringen möchten. Wellness-Oasen sind auch hier beliebt. Hotels, die etwas auf sich halten, bieten Saunas, Massagen und manchmal auch Hallenbäder an.
Uschhorod liegt an der Grenze zur Slowakei. Am Zoll stauen sich die Autos in beiden Richtungen: Ukrainer, viele davon Flüchtlinge, kommen zum Urlaub und Verwandtenbesuch in ihr Heimatland, während auf der Gegenfahrbahn jene auf Durchlass warten, die im Ausland Ferien machen dürfen. Das sind in erster Linie Frauen und Kinder, Männer über 60 Jahre und Väter mit mindestens drei Kindern. Allen anderen Männern im wehrfähigen Alter ist es untersagt, das Land zu verlassen.
An den Übergängen zwischen Ungarn und der Ukraine hat es ebenfalls regen Verkehr. Nicht weit von der Grenze entfernt gibt es einen Nationalpark in den Karpaten. Ein Fluss, dessen Ufer noch im letzten Winter von Müll aus den Bergdörfern übersät waren, haben die Ukrainer inzwischen gereinigt. So können ganze Familien aus der Umgebung, aber auch aus Städten wie Lwiw und Kiew, wieder im Wasser baden.
Bei Wasserfällen in Seitentälern sind kleine Zelte zu sehen, und auf den Rastplätzen entlang der Strasse wird gegrillt, was das Zeug hält. Die Autokennzeichen lassen erahnen, dass Menschen aus der halben Ukraine hierherkommen, um eine unbeschwerte Zeit inmitten der Natur zu verbringen. Das Einzige, was in der Berg- und Waldidylle an den Krieg erinnert, ist eine kleine Strassensperre mit Polizisten und Soldaten auf der Passhöhe, mehr als 900 Meter über dem Meer.
Ein paar Autostunden entfernt drängen sich ukrainische Urlauber auch auf dem Platz vor der Lemberger Oper. Selbst wenn die Stadt praktisch unzerstört ist, braucht man nicht lange zu suchen, um auf Spuren des Kriegs zu stossen. Vor einer Kirche steht eine Gruppe Soldaten stramm. Die Männer im Tarnfleck warten auf den Sarg eines gefallenen Kameraden. Einer von ihnen trägt ein Bild des Getöteten, mit Helm und Uniform.
In einem Hinterhof haben Bewohner die Fotos von zehn Todesopfern russischer Marschflugkörper aufgestellt. Mehrere Wohnhäuser wurden hier im Juli direkt neben einem Kinderspielplatz zerstört. Ein Bürogebäude nebenan ist teilweise verkohlt. Manche Stahlträger wurden von der Druckwelle verbogen. Vielleicht wollten die Russen ein in der Nähe gelegenes Militärgelände treffen, verfehlten es aber und töteten so unschuldige Zivilisten.
Es war der schwerste Angriff auf Lwiw seit Beginn der russischen Invasion. Die Ahnung, dass jederzeit wieder schwere Geschosse einschlagen könnten, ist mit ein Grund, warum die Menschen Ablenkung, Entspannung und Sicherheit in den nahen Karpaten suchen. (aargauerzeitung.ch)
Die Soldaten machten Urlaub in Paris wo das Leben ganz normal weiter gegangen ist. Man kann wegen eines Krieges ja nicht die ganze Bevölkerung zur permanenten Kriegseinsatz verdonnern. So läuft der Krieg schlicht nicht. In der Ukraine scheint mir das ganz analog zu verlaufen.
Mir gefällts, es zeigt, dass die Bevölkerung nicht gebrochen ist, egal wie viele Lenkwaffen und Bomben Putin auf sie wirft. Das hat übrigens noch nie funktioniert, auch in den Weltkriegen nicht. Die Bevölkerung ist auch damals eher stärker und entschlossener geworden durch die Bomben.