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Ukraine

Selenskyj sieht Russland blossgestellt – Das Nachtupdate ohne Bilder

Selenskyj sieht Russland blossgestellt – Das Nachtupdate ohne Bilder

24.07.2022, 06:4924.07.2022, 16:06

Nach den Raketenangriffen auf den Hafen in Odessa hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Russland als Verhandlungspartei grundsätzlich infrage gestellt. «Wenn irgendjemand auf der Welt früher gesagt hat, dass es notwendig ist, mit Russland in Dialog zu treten, Vereinbarungen zu treffen über eine Waffenruhe, ohne unser Gebiet von den Besatzern zu befreien, dann haben die heutigen Raketen die Möglichkeit solcher Aussagen zerstört», sagte er in seiner am Samstagabend veröffentlichten Videobotschaft.

Der Angriff mit Raketen auf die Hafenstadt sei international verurteilt worden. Selenskyj sprach von einem Akt «offensichtlicher russischer Barbarei». Zu Beginn des 151. Kriegstags sieht er aber auch Positives.

Neben den Raketenangriffen habe es zwar erneut schwere Gefechte im Donbass und im Gebiet Charkiw gegeben. Dennoch sei auch sichtbar, dass sich die Ukraine in Richtung Sieg bewege. Vor allem zeige sich das in der Region Cherson im Süden. «Die Streitkräfte der Ukraine bewegen sich Schritt für Schritt in dem Gebiet vorwärts», sagte Selenskyj.

Russland hatte die südukrainische Region am Schwarzen Meer unmittelbar nach Kriegsbeginn Ende Februar eingenommen. Moskautreue Separatisten dort kündigten zuletzt an, sie wollten eine Volksabstimmung für einen Beitritt zu Russland ansetzen. Die Ukraine will das verhindern und das Gebiet auch mithilfe der von den USA und anderen Nato-Staaten gelieferten schweren Waffen zurückerobern.

Angriffe auf Odessa sollen Waffenlieferungen beflügeln

Die Angriffe auf Odessa seien ein weiterer Grund dafür, der Ukraine solche Waffen zu geben, «die für unseren Sieg notwendig sind», sagte Selenskyj. Er warf Russland vor, einen Tag nach dem in Istanbul unterzeichneten Abkommen über die Ausfuhr von ukrainischem Getreide den Hafen von Odessa beschossen zu haben. Russland weist das zurück, wie die Türkei nach einem Gespräch mit der Kriegspartei mitgeteilt hatte. Eine offizielle russische Reaktion lag bis Samstagabend nicht vor.

Russland hatte am Freitag in dem Abkommen zugesichert, Schiffe für den Export über einen Seekorridor fahren zu lassen und nicht zu beschiessen. Auch die drei beteiligten Häfen dürfen demnach nicht angegriffen werden. Es geht dabei unter anderem um die Ausfuhr von Millionen Tonnen Getreide. Die unter der Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei unterzeichnete Einigung sieht vor, die Exporte von einem Kontrollzentrum in Istanbul überwachen zu lassen.

Selenskyj beklagte, dass im Zuge des Angriffs auch das Kunstmuseum in Odessa beschädigt worden sei. Die Raketen seien ganz in der Nähe von historischen Objekten eingeschlagen. Das ukrainische Militär hatte mitgeteilt, dass zwei Raketen von der Luftabwehr abgefangen worden seien, zwei weiteren schlugen demnach im Hafen ein. Die Getreidesilos im Hafen wurden den Angaben zufolge aber nicht getroffen.

USA machen Russland für Beschuss von Odessa verantwortlich

Die US-Regierung machte Russland für den Beschuss der Hafenstadt Odessa verantwortlich. Nur einen Tag nach der Vereinbarung über die Ausfuhr von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer habe Russland seine Verpflichtungen gebrochen, teilte US-Aussenminister Antony Blinken am Samstag (Ortszeit) mit. «Dieser Angriff lässt ernste Zweifel an der Glaubwürdigkeit des russischen Engagements für die gestrige Vereinbarung aufkommen.»

Blinken kritisierte, der Beschuss untergrabe die Arbeit der Vereinten Nationen, der Türkei und der Ukraine, um wichtige Nahrungsmittel auf die Weltmärkte zu bringen. Russland trage die Verantwortung für die Verschärfung der weltweiten Nahrungsmittelkrise. Moskau habe der Vereinbarung zur Ausfuhr von Getreide zugestimmt und stehe nun in der Pflicht, sie vollständig umzusetzen.

Selenskyj traf US-Politiker in Kiew

In Kiew traf sich Selenskyj mit einer Delegation des US-Kongresses, die nach Angaben von Botschafterin Bridget Brink ihre Unterstützung für die Ukraine bekräftigte. Die US-Vertreter hatten auch die Kiewer Vororte Irpin und Butscha besucht, wo russischen Besatzern schwerste Kriegsverbrechen und die Tötung vieler Zivilisten vorgeworfen wurden. «Die Ukrainer haben die Welt inspiriert mit ihrem mutigen Widerstand gegen Putins unrechtmässigen Krieg», sagte der US-Demokrat Adam Smith, Mitglied des Repräsentantenhauses in Washington. Kremlchef Wladimir Putin hatte den Einmarsch in die Ukraine Ende Februar befohlen.

Vize-Ministerin: 5000 Soldatinnen kämpfen für Ukraine an der Front

In der ukrainischen Armee dienen laut Vizeverteidigungsministerin Hanna Maliar mehr als 50'000 Frauen, mehr als 5000 von ihnen seien derzeit an der Front. Das sagte die Politikerin nach Angaben der Nachrichtenagentur Ukrinform bei einem internationalen Gipfel der First Ladies und Gentlemen in Kiew am Samstag. Von den 50'000 Frauen im ukrainischen Militär dienten insgesamt 38'000 als Soldatinnen, die übrigen gingen zivilen Aufgaben nach.

Was am Sonntag wichtig wird

Nach den Raketenangriffen auf Odessa wird es weiter darum gehen, wie das am Freitag vereinbarte Abkommen über den ukrainischen Getreideexport umgesetzt werden kann. Nach russischen Angaben wird es Tage dauern, bis die technischen Voraussetzungen dafür getroffen sind. Die Ukraine hofft durch den Verkauf von etwa 20 Millionen Tonnen Weizen und Mais auf Milliardeneinnahmen. (sda/dpa)

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16 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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kleine_lesebrille
24.07.2022 09:10registriert Mai 2022
Russland hat nicht nur sich (und erneut) als Verhandlungspartner bloßgestellt, es hat auch die Türkei als Möchtegern-Organisator von internationalen Abkommen (und als ‘Partner’ Russlands?) in eine unglaubwürdige Position gebracht.

Wo wird wohl die nächste (nutzlose) Verhandlung mit Russland stattfinden? In Budapest, Belgrad oder Minsk?
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Cpt. Jeppesen
24.07.2022 08:58registriert Juni 2018
Die Raketen waren eine Nachricht an Schiffseigner, Schiffsbesatzungen und Schiffsversicherer:

"Auch wenn es einen Vertrag zur Ausfuhr an Getreide hat, eure Schiffe können jederzeit 'aus Versehen' ein getroffen werden."

Ziel ist es den Preis für den Abtransport von ukrainischem Getreide so hoch zu treiben, dass es sich nicht rentiert dort Schiffe hinzusenden. Somit können die Russen sagen, wir haben den Abtransport erlaubt, aber niemand fährt dort hin - ist nicht unsere Schuld - verschifft doch über russische Häfen, die sind sicher.
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