Die Stadt Isjum im Osten der Ukraine stand wochenlang in den weltweiten Schlagzeilen: Nach der Rückeroberung durch ukrainische Soldaten fanden diese Hunderte in den angrenzenden Wäldern vergrabene Leichen.
Ein neu publizierter Fund zeigt nun, was gut 10 Tage vor ebenjener Befreiung in den Reihen der stationierten russischen Soldaten vor sich ging: Zehn handgeschriebenen Briefe, datiert auf den 30. August, wurden in einem zweistöckigen Wohnhaus gefunden und zeichnen ein Bild von demoralisierten Truppen und einem überstürzten Rückzug.
Die Briefe wurden später der «Washington Post» zur Verfügung gestellt. In den Handschriften ist die Rede von niedergeschlagenen Truppen, die sich nach monatelangen Kämpfen verzweifelt nach Ruhe sehnen – und sich Sorgen um die Gesundheit und Moral der Kämpfenden machen. Einige baten ihre Vorgesetzten um Entlassung aus ihren Funktionen.
Ein anderer Soldat bat um seine Entlassung mit der Begründung:
Ein anderer sagte, er leide unter «körperlicher und moralischer Erschöpfung.»
Andere beklagten, dass ihnen Urlaub verweigert wurde, um familiäre Verpflichtungen zu erfüllen, wie beispielsweise zu heiraten oder die Geburt eines Kindes zu erleben. Der ähnliche Wortlaut, in dem die zehn Briefe verfasst wurden, lässt vermuten, dass sich die Truppen zusammengetan haben, um sie zu verfassen. Die Briefe wurden teils von der Ukraine in den sozialen Medien verbreitet.
Die Echtheit der Briefe konnte noch nicht von unabhängigen forensischen Expertinnen bestätigt werden, aber die Originaldokumente, die «The Post» zugestellt wurden, befanden sich unter zahlreichen anderen, zurückgelassenen Habseligkeiten: Von Stiefeln und Uniformen bis hin zu handgemalten Unterstützungsbriefen von russischen Schulkindern.
Ein Bericht vom 23. August, der an den Kommandeur der 2. russischen motorisierten Schützendivision adressiert war und als «STRENG GEHEIM» und «äusserst dringend» gekennzeichnet war, wurde ebenfalls in besagtem Haus zurückgelassen.
Darin wird beschrieben, wie vier russische Soldaten durch ukrainischen Artilleriebeschuss im Dorf Kamjanka, etwa 75 Meilen nördlich von Isjum, getötet und einer verwundet wurde.
Die russischen Streitkräfte mussten überstürzt aus der Region fliehen, denn der ukrainische Vormarsch verlief schnell. Fast die gesamte Region Charkiw wurde innerhalb weniger Tage wieder unter ukrainische Kontrolle gebracht.
Die Briefe aus dem Wohnhaus können helfen, die Wende der Ereignisse zu rekonstruieren, die zum raschen russischen Rückzug aus der Region Charkiw führten. Sie sind ein Blick hinter die Kulissen der Truppen, die grösstenteils flohen, nachdem sie sich kaum gewehrt hatten.
(adi)
Was eher erstaunlich istvfür mich, ist, dass noch keine grosse Meuterei stattgefunden hat. Aber lange wird das wohl nicht mehr dauern...
"Jungs, geht nach Hause, hier ist nicht Euer Platz":
Viele davon haben das offenbar schon verstanden. ist halt schon etwas anderes, gegen eine gut organisierte Armee zu kämpen, als Zivilisten ihre Habseligkeiten und Leben weg zu nehmen.
"russians, go home"
Vertragssoldaten haben sich selbst in diese Situation hineinmanövriert. Wehrpflichtige können desertieren oder sich ergeben. Schlussendlich ist es immer noch besser, in einer Diktatur in den Knast zu wandern, als auf dem Schlachtfeld zu sterben. – Muss jeder für sich selbst entscheiden.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis alle diese traurigen Soldaten-Schicksale und -Erlebnisse in der russ. Gesellschaft ankommen. Und je länger der Krieg geht, desto mehr setzt das Darübernachdenken ein. So ist die Mobilmachung im Prinzip der Anfang vom Ende.