Alexander Chodakowski ist ein Veteran des Ukrainekriegs. Der 50-Jährige gehörte zu jenen pro-russischen Truppen, die schon 2014 in den Donbass einfielen und damit die Invasion der Ukraine starteten. In der völkerrechtlich nicht anerkannten Volksrepublik Donezk (VD) diente er kurz als Minister für Staatssicherheit und als Sekretär des Sicherheitsrates. Chodakowski führt ausserdem das Bataillon «Wostok» und gilt als treuer Verbündeter des Kreml.
Nach dem mutmasslichen Putschversuch des Oligarchen Jewgenij Prigoschin gegen den Kreml in der Nacht zu Samstag lässt Chodakowski mit einem Post aufhorchen. «Unser Land wird nie wieder das Gleiche sein», schreibt er in einem Beitrag, den er am Sonntag auf seinem Telegram-Kanal veröffentlichte.
Der Beitrag gibt Einblicke in die Befindlichkeit der russischen Streitkräfte, die offenbar so gespalten sind, wie nie zuvor seitdem Russlands autoritärer Herrscher Wladimir Putin in das Nachbarland einmarschiert ist. «Wir erleben ohnehin schon eine schwere Zeit, aber gestern hing alles am seidenen Faden. Diejenigen, die verstehen, was auf dem Spiel stand, wie nahe wir dem Untergang gekommen sind, werden niemals jene verstehen, die den Wagner-Truppen zujubelten bei ihrem Versuch, die Autoritäten in diesem Land herauszufordern.»
This is a good descriptive post by Khodakovsky. The rift that occurred in Russia after the invasion failed to achieve its main goal has formalised yesterday and the tensions between the two camps will continue.
— Dmitri (@wartranslated) June 25, 2023
Prigozhin, who has been posting comments and audio messages… pic.twitter.com/1qWYef2yvN
Zu Beginn des Krieges im vergangenen Jahr fiel Chodakowski durch ein Interview auf, in dem er die Eskalation für ungerechtfertigt hielt (und das er später dementierte). Nun stärkt er mit seinem Post vermeintlich dem Oberbefehlshaber Putin den Rücken. Und zeigt damit gleichzeitig, wie geschwächt der Kreml-Despot bereits ist.
Chodakowski wendet sich explizit gegen den Rädelsführer des Aufstandes vom Samstag, Prigoschin, weil dieser durch seinen «Marsch auf Moskau» die russischen Truppen an der Front in der Ukraine in Gefahr gebracht habe, wie der «Wostok»-Kommandeur ausführt. «Wir haben zu Gott gebetet, dass der Feind aus der Situation kein Kapital schlagen würde und alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel in die Schlacht wirft, denn dann wären wir wohl verloren gewesen.»
Russian war criminal & former FSB spetsnaz, Igor 'Strelkov' Girkin predicts Russia's collapse if Ukraine is able to break through the current frontline, which he calls the thinnest thread on which everything hangs for Russia. pic.twitter.com/Hb1ulyMprf
— Igor Sushko (@igorsushko) June 18, 2023
Auch innerhalb der Wagner-Gruppe soll es zu grosser Unzufriedenheit mit dem Chef der Organisation gekommen sein. Wie mehrere Militärexperten berichten, soll Prigoschin das Gros seiner Männer im Unklaren über den Aufstand gelassen haben. Zudem hätten viele den Abschuss von Helikoptern der regulären russischen Armee nicht gutgeheissen. Einig der Wagner-Söldner hätten daher die Organisation verlassen.
Zugleich ist Chodakowskis Beitrag auch ein Zeugnis dafür, wie sehr Putin die Kontrolle über die unterschiedlichen Fraktionen innerhalb des russischen Militärs zu entgleiten scheint. «Denjenigen, die unter Einsatz ihres Lebens die Front verteidigen, wurde das Messer in den Rücken gestossen», schreibt er. Passieren konnte das auch deswegen, weil Putin seinen Freund Prigoschin gewähren und ihn trotz heftigster Angriffe auf die russische Militärführung zu immer grösserer Popularität innerhalb der Bevölkerung kommen liess.
Seit Samstag ist es aber nicht mehr nur Verteidigungsminister Sergej Schoigu, der geschwächt dasteht. Es ist jetzt der Oberbefehlshaber selbst, der nicht mehr Herr der Lage zu sein scheint und der offenbar zusehends die Kontrolle über die divergierenden Interessen innerhalb der russischen Machtelite, den Militärs, Oligarchen und Politikern, verliert.
Wladimir Putins Herrschaft, so liest sich Chodakowskis ominöser Post, wackelt.
Verwendete Quellen:
(t-online, cc)
Du redest vom gleichen Gott, der schon die Ukrainer nicht vor dem ganzen Unheil bewahrte, dass ihr über sie gebracht habt.