International
Ukraine

Russischer Kommandeur über Putschversuch: «Hat Gesellschaft geteilt»

Russischer Kommandeur über Prigoschins Putschversuch: «Hat Gesellschaft geteilt»

Ein Kommandeur der selbst ernannten Volksrepublik Donezk schreibt von dem Riss, der durch die russische Gesellschaft geht. Der Aufstand von Samstag habe dies deutlich gezeigt.
26.06.2023, 04:5926.06.2023, 04:59
Mehr «International»
Ein Artikel von
t-online

Alexander Chodakowski ist ein Veteran des Ukrainekriegs. Der 50-Jährige gehörte zu jenen pro-russischen Truppen, die schon 2014 in den Donbass einfielen und damit die Invasion der Ukraine starteten. In der völkerrechtlich nicht anerkannten Volksrepublik Donezk (VD) diente er kurz als Minister für Staatssicherheit und als Sekretär des Sicherheitsrates. Chodakowski führt ausserdem das Bataillon «Wostok» und gilt als treuer Verbündeter des Kreml.

Alexander Chodakowski, 26.6.2023
Alexander Chodakowski ist ein treuer Verbündeter des Kremls.Bild: twitter

Nach dem mutmasslichen Putschversuch des Oligarchen Jewgenij Prigoschin gegen den Kreml in der Nacht zu Samstag lässt Chodakowski mit einem Post aufhorchen. «Unser Land wird nie wieder das Gleiche sein», schreibt er in einem Beitrag, den er am Sonntag auf seinem Telegram-Kanal veröffentlichte.

«Der Konvoi der Wagner-Truppen hat sich nicht nur auf dem Asphalt bewegt, er hat sich auch durch die Herzen unseres Volks bewegt und die Gesellschaft in zwei Teile geteilt.»

Der Beitrag gibt Einblicke in die Befindlichkeit der russischen Streitkräfte, die offenbar so gespalten sind, wie nie zuvor seitdem Russlands autoritärer Herrscher Wladimir Putin in das Nachbarland einmarschiert ist. «Wir erleben ohnehin schon eine schwere Zeit, aber gestern hing alles am seidenen Faden. Diejenigen, die verstehen, was auf dem Spiel stand, wie nahe wir dem Untergang gekommen sind, werden niemals jene verstehen, die den Wagner-Truppen zujubelten bei ihrem Versuch, die Autoritäten in diesem Land herauszufordern.»

Zu Beginn des Krieges im vergangenen Jahr fiel Chodakowski durch ein Interview auf, in dem er die Eskalation für ungerechtfertigt hielt (und das er später dementierte). Nun stärkt er mit seinem Post vermeintlich dem Oberbefehlshaber Putin den Rücken. Und zeigt damit gleichzeitig, wie geschwächt der Kreml-Despot bereits ist.

Chodakowski wendet sich explizit gegen den Rädelsführer des Aufstandes vom Samstag, Prigoschin, weil dieser durch seinen «Marsch auf Moskau» die russischen Truppen an der Front in der Ukraine in Gefahr gebracht habe, wie der «Wostok»-Kommandeur ausführt. «Wir haben zu Gott gebetet, dass der Feind aus der Situation kein Kapital schlagen würde und alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel in die Schlacht wirft, denn dann wären wir wohl verloren gewesen.»

Auch innerhalb der Wagner-Gruppe soll es zu grosser Unzufriedenheit mit dem Chef der Organisation gekommen sein. Wie mehrere Militärexperten berichten, soll Prigoschin das Gros seiner Männer im Unklaren über den Aufstand gelassen haben. Zudem hätten viele den Abschuss von Helikoptern der regulären russischen Armee nicht gutgeheissen. Einig der Wagner-Söldner hätten daher die Organisation verlassen.

Zugleich ist Chodakowskis Beitrag auch ein Zeugnis dafür, wie sehr Putin die Kontrolle über die unterschiedlichen Fraktionen innerhalb des russischen Militärs zu entgleiten scheint. «Denjenigen, die unter Einsatz ihres Lebens die Front verteidigen, wurde das Messer in den Rücken gestossen», schreibt er. Passieren konnte das auch deswegen, weil Putin seinen Freund Prigoschin gewähren und ihn trotz heftigster Angriffe auf die russische Militärführung zu immer grösserer Popularität innerhalb der Bevölkerung kommen liess.

Seit Samstag ist es aber nicht mehr nur Verteidigungsminister Sergej Schoigu, der geschwächt dasteht. Es ist jetzt der Oberbefehlshaber selbst, der nicht mehr Herr der Lage zu sein scheint und der offenbar zusehends die Kontrolle über die divergierenden Interessen innerhalb der russischen Machtelite, den Militärs, Oligarchen und Politikern, verliert.

Wladimir Putins Herrschaft, so liest sich Chodakowskis ominöser Post, wackelt.

Verwendete Quellen:

  • newsweek.com: "Russian Commander Posts Ominous Warning After Wagner Mutiny" (englisch)
  • Telegram-Profil von Alexander Chodokowski
  • Twitter-Profil von Anton Geraschenko
  • reuters.com: "Russia-backed rebel commander in Ukraine's East rallies veterans to rejoin ranks" (englisch)
  • newsweek.com: "Russian Commander Says He's 'Depressed' by How War Is Turning Out" (englisch)

(t-online, cc)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
21 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Rivka
26.06.2023 07:12registriert April 2021
Jedes Imperium kommt an ein Ende. Russland wird für all das Leid, dass es verursacht hat, bezahlen. Das wird ein schreckliches Erwachen für den Despoten und sein apathisches Volk werden. Aber es wird passieren. Während viele Nachbarstaaten aufatmen werden, wird es für die Muskowiten ein Erwachen in ein zerstückeltes Land sein.
592
Melden
Zum Kommentar
avatar
dä Füüfer, s Weggli und s Usegeld
26.06.2023 07:01registriert September 2017
''Wir haben zu Gott gebetet, dass der Feind aus der Situation kein Kapital schlagen würde.. ''

Du redest vom gleichen Gott, der schon die Ukrainer nicht vor dem ganzen Unheil bewahrte, dass ihr über sie gebracht habt.
501
Melden
Zum Kommentar
avatar
mrmikech
26.06.2023 07:38registriert Juni 2016
Das Krasseste ist, dass die Russen immer noch glauben, dass es eine Front gibt, als wären sie angegriffen worden. Das Land ist in eine Massenpsychose und fällt immer mehr auseinander.
463
Melden
Zum Kommentar
21
    Diese Kantone würden am meisten unter den US-Zöllen leiden
    Auch wenn noch nicht alles in Stein gemeisselt ist: Die neuen US-Einfuhrzölle auf Industriegüter und Rohstoffe dürften die Schweizer Wirtschaft insgesamt hart treffen. Einige Kantone und Regionen leiden besonders stark. Eine Übersicht.

    Die Kantone Nidwalden und Jura wären am stärksten von den US-Zöllen betroffen, kommt das Beratungsunternehmen Wüest-Partner in einem am Freitag veröffentlichten Studie zum Schluss.

    Zur Story