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Wladimir Klitkscho spricht bei Markus Lanz über Putin

Klitschko über Putin: «Ich war damals überraschend beeindruckt von ihm»

Wladimir Klitschko verriet, warum er kaum noch russische Freunde hat und was ihm bei einer Begegnung mit Machthaber Wladimir Putin besonders imponierte.
27.09.2023, 06:10
Daniele Gambone / t-online
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Wladimir Klitschko bei der Vorstellung seines Buchs "Gestohlene Leben: Die verschleppten Kinder der Ukraine" in Köln (Archivbild).
Wladimir Klitschko bei der Vorstellung seines Buchs "Gestohlene Leben: Die verschleppten Kinder der Ukraine" in Köln (Archivbild).Bild: imago

Wladimir Klitschko blickte am Dienstagabend im ZDF zurück auf über anderthalb Jahre Krieg. In seiner sehr persönlichen Analyse der Lage schilderte der ukrainische Ex-Boxweltmeister bei «Markus Lanz», wie der russische Überfall seine Heimat und sein eigenes Leben verändert habe.

Die Menschen würden sich anpassen, ohne sich an das schreckliche Antlitz des Krieges zu gewöhnen, erklärte der jüngere Bruder des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko. Er selbst könne allein anhand der Augen und Gesichter der abgebildeten Menschen erkennen, ob eine Aufnahme aus der Ukraine vor oder nach Beginn der Kampfhandlungen entstanden sei. «Am Tag wirkt das Leben ziemlich normal und nachts hört man Explosionen», ergänzte Klitschko. Auch von einer Begegnung mit Wladimir Putin wusste er zu berichten.

Das waren die Gäste bei «Markus Lanz»:

  • Wladimir Klitschko: Ukrainischer Ex-Boxweltmeister
  • Tatjana Kiel, Gründerin der Initiative «#WeAreAllUkrainians»
  • Olivia Kortas, Kiew-Korrespondentin der «Zeit»

Diesen habe er 2011 im Rahmen einer Sportveranstaltung in der russischen Stadt Sotschi getroffen. Er sei damals von der offenen und bodenständigen Art Putins sehr angetan gewesen. Dessen Umfeld habe ebenfalls «sehr zurückhaltend, sehr höflich» gewirkt. Heute wisse er, dass Putin ein versierter Kenner der menschlichen Psyche sei und es verstehe, die Menschen für sich einzunehmen. «Ich war damals überraschend beeindruckt von ihm», gestand Klitschko ein.

Russlands Autokrat Putin mit Wladimir Klitschko bei einem Box-Event in Sotschi im Jahr 2011.
Russlands Autokrat Putin mit Wladimir Klitschko bei einem Box-Event in Sotschi im Jahr 2011.Bild: AFP/RIA-NOVOSTI POOL/ ALEXEY DRUZHININ

Illusionen über die Absichten des russischen Präsidenten macht der Ukrainer sich aber nach eigener Aussage schon lange nicht mehr. Putin werde weiter provozieren, angreifen und an seinem Plan der Wiederherstellung eines russischen Imperiums arbeiten. Würde die Ukraine fallen, wären die baltischen Staaten und Polen als Nächstes dran, zeigte sich der Ex-Athlet überzeugt.

Viele russische Freunde verloren

Von den russischen Freunden, die er einst gehabt habe, seien ihm wahrscheinlich zehn Prozent geblieben, schätzte Klitschko: «Die 90 Prozent, die melden sich nicht mehr. Die haben erklärt, sie verstehen, warum Putin angegriffen hat.» Diese Menschen seien ganz auf Putins Propaganda von der nazistischen Ukraine und ihren bösen westlichen Unterstützern hereingefallen, stellte der Ukrainer resigniert fest.

Dass sich die Kriegsziele Putins seit dem Einmarsch seiner Truppen in Teilen der Ukraine nicht geändert hätten, bekräftigte Olivia Kortas. Es gehe ihm um die Zerstörung und Auslöschung der ukrainischen Nation sowie den Sturz der ukrainischen Regierung, erklärte die «Zeit»-Journalistin. Von Kiew, ihrem Hauptstandort, berichtete die Auslandskorrespondentin, dass die Leute noch mal intensiver als zuvor leben würden.

Der ukrainische Soldat Pavlo "Zhulik" Sazonov hat gerade seinen Kameraden begraben. Er fiel Mitte September an der Front um Awdijiwka.
Der ukrainische Soldat Pavlo «Zhulik» Sazonov hat gerade seinen Kameraden begraben. Er fiel Mitte September an der Front um Awdijiwka.Bild: AP Photo/Roman Hrytsyna

Wenn man sich aber der Front nähere oder in wieder befreite Gebiete komme, könne man gut beobachten, wie ein normales Leben nicht mehr möglich sei, «weil die Menschen einander misstrauen, weil die Nachbarn sich gegenseitig verraten haben». Dennoch seien die Ukrainer kein gebrochenes Volk, auch wenn sie manchmal den Eindruck habe, dass man in Deutschland genau das hören wolle, so Kortas.

Zu den besonders perfiden russischen Verbrechen in diesem Krieg zählen die Verschleppungen ukrainischer Kinder und Jugendlicher, um die es im zweiten Teil der Sendung ging. Tatjana Kiel, die Gründerin der Initiative «#WeAreAllUkrainians», warf Russland vor, systematisch Jungen und Mädchen zu entführen, um sie in Camps einer propagandistischen Gehirnwäsche zu unterziehen und an russische Familien zu vergeben.

Zahl verschleppter Kinder kaum zu ermitteln

Zwanzigtausend solcher Fälle seien durch Anzeigen der Verwandten sicher dokumentiert, sagte die langjährige Geschäftspartnerin Klitschkos, die mit dem Ex-Profiboxer auch ein Buch zu diesem Thema veröffentlicht hat. Die ihr gegenüber genannte Dunkelziffer liege allerdings bei zweihundert- bis zweihundertfünfzigtausend. Russische Quellen sprächen sogar von siebenhunderttausend jungen Menschen. Der Grund dafür, dass es keine genaueren Zahlen gebe, liege in dem gezielten Vorgehen der russischen Behörden. «Sobald sie verteilt werden in der russischen Bevölkerung, wird der Name geändert und das Geburtsdatum. Dann ist es fast nicht mehr möglich, diese Kinder ausfindig zu machen», konstatierte Kiel.

Ukraine, Lwiw: Ukrainische Soldaten in einer Reha-Einrichtung für Kriegsverletzte.
Ukraine, Lwiw: Ukrainische Soldaten in einer Reha-Einrichtung für Kriegsverletzte.Bild: ---/Ukrinform/dpa

Es seien «viel, viel mehr» als zwanzigtausend, vermutete auch Kortas und führte als Beispiel für nicht registrierte Fälle Kriegswaisen an, nach denen kein Verwandter suche.

Einigkeit herrschte in der Runde hingegen darüber, dass Russland bei der Verschleppung junger Ukrainerinnen und Ukrainer strategisch vorgehe. Einkommensschwache ukrainische Eltern würden gezielt unter Druck gesetzt, ihre Kinder aus Sicherheitsgründen in russische Obhut zu geben, und sie anschliessend nicht mehr zurückbekommen, schilderte Kortas. Und Kiel ergänzte, dass mit der anschliessenden Verteilung innerhalb Russlands ein klarer Anreiz verbunden sei. «Die Familien in Russland bekommen dafür Geld», erklärte die Managerin, die sich für die Rückholung der Kinder einsetzt.

Verwendete Quellen:

  • ZDF: «Markus Lanz vom 26. September 2023»
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31 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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banda69
27.09.2023 07:00registriert Januar 2020
....und der subventionierte Kleinverleger Roger Köppel (SVPler, what else) verbreitet weiterhin gut gelaunt und mit einem Grinsen im Gesicht die russische Propagande und hetzt gegen die Ukraine.
Im Schatten des Ukraine-Krieges: Wie Putin und Xi Lateinamerika ins Visier nehmen\nWir müssen gar nicht so weit gehen um Putinfreunde zu finden. Denn dass sich Rechtsgerichtete liebend gerne mit Puti ...
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Martin Baumgartner
27.09.2023 07:10registriert Juni 2022
Putin verstand es, sich immer in besten Licht zu präsentieren. Seine Botschaft ist: Du bist für mich oder du bist mein Feind. Und was mit diesen geschieht weiss man ja!
Aber vielleicht sehen wie ja bald einmal einen gealterten und zitternden Putin, der im Garten des Kremls junge Pioniere auszeichnet.
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mstuedel
27.09.2023 12:00registriert Februar 2019
Dumm war Putin ja gewiss nicht, ein gewiefter Machtmensch, welcher gut Leute für sich gewinnen konnte. So sind ihm ja auch Schröder oder Merkel lange auf den Leim gegangen.
Ich zweifle allerdings an seiner Entscheidungsfähigkeit seit ein paar Jahren. Das Alter nagt an ihm und sein System lässt in seiner Umgebung nur Bücklinge und Speichellecker zu. So lassen sich keine richtigen Entscheide mehr treffen.
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