Der Missbrauch von Frauen in der Ukraine nehme stetig zu, warnte das International Rescue Committee kürzlich. Denn Millionen von Frauen sind nach wie vor auf der Flucht, was besonders ihre reproduktive Gesundheit gefährde und sie extrem anfällig für Menschenhandel sowie geschlechtsspezifische und sexuelle Gewalt mache.
Der Nachrichtensender Al-Jazeera interviewte deshalb den ukrainischen Vertreter des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA), Jaime Nadal, um mit ihm über die Situation der Frauen in der Ukraine zu sprechen. Das sind die wichtigsten Erkenntnisse:
Im Jahr 2022 hätten fast 180'000 Frauen in der Ukraine entbunden, so Nadal. Viele von ihnen unter Lebensgefahr, weil sie keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung hatten. Der Hauptgrund dafür sei, dass Krankenhäuser und zivile Infrastrukturen von der russischen Armee immer wieder unter Beschuss genommen werden. «Das ist eine Menschenrechtsverletzung und sollte niemals geschehen.»
Nadal führt aus, dass die Entbindung und die folgenden Tage im Wochenbett zu den gefährlichsten Momenten einer Schwangerschaft gehören – sowohl für die Frau als auch für das Neugeborene. «Jede Frau, die in dieser Zeit nicht in der Lage ist, einen Arzt aufzusuchen, kann lebensbedrohliche Komplikationen erleiden.»
Und auch wenn sie es in ein Spital schaffe, die Versorgungskette für Artikel, die für Kaiserschnitte und die Behandlung von Geburts- und Schwangerschaftskomplikationen benötigt werden, sei stark beeinträchtigt.
Durch die Invasion wurden Millionen von Menschen vertrieben – viele von ihnen sind Frauen und Kinder. Das Risiko von geschlechtsspezifischer und sexueller Gewalt, Menschenhandel und Ausbeutung steige dadurch extrem, so Nadal.
Die ersten Fälle von brutalster sexueller Gewalt seien nach der Befreiung von Butscha und Irpin bekannt geworden. Bemerkenswert sei dabei gewesen, dass niemand der Überlebenden die teilweise extremen Fälle von sexuellem Missbrauch den Strafverfolgungsbehörden gemeldet hätten. Hingegen hätten sehr viele Opfer sich auf sexuell übertragbare Infektionen oder eine Schwangerschaft testen lassen.
Dass keine Strafanzeigen eingereicht wurden, erklärt Nadal so: «Das Thema ist sehr stigmatisiert und gleichzeitig traumatisierend. Manchmal geben die Frauen nicht einmal zu, dass sie missbraucht worden sind.»
Doch auch wenn Frauen es schafften, aus besetzten Gebieten zu flüchten, sind sie nicht vor sexueller Gewalt gefeit. Nadal berichtet, wie Frauen zum Beispiel zu sexuellen Handlungen gezwungen würden, um Kontrollpunkte zu passieren.
Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) dokumentiert und erfasst Fälle von sexualisierter und sexueller Gewalt in der Ukraine. Doch: «Die Zahl der gemeldeten Fälle ist wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs.»
Mittlerweile gebe es mehrere von der Regierung betriebene mobile Kliniken, die von der UNO unterstützt würden, so Nadal. So sollen Menschen und insbesondere Frauen erreicht werden, die Mobilitätsprobleme hätten wegen Krankheiten, Alter oder Behinderungen.
Zudem entstünden von verschiedenen Organisationen Hilfsangebote, um Frauen und Senioren medizinisch, psychologisch und anderweitig auf ihrer Flucht oder in ihren Dörfern und Städten zu unterstützen.
(yam)
Einfach nur schrecklich für die Betroffenen.