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Ukraine geht in Kursk überraschend zur Gegenoffensive über

FILE - A destroyed Russian tank sits on a roadside near the town of Sudzha, Russia, in the Kursk region, on Aug. 16, 2024, in an image approved by the Ukrainian Defense Ministry before publication. (A ...
Zerstörter Russen-Panzer. Die unter Druck geratenen ukrainischen Streitkräfte haben im westrussischen Gebiet Kursk eine neue Offensive gestartet.Bild: keystone

Ukraine geht in Kursk überraschend zur Gegenoffensive über

05.01.2025, 12:1506.01.2025, 06:55
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«Gebiet Kursk, gute Nachrichten: Russland erhält das, was es verdient», schrieb der Leiter des ukrainischen Präsidentenbüros in Kiew, Andrij Jermak, auf Telegram – und bestätigte damit indirekt den Vorstoss. Zunächst hatten russische Militärblogs von den unerwarteten Angriffen der Ukrainer berichtet.

Im Gebiet Kursk seien die Russen überrascht worden, ukrainische Angriffe liefen in mehrere Richtungen, sagte auch Andrij Kowalenko, Leiter des Zentrums für die Bekämpfung von Desinformation beim Sicherheits- und Verteidigungsrat, der dem ukrainischen Präsidenten unterstellt ist. Das Militär in Kiew selbst machte zunächst keine Angaben, auch das russische Verteidigungsministerium schwieg zu der Offensive.

Kriegsparteien blicken auf Trump

Die Offensive rund zwei Wochen vor der Amtseinführung Donald Trumps am 20. Januar könnte Beobachtern zufolge dazu dienen, russische Schwächen aufzuzeigen, um aus einer besseren Position heraus bei den erwarteten Verhandlungen über eine Beendigung des Kriegs zu starten.

Zuletzt waren die Russen im Gebiet Kursk wie auch im Osten der Ukraine auf dem Vormarsch. Von den im Sommer in Kursk eroberten fast 1000 Quadratkilometern kontrolliert das ukrainische Militär zurzeit noch die Hälfte.

Gepanzerte Kolonnen auf dem Marsch

Auf Videos, die aus der Region stammen sollen, sind mehrere Kolonnen gepanzerter ukrainischer Fahrzeuge in hohem Marschtempo zu sehen. Minenräumfahrzeuge machen den Weg dabei frei.

Den russischen Militärbloggern zufolge nutzt Kiew auch starke Funkstörungsmechanismen, um die russischen Drohnen auszuschalten. Als Hauptstossrichtung gilt die Ausfallstrasse nach Kursk nordöstlich der Kleinstadt Sudscha, die die Ukrainer bei ihrer überraschenden Sommeroffensive einnehmen konnten.

Das russische Verteidigungsministerium verbreitete später die Mitteilung, russische Artillerie und Luftwaffe hätten eine ukrainische Kolonne auf dem Weg in Richtung der Ortschaft Berdin attackiert. Dabei seien zwei Panzer, ein Räumfahrzeug und sieben gepanzerte Truppenfahrzeuge zerstört worden. Die Kämpfe würden fortgesetzt. Unabhängig lassen sich die Angaben nicht überprüfen.

Russen haben zuletzt hohe Verluste bei eigener Offensive erlitten

Erst am Vorabend hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj aber auch von schweren Verlusten russischer Einheiten beim Versuch der Rückeroberung des Gebiets Kursk berichtet.

«Bei Kämpfen heute und gestern allein im Umkreis der Ortschaft Machnowka im Gebiet Kursk hat die russische Armee ein Infanteriebataillon nordkoreanischer Soldaten und russischer Fallschirmjäger verloren», sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft am Freitag. Unabhängig waren die Angaben nicht überprüfbar.

Ein Bataillon der russischen Streitkräfte hat offiziellen Angaben nach eine Truppenstärke von bis zu 500 Mann.

In den vergangenen Wochen sind immer wieder Videos aufgetaucht, die Sturmversuche russischer Einheiten – teilweise verstärkt durch nordkoreanische Soldaten – im Gebiet Kursk zeigen sollen. Zu sehen sind dabei vielfach vernichtete russische gepanzerte Fahrzeuge und getötete Soldaten.

Militärexperten erklären die überhastet wirkenden Angriffsversuche mit dem Ziel Moskaus, noch vor der Amtseinführung des designierten US-Präsidenten Donald Trump möglichst viel Boden gutzumachen, um in den erwarteten Verhandlungen eine gute Ausgangsposition zu haben.

Ukraine weiter in der Defensive

Die Lage auf dem Schlachtfeld bleibt dabei für die Ukraine schwierig. Russische Truppen greifen trotz der Verluste weiter an. So sollen sie in den letzten 24 Stunden bei Kurachowe, in der Nähe der strategisch wichtigen Stadt Pokrowsk, aber auch in der umkämpften Stadt Torezk Geländegewinne erzielt haben.

Russland hat Medienberichten aus Kiew zufolge im vergangenen Jahr fast 3600 Quadratkilometer ukrainischen Gebiets erobert. Die höchsten Gebietsverluste habe die Ukraine mit 610 Quadratkilometern im November erlitten, als die Russen täglich etwa 20 Quadratkilometer besetzten, berichtete der Militärblog «Militarnyi» unter Berufung auf Kartenmaterial von «Deepstate», einem weiteren Militärblog. Die Verluste des Jahres 2024 sind ein Vielfaches des Vorjahres.

Eine offizielle Bestätigung für die Zahlen gibt es nicht. Mitte Dezember hatte der ukrainische Telegramkanal UA War Infographics die Eroberungen der russischen Truppen seit Jahresbeginn auf gut 2800 Quadratkilometer taxiert. Allerdings hat die Ukraine auch im Dezember noch 510 Quadratkilometer verloren. Auffällig ist, dass die Gebietsverluste für Kiew nach der eigenen Sommeroffensive und den Eroberungen im westrussischen Gebiet Kursk deutlich zugenommen haben.

(sda/dpa)

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60 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Jobara64
05.01.2025 12:25registriert Dezember 2024
feste druff !!

Die Russen wollten den Krieg! Das darf nicht und nie vergessen gehen. Es darf nicht sein, dass nur die Ukraine die Konsequenzen des Krieges tragen muss.
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Martin Baumgartner
05.01.2025 12:19registriert Juni 2022
Wenn es so weiter geht, werden Putins Soldaten irgendwann die Nordkoreaner ausgehen!
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pontian
05.01.2025 12:37registriert Januar 2016
Russische Militärblogger haben seit Wochen vor einer solchen Offensive gewarnt. Angeblich sollen die Ukrainer 20‘000 Mann an Reserven für das bereit gehalten haben - rund doppelt soviel wie für die erste Kursk-Offensive von August. Nun gehen Befürchtungen um, es könnte bald noch an einem weiteren Ort zu einer zweiten Offensive kommen. Wie gesagt: Quelle für diese Infos sind russische(!) Militärblogger, die in der Regel gut vernetzt und informiert sind.
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