Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Die russische Armee versucht in der Ukraine mit allen Mitteln, so viel Territorium wie möglich zu erobern – bevor die amerikanische Militärhilfe die ukrainischen Verteidiger erreicht.
Erste Lieferungen sind zwar bereits eingetroffen, doch es könnte Wochen oder gar Monate dauern, bis die Waffenlieferungen in ausreichender Zahl bei den ukrainischen Truppen ankommen, wie der britische Independent schreibt.
Pavel Luzin vom US-Thinktank Jamestown Foundation, sagt gegenüber dem Independent:
Das bedeutet, dass die russische Armee ihre Kampfhandlungen massiv intensiviert. Was sie an Material und Soldaten haben, werfen sie an die Front.
Der Fokus der russischen Offensive liegt auf der ukrainischen Region Donezk, die Russland annektiert, aber noch nicht ganz unter Kontrolle hat. Im Februar eroberten die russischen Truppen Awdijiwka, kürzlich konnten sie auch Otscheretyne einnehmen.
Ein nächstes Ziel Russlands ist die Stadt Tschassiw Jar. Sie liegt in der Nähe von Bachmut, das Russland vor einem Jahr nach monatelangen Kämpfen unter grossen Verlusten erobern konnte. Tschassiw Jar ist strategisch wichtig, wie Michael Clarke, Gastprofessor für Kriegsstudien am King's College in London, gegenüber dem «Independent» sagt.
Von dort hätten die Russen Zugang in Richtung Norden – so könnten sie die Stadt Kramatorsk angreifen, oder weiter westlich in der Nähe von Dnipro, der viertgrössten Stadt der Ukraine.
Doch das ist nicht alles, wie Clarke ausführt:
Die Lage der ukrainischen Verteidiger in Tschassiw Jar ist derweil schwierig. Die russischen Angreifer verfügen über siebenmal mehr Artillerie. Die Ukrainer nutzten einen Kanal zu ihrem Vorteil, der westlich und südlich der Stadt verläuft. Doch laut «Independent» stellt die Konzentration russischer Truppen die ukrainische Armee vor Probleme. Ohne wirksame Stabilisierungs-Massnahmen werde Russland seinen zahlenmässigen Vorteil nutzen und den Kanal überwinden. Die Russen würden einen Brückenkopf auf der westlichen Seite errichten.
Der ukrainische Generalmajor Wadym Skibizkyj warnte in einem Interview mit dem Economist eindringlich. Es sei wohl nur eine Frage der Zeit, bis Tschassiw Jar falle.
Gemäss «Independent» vermutet die Ukraine, dass Putin die Stadt bis am 9. Mai erobern will. Dann wird der Sieg über Nazi-Deutschland gefeiert. Sollte die Zeit nicht reichen, wäre Putins Besuch in China in der kommenden Woche ein nächstes Datum.
Der ukrainische Abgeordnete Wadym Iwtschenko, Vertreter des Ausschusses für nationale Sicherheit, zeigt sich unbeeindruckt, wie der Economist schreibt.
Die russische Armee könne nur kleine Dörfer und Landstriche einnehmen.
Wenn sie weiterhin die russische Logistik angreift und ihre Artillerie-Vorräte aufstockt, könne die ukrainische Armee die Front wieder besser halten und Gebiete befreien, so Iwtschenko.
So gesehen können die Russen wirklich keine Städte mehr einnehmen. Nur noch Schutt und verbrannte Erde, die sie selber angerichtet haben, wenn sie es überhaupt schaffen.
Zwei Jahre später ist allerdings immer noch so, das sich die Russen mit ihrer haushohen Überlegenheit an Artillerie täglich bis auf die Knochen mit erheblichen Schwächen blamieren und die Ukrainer bewiesen haben, dass sie taktisch wesentlich besser als die Russen aufgestellt sind und sich noch weiter verbessern werden.
Um Tschassiw Jar einnehmen zu können, müssen die RU die Stadt zumindest teilweise einkesseln, damit sie von mehreren Seiten gleichzeitig angreifen können. Davon sind sie noch weit entfernt. Danach müssen sie um jedes Haus, jeden Strassenzug einzeln kämpfen und besetzen. Das wird Wochen oder Monate dauern, so wie es bisher immer abgelaufen ist und nicht ein paar Tage. Dazu fehlen den RU die Mittel an der Front. Einen grossen Teil ihrer Armee halten sie ja zurück, mit Blick auf den möglichen grossen Krieg.