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UN-Gericht: Versäumnisse beim Klimaschutz völkerrechtswidrig

UN-Gericht: Versäumnisse beim Klimaschutz völkerrechtswidrig

23.07.2025, 18:1023.07.2025, 19:15
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Wenn Staaten Klimaschutzpflichten aus internationalen Abkommen verletzen, könnten sie einem Gutachten des höchsten UN-Gerichts zufolge unter Umständen rechtlich dafür belangt werden. «Das Versäumnis eines Staates, geeignete Massnahmen zum Schutz des Klimasystems zu ergreifen, kann eine völkerrechtswidrige Handlung darstellen», erklärte der Präsident des Internationalen Gerichtshofs (IGH), der Japaner Yuji Iwasawa, am Mittwoch bei der Verlesung des von der UN-Vollversammlung in Auftrag gegeben Gutachtens in Den Haag.

Wenn Länder keine oder nur unzureichende Massnahmen zum Schutz des Planeten vor dem Klimawandel ergreifen, verletzen sie damit nach Ansicht der 15 IGH-Richter das Internationale Recht. Das mehr als 130 Seiten umfassende Gutachten ist zwar nicht rechtsverbindlich, kann aber nach Einschätzung von Völkerrechtsexperten Einfluss auf Klima-Prozesse weltweit haben. Es gilt als historisch.

Presiding judge Yuji Iwasawa, second from right, speaks at a hearing to deliver an advisory opinion on what legal obligations nations have to address climate change and what consequences they may face ...
Gerichtspräsident Yuji Iwasawa (2. v. r.)Bild: keystone

Kleine Inselstaaten mit grossen Sorgen

In dem Verfahren hatten kleine Inselstaaten und andere Entwicklungsländer das höchste UN-Gericht aufgefordert, Klimaschutz als völkerrechtliche Pflicht festzuschreiben. Für diese Staaten gehe es um das Überleben, machten Vertreter der Organisation für afrikanische, karibische und pazifische Staaten in dem bisher umfangreichsten Verfahren vor dem IGH geltend.

Verfahren um Wiedergutmachungen können kompliziert sein

Zu Forderungen nach Wiedergutmachungsleistungen von Staaten, die grosse Mengen an Treibhausgasen ausstossen, ohne genug zur Bekämpfung des Klimawandels tun, erklärte der IGH, dass darüber nur von Fall zu Fall entschieden werden könne. Solche Wiedergutmachungen könnten etwa darin bestehen, dass entstandene Schäden an der Infrastruktur eines betroffenen Landes behoben werden, sofern dies noch möglich ist. Das Gericht machte aber auch klar, dass entsprechende Verfahren sehr kompliziert sein könnten.

Auftrag der UN-Vollversammlung

Die UN-Vollversammlung hatte das Gericht 2023 beauftragt, in einem Gutachten eventuelle juristische Konsequenzen für Staaten zu erstellen, «die durch ihre Handlungen und Unterlassungen erhebliche Schäden am Klimasystem und anderen Teilen der Umwelt verursacht haben». Vor allem sollte dies in Bezug auf Inselentwicklungsstaaten untersucht werden, die vom Ansteigen des Meeresspiegels infolge der Erderwärmung in ihrer Existenz gefährdet sind.

Grosse Wirtschaftsstaaten wie China und die USA, die für den überwiegenden Teil der CO2-Emissionen verantwortlich sind, lehnen rechtliche Verpflichtungen ab, die über bestehende Abkommen hinausgehen. Sie verweisen etwa auf die Bestimmungen der UN-Klimaschutzkonventionen und des Pariser Klimaabkommens. Auch Deutschland erklärte, dass die dort festgeschriebenen Verpflichtungen ausreichten.

Greenpeace Schweiz sieht sich bestätigt

Der Schweizer Ableger der Umweltschutzorganisation Greenpeace sieht sich durch das Gutachten bestätigt. Letzteres bekräftige, «dass die Verantwortung der Staaten im Bereich der Menschenrechte darin besteht, die Grenze von 1,5 Grad einzuhalten», teilte Greenpeace am Abend mit.

Das bedeute, sie müssten «viel mehr für ihre Klimaschutzpolitik tun als bisher». Bei der Anhörung vor dem IGH habe die Schweiz dagegen plädiert, dass Staaten für die Aufrechterhaltung eines lebenswerten Klimas verantwortlich sind - trotz Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Fall der Klimaseniorinnen.

Initiative des Inselstaates Vanuatu

Die Initiative zu dem Klimaverfahren vor dem IGH hatte Vanuatu ergriffen. Der Inselstaat im Südpazifik ist vom Untergang bedroht, weil der Meeresspiegel infolge der Erderwärmung steigt. Besonders stark ist das im Südpazifik zu beobachten.

Eines der ersten kleinen Länder, die dadurch unbewohnbar werden könnten, ist Tuvalu. Australien hat deshalb bereits angeboten, die Bevölkerung des Südseearchipels aufzunehmen.

Fast die Hälfte der knapp 11.000 Bewohner des zwischen 3.500 und 4.000 Kilometern nordöstlich von Australien liegenden Kleinstaates hat sich Medienberichten zufolge bereits um die in Aussicht gestellten Visa beworben.

Nach Angaben des Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel ist der Meeresspiegel infolge der Klimaerwärmung seit Beginn der Industrialisierung bereits um 20 Zentimeter angestiegen. (hkl/sda/dpa)

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67 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Andi7
23.07.2025 18:16registriert November 2019
Auch wenn Versäumnisse beim Klimaschutz völkerrechtswidrig sind – grosse Staaten wie z.B. Russland, China oder die USA ignorieren internationale Vereinbarungen nach Belieben.
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tops
23.07.2025 23:00registriert Juni 2018
Viel lustiger finde ich, dass es eine Mehrheit der Blitzer völlig ok findet, dass einige weniger profitieren wie Energiekonzerne, Flugpassagiere, Chemiefirmen, uvm während für deren Schäden dann die Allgemeinheit aufkommen soll oder es zu Lasten unserer Gesundheit oder Alterung geht und das scheinbar völlig ok ist. Verstehe ich nicht.
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«Man sieht allmählich ein, wie töricht es war, so viele Wähler zur AfD zu vertreiben»
Nur wenige kennen die politische Landschaft Ostdeutschlands so gut wie Werner Patzelt. Dass die AfD in den nächsten Jahren absolute Mehrheiten in Ländern wie Sachsen erringt, hält der Politologe für wahrscheinlich. Darauf müsse sich die CDU vorbereiten.
Herr Patzelt, im Januar 2019, als wir uns zuletzt trafen, kritisierten Sie die deutschen Christdemokraten, die Wähler «bis hin zum rechten Narrensaum» nicht mehr an sich binden wollten und so die AfD stark gemacht hätten. Damals war Angela Merkel Kanzlerin. Ist die CDU unter Friedrich Merz wieder auf dem richtigen Weg?
Werner Patzelt: Zumindest sieht man in der CDU und in der Öffentlichkeit allmählich ein, wie töricht es war, so viele Wähler zur AfD zu vertreiben, weil man Politik mit kenntlich üblen Nebenwirkungen einfach nicht korrigieren wollte. Jetzt bezahlt die Strafgebühr nicht bloss die Union, nämlich durch ihre Abhängigkeit von SPD und Grünen, sondern auch unser Land, das von einander gern blockierenden Koalitionären regiert wird. Doch solange die Union keine begehbaren Brücken hin zur Partei ihrer verlorenen Wählerschaft bauen will, muss sie eben weiterhin mit Grünen, Sozialdemokraten und Linken zusammenarbeiten. Dadurch riskiert sie aber weitere Machtverluste zugunsten der AfD. Braucht es wohl einen ersten Landtag mit absoluter AfD-Mehrheit, bevor die Unionsführung das begreift?
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