Hollywood macht momentan die fünf Stationen der Trauer durch: Leugnen, Zorn, Verhandeln, Depression, Akzeptanz. «Warum? Sagt mir warum?», schrieb Schauspielerin Christina Applegate («Eine schrecklich nette Familie», «Dead To Me») vertretend für viele Showbusiness-Kollegen und -Kolleginnen auf der Plattform X.
Please unfollow me if you voted against female rights. Against disability rights. Yeah that. Unfollow me because what you did is unreal. Don’t want followers like this. So yeah. Done. Also after today I will be shutting down this fan account that I have had for so many years…
— christina applegate (@1capplegate) November 6, 2024
Wer gegen Frauenrechte und gegen die Rechte von Menschen mit Beeinträchtigungen gestimmt habe, brauche ihr nicht mehr zu folgen. Dann drohte sie, ihr Konto zu schliessen. Einen Tag darauf entschuldigte sie sich und lenkte ein:
Während sich die meisten Stars noch von ihrem Schock erholen, hofft man in den Teppichetagen Hollywoods jetzt auf grünes Licht für Deregulierung und Mega-Mergers in der Streaming-Landschaft, was Biden erschwerte. Warner Bros. Discovery CEO David Zaslav vermutete jedenfalls, dass die Trump-Administration «eine positive und beschleunigende Chance zur Konsolidierung» sein könnte. Eine, die nötig ist, um die Firmen zu stärken.
Die Aussicht auf eine Fusion und der damit verbundene Stellenabbau liessen die Warner-Aktie nach oben schnellen. Die Rechnung wird dabei allerdings ohne die Rachegelüste des neu gewählten Präsidenten gemacht: Denn zu Warner Bros. Discovery gehört auch der Trump-kritische Nachrichtensender CNN. Vielleicht hat Donald Trump keine Lust, dessen Mutterhaus zu bereichern.
Ansonsten ist die Wahl von Donald Trump für die Unterhaltungsindustrie eine deftige Ohrfeige. Kamala Harris hatte die grossen Stars wie Beyoncé und Bruce Springsteen auf ihrer Seite. Als sich Taylor Swift für die Vizepräsidentin aussprach, registrierten sich am nächsten Tag angeblich 400'000 Fans als neue Wählerinnen und Wähler. Aber offenbar wählen nicht alle Musikkonsumentinnen und Musikkonsumenten so wie ihre Vorbilder. Viele wollen gar nichts von ihnen hören, wenn es um Politik geht.
Das ist sich George Clooney, der in Kentucky und Ohio aufwuchs, schon längst bewusst: «Mein Vater kandidierte für den Kongress in Kentucky und ich konnte die Werbetrommel nicht für ihn rühren. Man attackierte ihn sofort als Vertreter Hollywoods gegen das Heartland», erzählte er bereits vor zwanzig Jahren.
Im Sommer 2024 war George Clooney bekanntlich der erste prominente Demokrat, der Joe Biden öffentlich aufrief, nicht mehr zur Wiederwahl anzutreten, und damit den Stein zur Harris-Kandidatur ins Rollen brachte. Mit Kamala Harris schöpfte Hollywood wieder Hoffnung. Julia Roberts und Harrison Ford drehten Werbespots für sie.
Aber wie sich zeigte, war Trumps Geplauder mit Männer-Sphäre-Podcastern wie Joe Rogan und Werbung bei NASCAR-Autorennen wirksamer. Der raue Ton, der dort herrscht, ist nun bereits im TV-Mainstream angekommen: Trump führe jetzt 2:0 gegen Frauen, so Komiker Bill Burr in der Comedy-Show «Saturday Night Live» über die Niederlagen von Hillary Clinton und Kamala Harris. Sein Tipp:
Überraschend viele junge Männer scheinen Mühe mit Identity-Politics, der von Hollywood-Demokraten propagierten Frauen- und Minderheitenrechte zu haben – auch wenn sie selber einer Minderheit angehören. Man bangt nun um die Inklusion-Initiativen, die die Unterhaltungsindustrie diverser machen sollten.
Die schwarze Transgender-Schauspielerin Laverne Cox («Orange is the New Black») teilte in einem Podcast ihre Ängste: «Es ist zutiefst besorgniserregend, dass während der Kampagne 100 Millionen Dollar für Anti-Trans-Werbung ausgegeben wurden. Weil ich bekannt bin, bin ich eine Zielscheibe. Einige meiner Freundinnen und ich betreiben zurzeit Recherchen, in welche europäischen oder karibischen Städte wir auswandern könnten.»
Auch Cher und Barbra Streisand haben im letzten Jahr verkündet, sie würden die USA verlassen, sollte Trump wiedergewählt werden. Ob sie ihre Villen in Malibu wirklich verlassen, wagt man zu bezweifeln. Sharon Stone meinte, es sei Zeit, sich nach einem Haus in Italien umzusehen, und America Ferrara («Barbie») plant den Umzug mit ihrer Familie nach Grossbritannien.
Erfahrungsgemäss bleiben die meisten aber dann doch im Land und versprechen, weiter für ihre Ideale zu kämpfen. Die Late-Show-Komiker Stephen Colbert, Seth Meyers und Jimmy Kimmel haben nach dem anfänglichen Skizzieren von Endzeit-Szenarien jedenfalls schnell zurück zu anderen Themen und ihrer Kernaufgabe, mit Humor zu unterhalten, zurückgefunden.
Aber ein gewisses Unbehagen bleibt, da Trump drohte, gar «das Militär auf linke Verrückte» zu hetzen. Jimmy Kimmel bat in seinem Monolog am Mittwoch, Trump möge ihn mit Taylor Swift eine Zelle teilen lassen, falls er seine Kritiker wie angedroht ins Gefängnis werfe. «Wir würden uns sicher gut verstehen, da ich auch gut Armbänder basteln kann.» Das Studio-Publikum lachte. Dann sagte er nur halb im Scherz:
(aargauerzeitung.ch)