Am 22. November 1963 fielen Schüsse, welche die Welt veränderten: John F. Kennedy wurde bei einer Fahrt durch Dallas ermordet. Auch über 60 Jahre nach dem Attentat kursieren diverse Verschwörungstheorien.
Donald Trump meinte am Montag, dass die Menschen schon seit Jahrzehnten darauf warteten, die Akten zur Ermordung Kennedys vollständig einzusehen. Kurz nach seinem Amtsantritt unterzeichnete er nämlich einen Erlass, der die Freigabe von Tausenden von Akten im Zusammenhang mit den Ermordungen von Präsident John F. Kennedy (1963), Friedensnobelpreisträger Martin Luther King (1968) und Präsidentschaftskandidat Robert F. Kennedy (1968) beschloss.
Die rund 2000 neu veröffentlichten Dokumente in Verbindung mit der Untersuchung der Ermordung von Präsident John F. Kennedy wurden nun am Dienstagabend auf die Website des Nationalarchivs gestellt.
Wie von vielen Experten und Expertinnen erwartet, beantwortet die jüngste Freigabe durch die Trump-Administration nicht alle noch offenen Fragen zur Ermordung von Kennedy. Aber die neuste Veröffentlichung enthält Dokumente, die nun grösstenteils oder vollständig unredigiert sind – anstelle von geschwärzten Wörtern oder Leerraum, so die BBC.
Hier sind die wichtigsten vier Erkenntnisse.
Zuerst vorweg: Bis jetzt gibt es keine Anzeichen dafür, dass die neuen Akten weltbewegende Neuigkeiten für die Öffentlichkeit enthalten werden. Das meint zumindest der Mann, der bereits viele der Unterlagen gesehen hat – Tom Samoluk –, gegenüber der BBC. Er war stellvertretender Direktor des Assassination Records Review Board, das in den 1990er-Jahren gegründet wurde, um Unterlagen im Zusammenhang mit dem Attentat zu untersuchen. Er und ein Team überprüften zwischen 1994 und 1998 Unmengen von Dokumenten der Kennedy-Akte. Und nichts in den untersuchten Dokumenten (welche jetzt neu für die breite Öffentlichkeit zugänglich sind) widerlegt die Schlussfolgerung, dass der Kennedy-Attentäter der Mann namens Lee Harvey Oswald war.
Oswald schoss aus dem fünften Stock eines Schulbuch-Lagers mit einem Gewehr dreimal auf Kennedy, als dessen Korso vorbeifuhr. Die Polizei verhaftete den 24-jährigen Lee Harvey Oswald, einen ehemaligen Marinesoldaten. Zwei Tage später erschoss Jack Ruby, ein Nachtclubbesitzer, Oswald während einer live im Fernsehen übertragenen Verlegung aus dem Gefängnis.
Jedoch werfen die Dokumente neues Licht auf die intensive Überwachung Oswalds durch die Central Intelligence Agency (CIA) vor dem Attentat. Deren Ausmass wurde erst in den letzten Jahren deutlich. Jefferson Morley, ein ehemaliger Reporter der «Washington Post» und Herausgeber des Blogs JFK Facts, bestätigt:
Auch Philip Shenon, der 2013 ein Buch über das Attentat geschrieben hatte, sagte der Associated Press, dass zuvor veröffentlichte Dokumente eine Reise Oswalds nach Mexiko-Stadt im September 1963, Monate vor dem Attentat, beschrieben. Die CIA habe ihn zu dieser Zeit überwacht, sagte er laut der AP. «Es gibt Grund zu der Annahme, dass er in Mexiko-Stadt offen über die Ermordung Kennedys sprach und dass man ihn dabei belauscht hat.»
In einem bereits im April 1975 veröffentlichten Memo spielte die CIA ihr Wissen über Oswalds Reise nach Mexiko-Stadt herunter, berichtet die AP. Die CIA habe drei Telefongespräche zwischen Oswald und einem Wachmann in der sowjetischen Botschaft aufgezeichnet, aber Oswald habe sich nur in einem identifiziert.
Eine Reihe der Dokumente gibt Aufschluss über Kennedys Beziehungen zur CIA vor seinem Tod. Dabei sind die Methoden des Geheimdienstes, die einen Einblick in die Abläufe des Kalten Krieges geben, interessant.
Ein unredigiertes Memo enthüllt eine vollständigere Version einer Notiz, die von Kennedys Berater Arthur Schlesinger verfasst wurde. Ein Vermerk, der die CIA und ihre Rolle bei der Gestaltung der Aussenpolitik kritisiert, zeigt die enorme Präsenz des Geheimdienstes in US-Botschaften, sogar in verbündeten Ländern wie Frankreich. Darin warnt Schlesinger Kennedy vor dem Einfluss des Geheimdienstes auf die amerikanische Aussenpolitik.
Der Vermerk steht zwar nicht in direktem Zusammenhang mit dem Attentat, beschreibt aber das schwierige Verhältnis zwischen dem Präsidenten und den Geheimdiensten. Die CIA wehre sich traditionell gegen die Freigabe von operativen oder budgetären Informationen, sagte David Barrett, Professor an der Villanova University und Experte für die CIA und die Macht des Präsidenten.
In einem anderen Dokument wird der Einsatz von Fluoroskopie beschrieben, bei der Röntgenstrahlen verwendet werden, um Bilder vom Inneren eines Objekts zu erstellen. Diese Technik wurde entwickelt, um versteckte Mikrofone aufzuspüren, die möglicherweise zum Abhören von CIA-Büros verwendet wurden. In einer anderen Akte beschreibt die CIA ein System zur heimlichen Kennzeichnung und Identifizierung öffentlicher Telefonzellen, die angezapft werden, wobei eine Farbe verwendet wird, die nur unter ultraviolettem Licht sichtbar ist.
Einige Online-Accounts behaupteten, die jüngsten Dokumente enthüllten neue Details über die seit langem behaupteten Verschwörungen gegen Kennedy – obwohl einige der angeblichen Enthüllungen schon seit Jahren öffentlich bekannt sind. Dazu gehören mehrere virale Beiträge über Gary Underhill, einen Agenten des militärischen Geheimdienstes aus dem Zweiten Weltkrieg.
Underhill behauptete angeblich, dass CIA-Agenten hinter dem Attentat steckten, eine Theorie, die 1967 in der linken Zeitschrift Ramparts veröffentlicht wurde. Der Tod von Gary Underhill im Jahr 1964 wurde als Suizid eingestuft, aber auch das wurde von der Zeitschrift in Zweifel gezogen.
Fotos eines siebenseitigen Memos über Herrn Underhill gingen am Dienstag viral – der Grossteil davon ist jedoch nicht neu. Seine Geschichte wird schon lange im Internet diskutiert, und das CIA-Memo, in dem er erwähnt wird, wurde erstmals 2017 veröffentlicht.
Gibt es jetzt neue Erkenntnisse mit der Veröffentlichung? Nicht wirklich. Lediglich ein paar Sätze auf einer Seite des Vermerks wurden in der jüngsten Veröffentlichung nicht mehr redigiert. Entscheidend ist, dass die Theorie auf einem Bericht aus zweiter Hand beruht, der nach dem Tod von Underhill veröffentlicht wurde und keine stichhaltigen Beweise enthält. Die Geschichte war jedoch nur eine von mehreren unbewiesenen Theorien, die nach der Veröffentlichung der Akten kursierten.
Ein Gesetz aus dem Jahr 1992 sah vor, dass alle Dokumente im Zusammenhang mit dem Attentat innerhalb von 25 Jahren freigegeben werden mussten – dieses Gesetz enthielt jedoch auch Ausnahmen für die nationale Sicherheit. Das Streben nach mehr Transparenz hat im Laufe der Zeit zu weiteren Freigaben geführt – sowohl Präsident Trump in seiner ersten Amtszeit als auch Präsident Biden im Jahr 2023 gaben ganze Stapel von Dokumenten frei.
Im Vorfeld der neuen Veröffentlichung sagte Präsident Trump, er habe seine Mitarbeiter gebeten, «nichts zu schwärzen».
Das scheint nicht ganz der Fall zu sein – die neuen Dokumente enthalten immer noch einige Schwärzungen. Die Experten und Expertinnen waren sich jedoch weitgehend einig, dass die jüngste Veröffentlichung ein Schritt in Richtung Transparenz ist.
Auch wenn es noch weitere Veröffentlichungen geben könnte – wie auch die versprochenen Veröffentlichungen zu den Ermordungen von Robert F. Kennedy Sr. und Martin Luther King Jr. –, werden die Fragen rund um das JFK-Attentat mit Sicherheit weitergehen.
Das würde sich durch diese oder andere neue Dokumente auch nicht ändern.
Es ist unmöglich eine Verschwörungstheorie mit Fakten zu widerlegen, weil deren Anhänger nur das glauben, was sie halt glauben.
Das ist eine Art Religion, und Religionen haben nach wie vor einen immensen Einfluss auf die menschlichen Aktivitäten, auch wenn ihre Aussagen lächerlich primitiv und rückständig sind. Viele wollen es so, und auf gar keinen Fall anders.