Jetzt ist es fix: Der neu gewählte US-Präsident Donald Trump hat Robert F. Kennedy Jr. als Gesundheitsminister-Kandidaten auserwählt. Es ist die neuste in einer Reihe umstrittener Nominationen für Kabinettsposten durch den Republikaner. Wird Kennedy vom Senat bestätigt, will er das «korrupte Ministerium» umbauen. Bereits in der Wahlnacht sagte Trump, Kennedy dürfe sich im Gesundheitswesen «austoben».
Das bereitet vielen Experten Kopfzerbrechen. Der Neffe des ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy Jr. sorgte in der Vergangenheit vor allem mit kontroversen Aussagen und Aktionen für Aufsehen. Der Impfskeptiker sagte unter anderem, Impfungen würden bei Kindern zu Autismus führen, W-Lan sei krebserregend – und gewisse Chemikalien im Wasser hätten Einfluss auf die Sexualität von Kindern.
Und dennoch: Vor allem bei jungen Menschen kommen einige seiner Ideen sehr gut an. Bevor der 70-Jährige dem republikanischen Kandidaten seine Unterstützung anbot, war Kennedy einer der beliebtesten unabhängigen Präsidentschaftskandidaten der letzten Jahrzehnte. Zwischenzeitlich gelang es ihm, bis zu 15 Prozent der Wählerschaft zu überzeugen. In Gesprächen während des Wahlkampfes wurde seine Beliebtheit unter Jungwählern immer wieder deutlich. Trumps Zusammenarbeit mit Kennedy war für viele mit ein Grund, wieso sie am 5. November für den Republikaner stimmten.
Die Begeisterung für den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten kommt neben seinem erfolgreichen Social-Media-Auftritt auch daher, dass die Ausgangslage für seine Arbeit nicht besonders rosig ist. «Wir wissen, dass unser Essen mit vielen Pestiziden und Zusatzstoffen vergiftet ist», sagte ein Junger Mann aus Texas zu CH Media. Tatsächlich ist die Lebenserwartung in den USA fünf bis sechs Jahre tiefer als in Europa. Drei Viertel der Bevölkerung ist ausserdem übergewichtig oder fettleibig. «Bobby», wie ihn Trump-Fans nennen, soll die Amerikanerinnen und Amerikaner nun wieder gesund machen. Dass er über keinerlei wissenschaftliche oder medizinische Qualifikationen verfügt – vor seiner politischen Karriere war er Anwalt für Umweltrecht – stört vor allem bei den Republikanern kaum jemanden.
«RFK» machte in den letzten Jahren zudem mit einer Reihe von bizarren Geschichten Schlagzeilen. Diese reichen von Anschuldigungen einer ehemaligen Nanny, Kennedy habe sie belästigt, über Scheidungsakten, in denen er sich über Gedächtnisschwund wegen eines Hirn-Parasiten beklagt bis hin zu einem Bären-Kadaver, den er vor zehn Jahren im New Yorker Central Park entsorgt hatte.
Nun will er sich aber voll und ganz auf das Gesundheitswesen konzentrieren. «Wir haben die Chance, die besten Köpfe aus Wissenschaft, Medizin, Industrie und Regierung zusammenzubringen, um der Epidemie der chronischen Krankheiten ein Ende zu setzen», schreibt er als Antwort auf Trumps Nomination auf «X». Hier sind seine wichtigsten Pläne – und so realistisch ist deren Umsetzung:
Kennedy versprach mehrmals, den «Filz» zwischen der Pharmaindustrie und den Gesundheitsbehörden aufzuräumen. Dass es eine ungute Industrienähe der obersten amerikanischen Zulassungsbehörde FDA gibt, sehen auch manche seiner politischen Gegner am linken Rand so.
Tatsächlich bezahlen Amerikaner laut mehreren aktuellen Studien der wichtigen Gesundheitsanalysten nämlich etwa drei mal so viel für Medikamente, wie der Durchschnitt aller anderer Länder. Es ist auch ein Fakt, dass die Direktoren der FDA nach ihrer Zeit als Chefs der Behörde jeweils die Seiten wechseln und gut bezahlte Posten bei der Pharmaindustrie annehmen. Von den letzten 10 FDA-Chefs sind 9 nach ihrer Amtszeit bei der Pharmaindustrie gelandet.
Beobachter bemängeln zudem, dass die Behörde ein Finanzierungsproblem hat. Drei Viertel ihres Budgets, um die Zulassung neuer Medikamente zu prüfen, stammen direkt von der Pharmaindustrie.
Robert F. Kennedy Jr. hat bezüglich Impfungen schon viele widersprüchliche Dinge gesagt – besonders vor und während der Covid-Pandemie. Unter anderem, dass «die Covid-Impfung die tödlichste Impfung ist, die je hergestellt wurde».Seine aktuellsten Äusserungen deuten aber darauf hin, dass er einen gemässigteren Kurs fahren will.
Nach Trumps Wahl sagte Kennedy zu MSNBC: «Ich werde niemandem die Impfung wegnehmen. Ich will nur, dass die Leute gut informiert sind.» Fragen zur Covid-Impfung, die Kennedy in der Vergangenheit kritisiert hat, weicht er heute aus. Weil Kennedy beim Thema der Impfungen schon so viele sich widersprechende Aussagen gemacht hat, lässt sich nicht sagen, was er diesbezüglich als Gesundheitsminister tun würde.
Kennedys konkretestes Versprechen: Am ersten Tag im Amt will er den amerikanischen Behörden zuraten, kein Fluorid mehr ins Trinkwasser zu lassen, denn dieses sei ein Industrie-Abfallprodukt, das krank mache und zu IQ-Verlust führe.
Befürworter der Praktik, darunter die grossen amerikanischen Medizinerverbände, argumentieren, dass mit der Fluoridierung Karries vermieden und die Zahngesundheit verbessert wird. Die meisten Wissenschafter sind sich gleichzeitig aber einig, dass das nur bis zu einem Höchstgrenzwert gilt, und Fluorid in grenzwertüberschreitender Konzentration gesundheitsschädlich ist.
Die Schweiz hat in den 60er-Jahren aufgehört, das Trinkwasser zu fluoridieren, und eine andere Methode erfunden: Salz und Zahnpasten werden mit der Substanz vermengt. Dieses Vorgehen wurde von dutzenden anderen Nationen weltweit mittlerweile adaptiert, weil es zielgerichteter wirkt.
«Ich werde Marihuana legalisieren, versteuern, und das so generierte Geld für Rehabilitierungsprogramme nutzen», sagte Kennedy bei einem Wahlkampfauftritt. Weiter will er – besonders als Kur für Armeeveteranen – psychedelische, also bewusstseinsverändernde Drogen wie Psilocybin aus «Magic Mushrooms» erlauben, weil diese helfen würden, eine Reihe von psychischen Störungen zu heilen.
Kennedy kritisiert die amerikanische Lebensmittelindustrie und die zuständigen Behörden scharf. Früchteriegel bestünden in den USA nur aus Chemikalien, in anderen Ländern seien sie viel gesünder. Als Beispiel nannte er den künstlichen Lebensmittelfarbstoff «Rot 3», der in Europa verboten ist, und den er zusammen mit anderen verbieten wolle. Auch eine parteiübergreifende Gruppe von Senatoren unterstützt dies.
Weiter hat Kennedy dem Lobbyismus der Hersteller den Kampf angesagt. Er will zum Beispiel Einfluss der Industrie auf Kampagnen von Gesundheitsorganisationen, zum Beispiel gegen künstlichen Zuckerzusatz, verhindern.
Am liebsten würde er «ganze Abteilungen» entlassen, sagte Kennedy kürzlich gegenüber MSNBC. Seine Pläne würden aber nicht nur in den Behörden, sondern auch in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie ein Beben auslösen. Ob er sie tatsächlich umsetzen kann, ist im Moment nicht sicher. Wie auch gegen andere Kabinett-Nominationen von Trump, gibt es auch gegen Kennedy Widerstand von Republikanern im Senat. Das Gremium muss den ehemaligen Demokraten in seinem neuen Amt bestätigen.