Josh Hawley ist in einer Kleinstadt im Bundesstaat Missouri aufgewachsen. Deshalb stellt er sich gerne als Kämpfer des kleinen Mannes gegen die Eliten der Metropolen dar. Das ist eine Mogelpackung: Hawley stammt aus einer wohlhabenden Familie, hat die besten Privatschulen des Landes absolviert und dann in Stanford und Yale Jurisprudenz studiert.
Danach arbeitete Hawley im Büro von Chief Justice John G. Roberts, dem höchsten Bundesrichter. Kurz: Hawley hat eine Top-Ausbildung und beste Verbindungen zu den wichtigsten Kreisen in den Vereinigten Staaten.
Josh Hawley ist ehrgeizig, sehr ehrgeizig sogar. Das muss nichts Schlechtes sein, der Griff nach den Sternen macht bekanntlich keine dreckigen Finger. Doch Hawleys Ehrgeiz ist von der üblen Sorte. Er geht über Leichen und bricht schamlos seine Versprechen. Als er beispielsweise für das Amt des Staatsanwaltes in Missouri kandidierte, gelobte er hoch und heilig, für längere Zeit diesen Job ausfüllen zu wollen. Kurz darauf liess er sich in den US-Senat wählen.
Mit 41 Jahren ist Hawley der jüngste Senator. Traditionsgemäss halten sich junge Senatoren anfänglich zurück und lernen von den Erfahrenen. Von Tradition hält Hawley nichts. Er ist auch kein Konservativer im klassischen Sinn. Er ist ein Populist, sein grosses Vorbild ist Theodor Roosevelt, über den er in jungen Jahren eine Biographie verfasst hat.
Roosevelt hat vor rund hundert Jahren das Erdöl-Monopol von John Rockefeller zerschlagen. Hawley arbeitet sich an den Tech-Giganten vom Silicon Valley ab. Fast täglich beschuldigt er auf Fox News Google, Facebook & Co., die öffentliche Meinung zu manipulieren und missliebige Stimmen – sprich: konservative – zu unterdrücken.
Hawley hat auch keine Berührungsängste. Im Streit darum, wie hoch die Corona-Hilfssumme ausfallen soll, sprach er sich für die 2000 Dollar aus. Er verbündete sich dabei mit Bernie Sanders und erteilte dem Establishment der eigenen Partei eine schallende Ohrfeige.
Hawley mag Donald Trump, und es ist ein offenes Geheimnis, dass er sein Nachfolger werden möchte. Dafür opfert er auch seine juristische Ausbildung. Hawley weiss bestens, dass das Störmanöver im Kongress gegen angebliche Wahlmanipulationen nicht nur politisch brandgefährlich, sondern wahrscheinlich gar strafrechtlich an Landesverrat grenzt. Trotzdem packte Hawley die Gelegenheit beim Schopf.
Als es darum ging, einen Senator zu finden, der gegen das Resultat der Elektoren einzelner Bundesstaaten Opposition anmeldet, war Hawley zur Stelle. Dass selbst Mitch McConnell, (Noch)-Mehrheitsführer der GOP im Senat, ihn davor warnte, liess ihn kalt.
Der gestrige Sturm auf das Kapitol lässt sich daher am besten als ein Zusammenspiel von Trump und seinem Möchtegern-Nachfolger Hawley begreifen. Der Präsident hat seine Basis systematisch angeheizt. «Grosser Protest in D.C. am 6. Januar», tweetete Trump schon am 6. Dezember. «Kommt alle, es wird wild werden.» Immer wieder wiederholte Trump in den darauffolgenden Tagen diese Botschaft. «Ich werde euch am 6. Januar in Washington sehen. Verpasst es nicht», lautete etwa ein Tweet vom 27. Dezember.
Hawley bereitete derweil das Terrain im Kongress vor. Mit seiner Ankündigung, die Elektorenstimmen des Bundesstaates Pennsylvania anzufechten, brachte er seine republikanischen Kollegen in Zugzwang. Ted Cruz, der ebenfalls gerne Präsident werden möchte, sprang sofort auf den rollenden Zug; rund ein Dutzend republikanische Senatoren folgten kurz darauf. Damit war alles für das groteske Spektakel von gestern vorbereitet.
Und die Saat ist aufgegangen. Nachdem Trump ein letztes Mal vor dem Kapitol seine Anhänger aufgewiegelt hatte, brachen alle Dämme. Tausende stürmten das Kapitol und erzwangen so den vorübergehenden Abbruch des Wahlprozedere.
Es war eine üble Truppe, die durch die Hallen des Kapitols lärmte: Proud Boys, QAnon-Anhänger, White Supremacists und Neonazis schwangen die amerikanische Fahne. Aber auch die Flagge der Konföderation war zu sehen, das Sinnbild der Verherrlichung der Sklaverei.
Politisch war die Aktion jedoch ein Fehlschlag. Immer mehr Republikaner brechen mit Trump. Der Präsident selbst hat mittlerweile kleinlaut erklärt, er wolle nun für einen friedlichen Übergang zur Regierung Biden sorgen, wohl im Wissen, dass er in den letzten Tagen seiner Amtszeit gar noch mithilfe des 25. Zusatzes der Verfassung gestürzt werden könnte.
Ob die Rechnung für Josh Hawley aufgegangen ist, wird sich weisen müssen. Sicher ist einzig, dass sein Name nun einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist –, und dass ein weiterer Pseudo-Führer seinen Machtanspruch klar deklariert hat.
https://www.whitehouse.gov/presidential-actions/executive-order-protecting-american-monuments-memorials-statues-combating-recent-criminal-violence/
Der neu gewählte Senator aus Georgia, Jon Ossoff, ist 8 Jahre jünger, und ein aufgehender Stern.
Dann kam George I. aus dem Bush. Reagan konnte immerhin mit Gorbatschov reden.
Dann kam der Demokrat, der sich, ohne zu inhalieren, beim Oralsex erwischen liess.
Dann kam George II. aus dem Bush, und der war jetzt echt der allerletzte Clown.
Dann acht Jahre relative Ruhe. Schwarzes Vergessen.
Und jetzt? Vier Jahre fulminant gegen die Wand gefahren, schlimmer als alle vorher zusammengezählt.
Darf sich sowas Demokratie nennen?