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Gaza: US-Friedensdeal steht – warten auf Hamas-Antwort

epa11384388 Protesters light flares as they take to the streets to call on the Israeli cabinet to sign a hostage deal and hold early elections during a demonstration outside the Kirya military headqua ...
Israelische Demonstrierende fordern die Annahme des Deals.Bild: keystone

Ende des Kriegs wird konkreter – die Entwicklungen um den Gaza-Friedensdeal im Überblick

Die vermittelnden Staaten haben Israel und der Hamas einen Friedensplan vorgelegt. Die USA pochen auf die Annahme des Angebots. Doch in Israel gefällt der Deal längst nicht allen. Eine Übersicht zu den Entwicklungen vom Wochenende.
03.06.2024, 07:2403.06.2024, 15:05
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Darum geht es

US-Präsident Joe Biden hat am Freitagabend (Schweizer Zeit) einen neuen Friedensvorschlag für den Krieg in Gaza präsentiert, den die USA zusammen mit anderen vermittelnden Staaten wie Ägypten oder Katar ausgearbeitet haben.

Nach Ansicht der USA ist es «Zeit, den Krieg in Gaza zu beenden». Biden wie auch sein Aussenminister Anthony Blinken forderten beide Kriegsparteien – Israel und die Hamas – auf, den Vorschlag anzunehmen. Diese Position verdeutlichte das Weisse Haus am frühen Montagmorgen (Schweizer Zeit) erneut. John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, sagte, man habe die feste Erwartung an Israel, dass die Regierung den Friedensplan annehmen würde, sollte die Hamas dem Deal zustimmen (siehe auch letzter Punkt).

Auch die anderen Vermittler fordern die Kriegsparteien auf, den Vorschlag anzunehmen. Und im gleichen Stil äusserten sich andere Staaten und Organisationen, wie Grossbritannien oder die Vereinten Nationen.

Das sieht der Deal vor

Der Vorschlag, den die Vermittlerstaaten ausgearbeitet haben, sieht drei Phasen vor, die letzten Endes zu einem dauerhaften Ende des Krieges im Gazastreifen führen sollen.

  • 1. Phase: Beginnen soll der Weg Richtung Frieden mit einem sechswöchigen, laut Joe Biden «vollständigen und umfassenden», Waffenstillstand. In dieser Zeit würde sich die israelische Armee (IDF) aus den besiedelten Gebieten des Gazastreifens zurückziehen. Gleichzeitig würde die humanitäre Hilfe hochgefahren, zudem sollen erste israelische Geiseln – Frauen, Verletzte, ältere Menschen – gegen palästinensische Gefangene ausgetauscht werden.
  • 2. Phase: In dieser Phase sollen schliesslich alle noch lebenden israelischen Geiseln freigelassen werden, darunter auch männliche Soldaten. Der provisorische Waffenstillstand soll in eine «dauerhafte Einstellung der Feindseligkeiten» umgewandelt werden. Die genauen Umstände würden während des sechswöchigen Waffenstillstands verhandelt.
  • 3. Phase: Als letzter Teil des Friedensplans sollen auch alle sterblichen Überreste von Geiseln, die in Gaza während ihrer Gefangenschaft ums Leben kamen, an Israel übergeben werden. Zudem würde ein Wiederaufbauplan für den Gazastreifen in Kraft treten, welcher mit US- und anderer internationaler Hilfe subventioniert wird. Insbesondere Wohnhäuser, Schulen und Spitäler stehen im Fokus des Wiederaufbauplans.

So reagierte Israel

Die Reaktionen aus Israel sind sehr unterschiedlich. Auf den Strassen protestierten während des Wochenendes weit über 100'000 Menschen für die Annahme des Friedensplans. Seit Wochen kommt es zu solchen Kundgebungen, die eine sofortige Lösung fordern, um die israelischen Geiseln in Gaza freizubekommen.

People protest against Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu's government and call for the release of hostages held in the Gaza Strip by the Hamas militant group in Tel Aviv, Israel, Saturday ...
«Biden save them from Netanjahu»: Israelische Demonstrierende kämpfen für die Freilassung der Geiseln. Bild: keystone

Doch nicht alle sehen die Situation in Israel gleich. Mit dem israelischen Finanzminister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir, Minister für öffentliche Sicherheit, drohten gleich zwei Mitglieder der israelischen Regierungskoalition mit ihrem Rücktritt, sollte Israel den Krieg jetzt beenden. Die beiden, je nach Lesart rechtsreligiösen oder rechtsextremen, Politiker stellen sich auf den Standpunkt, dass der Krieg beendet würde, ohne, dass Israel seine Ziele erreicht habe. Unter anderem ist das die vollständige Vernichtung der Hamas. Polizeiminister Ben-Gvir schrieb auf X, ein Rückzug aus Gaza zum jetzigen Zeitpunkt bedeute einen «Sieg für den Terrorismus» und eine «totale Niederlage» Israels.

FILE - Israel's National Security Minister Itamar Ben-Gvir attends the weekly cabinet meeting in Jerusalem, Sunday, Sept. 10, 2023. Far-right National Security Minister Itamar Ben-Gvir visited Je ...
Itamar Ben-Gvir will den Krieg in Gaza nicht beenden.Bild: keystone

Andere Politiker sicherten Netanjahu hingegen Unterstützung zu, sollte der Deal angenommen werden. So beispielsweise Präsident Izchak Herzog. Dieser dankte Joe Biden am Sonntag für dessen Bemühungen und sagte, er selbst habe Netanjahu und der Regierung «meine volle Unterstützung für einen Deal zugesichert, der zur Freilassung der Geiseln führen wird». Es gebe nach jüdischer Tradition keine grössere Pflicht als die Rückholung von Gefangenen und Geiseln, «vor allem, wenn es um israelische Zivilisten geht, die der Staat Israel nicht verteidigen konnte», sagte der Präsident.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu befindet sich im Dilemma: Einerseits ist der internationale Druck und jener von der Strasse mittlerweile so hoch, dass eine Ablehnung des Deals kaum möglich ist. Bei einer Annahme hingegen drohen weitere innenpolitische Probleme. Die Unzufriedenheit beim rechtsreligiösen Lager, das viel Einfluss hat, dürfte ansteigen und die Spannungen damit verschärfen.

Finance Minister Bezalel Smotrich speaks at the Knesset, Israel's parliament, in Jerusalem, Monday, July 10, 2023. (AP Photo/Maya Alleruzzo)
Bezalel Smotrich
Auch Finanzminister Bezalel Smotrich ist gegen ein Ende des militärischen Vorgehens in Gaza.Bild: keystone

So reagierte die Hamas

Die Hamas zeigt Bereitschaft, den Deal, der von Katar an die Organisation übermittelt wurde, zu prüfen, und befand diesen als grundsätzlich «positiv». Ein dauerhafter Waffenstillstand, der Abzug der israelischen Armee, den Wiederaufbau und den Gefangenenaustausch, das seien alles Punkte, die man begrüsse, wie ein Hamas-Sprecher im Libanon sagte.

FILE - Yahya Sinwar, head of Hamas in Gaza, chairs a meeting with leaders of Palestinian factions at his office in Gaza City, Wednesday, April 13, 2022. The Hamas officials are accused by the ICC of p ...
Hamas-Führer Jihia al-Sinwar will das Überleben und den Einfluss der Hamas sichern.Bild: keystone

Allerdings ist unklar, ob die Hamas tatsächlich bereit ist, auf den Deal einzugehen. Laut Informationen des «Wall Street Journals» ist Hamas-Chef Jihia al-Sinwar nur zu einem Abkommen bereit, wenn es das Überleben der Hamas als militärische und politische Kraft in Gaza sichert, was einen absolut grundlegenden Interessenkonflikt darstellt: Ein erklärtes Ziel Israels ist es, nebst der Freilassung aller Geiseln, die Hamas komplett zu zerstören. Netanjahu sagte am Sonntag dazu:

«Die Vorstellung, dass Israel einem dauerhaften Waffenstillstand zustimmen wird, bevor diese Bedingungen erfüllt sind, ist ein Rohrkrepierer.»

So geht es weiter

Im Grunde wartet die Welt nun auf die Stellungnahme der Hamas. Am späten Sonntag telefonierte US-Aussenminister Antony Blinken mit dem israelischen Verteidigungsminister Joaw Galant und dem Kriegskabinettsmitglied Benny Gantz, um weiter für das Abkommen zu werben. Blinken lobte Israel für die grundlegende Bereitschaft, einen Deal einzugehen. Die USA seien auch der Ansicht, dass das Friedensabkommen «für die langfristigen Sicherheitsinteressen Israels» von Vorteil wäre.

Er habe zudem auch betont, dass die Hamas das Abkommen «unverzüglich» annehmen sollte, so der Sprecher des US-Aussenministeriums, Matthew Miller. Die Chancen, dass dies passiert, scheinen derzeit intakt. Ob sich Israel dann dem internationalen Druck beugt und ebenfalls zustimmt, ist unklar. Ein Ende der Kampfhandlungen in Gaza scheint aber deutlich näher zu sein, als das in den Vorwochen der Fall war.

Mit Material der Nachrichtenagentur SDA.

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26 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hösch
03.06.2024 09:56registriert März 2022
Und wenn sich die Hamas einfach umbenennt?
🙈🙉🙊
Eine vollständige Zerschlagung ist doch genauso illusorisch wie eine Rückkehr an die Macht.

War da nicht ein Angebot von Indonesien UN Truppen zu stellen?
In den Palästinensergebieten freie Wahlen zu ermöglichen wäre ein möglicher Auftrag.
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FrancoL
03.06.2024 10:04registriert November 2015
Mit dem israelischen Finanzminister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir, Minister für öffentliche Sicherheit, drohten gleich zwei Mitglieder der israelischen Regierungskoalition mit ihrem Rücktritt . . . .

Bestens nimmt auch Bibi den Hut, wäre zumindest eine Chance gegeben, diese Situation zu entwirren.

Mit den 3 Extremisten auf einer Seite und eine Hamas, auf den anderen Seite, lässt sich nicht viel Frieden schliessen.

Wenn nur eine Seite extrem ist, lässt sich eher eine Lösung finden und vor allem Israel erhält mehr Hilfe und Zuspruch.
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