Ende des Kriegs wird konkreter – die Entwicklungen um den Gaza-Friedensdeal im Überblick
Darum geht es
US-Präsident Joe Biden hat am Freitagabend (Schweizer Zeit) einen neuen Friedensvorschlag für den Krieg in Gaza präsentiert, den die USA zusammen mit anderen vermittelnden Staaten wie Ägypten oder Katar ausgearbeitet haben.
Nach Ansicht der USA ist es «Zeit, den Krieg in Gaza zu beenden». Biden wie auch sein Aussenminister Anthony Blinken forderten beide Kriegsparteien – Israel und die Hamas – auf, den Vorschlag anzunehmen. Diese Position verdeutlichte das Weisse Haus am frühen Montagmorgen (Schweizer Zeit) erneut. John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, sagte, man habe die feste Erwartung an Israel, dass die Regierung den Friedensplan annehmen würde, sollte die Hamas dem Deal zustimmen (siehe auch letzter Punkt).
Auch die anderen Vermittler fordern die Kriegsparteien auf, den Vorschlag anzunehmen. Und im gleichen Stil äusserten sich andere Staaten und Organisationen, wie Grossbritannien oder die Vereinten Nationen.
Das sieht der Deal vor
Der Vorschlag, den die Vermittlerstaaten ausgearbeitet haben, sieht drei Phasen vor, die letzten Endes zu einem dauerhaften Ende des Krieges im Gazastreifen führen sollen.
- 1. Phase: Beginnen soll der Weg Richtung Frieden mit einem sechswöchigen, laut Joe Biden «vollständigen und umfassenden», Waffenstillstand. In dieser Zeit würde sich die israelische Armee (IDF) aus den besiedelten Gebieten des Gazastreifens zurückziehen. Gleichzeitig würde die humanitäre Hilfe hochgefahren, zudem sollen erste israelische Geiseln – Frauen, Verletzte, ältere Menschen – gegen palästinensische Gefangene ausgetauscht werden.
- 2. Phase: In dieser Phase sollen schliesslich alle noch lebenden israelischen Geiseln freigelassen werden, darunter auch männliche Soldaten. Der provisorische Waffenstillstand soll in eine «dauerhafte Einstellung der Feindseligkeiten» umgewandelt werden. Die genauen Umstände würden während des sechswöchigen Waffenstillstands verhandelt.
- 3. Phase: Als letzter Teil des Friedensplans sollen auch alle sterblichen Überreste von Geiseln, die in Gaza während ihrer Gefangenschaft ums Leben kamen, an Israel übergeben werden. Zudem würde ein Wiederaufbauplan für den Gazastreifen in Kraft treten, welcher mit US- und anderer internationaler Hilfe subventioniert wird. Insbesondere Wohnhäuser, Schulen und Spitäler stehen im Fokus des Wiederaufbauplans.
So reagierte Israel
Die Reaktionen aus Israel sind sehr unterschiedlich. Auf den Strassen protestierten während des Wochenendes weit über 100'000 Menschen für die Annahme des Friedensplans. Seit Wochen kommt es zu solchen Kundgebungen, die eine sofortige Lösung fordern, um die israelischen Geiseln in Gaza freizubekommen.
Doch nicht alle sehen die Situation in Israel gleich. Mit dem israelischen Finanzminister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir, Minister für öffentliche Sicherheit, drohten gleich zwei Mitglieder der israelischen Regierungskoalition mit ihrem Rücktritt, sollte Israel den Krieg jetzt beenden. Die beiden, je nach Lesart rechtsreligiösen oder rechtsextremen, Politiker stellen sich auf den Standpunkt, dass der Krieg beendet würde, ohne, dass Israel seine Ziele erreicht habe. Unter anderem ist das die vollständige Vernichtung der Hamas. Polizeiminister Ben-Gvir schrieb auf X, ein Rückzug aus Gaza zum jetzigen Zeitpunkt bedeute einen «Sieg für den Terrorismus» und eine «totale Niederlage» Israels.
Andere Politiker sicherten Netanjahu hingegen Unterstützung zu, sollte der Deal angenommen werden. So beispielsweise Präsident Izchak Herzog. Dieser dankte Joe Biden am Sonntag für dessen Bemühungen und sagte, er selbst habe Netanjahu und der Regierung «meine volle Unterstützung für einen Deal zugesichert, der zur Freilassung der Geiseln führen wird». Es gebe nach jüdischer Tradition keine grössere Pflicht als die Rückholung von Gefangenen und Geiseln, «vor allem, wenn es um israelische Zivilisten geht, die der Staat Israel nicht verteidigen konnte», sagte der Präsident.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu befindet sich im Dilemma: Einerseits ist der internationale Druck und jener von der Strasse mittlerweile so hoch, dass eine Ablehnung des Deals kaum möglich ist. Bei einer Annahme hingegen drohen weitere innenpolitische Probleme. Die Unzufriedenheit beim rechtsreligiösen Lager, das viel Einfluss hat, dürfte ansteigen und die Spannungen damit verschärfen.
So reagierte die Hamas
Die Hamas zeigt Bereitschaft, den Deal, der von Katar an die Organisation übermittelt wurde, zu prüfen, und befand diesen als grundsätzlich «positiv». Ein dauerhafter Waffenstillstand, der Abzug der israelischen Armee, den Wiederaufbau und den Gefangenenaustausch, das seien alles Punkte, die man begrüsse, wie ein Hamas-Sprecher im Libanon sagte.
Allerdings ist unklar, ob die Hamas tatsächlich bereit ist, auf den Deal einzugehen. Laut Informationen des «Wall Street Journals» ist Hamas-Chef Jihia al-Sinwar nur zu einem Abkommen bereit, wenn es das Überleben der Hamas als militärische und politische Kraft in Gaza sichert, was einen absolut grundlegenden Interessenkonflikt darstellt: Ein erklärtes Ziel Israels ist es, nebst der Freilassung aller Geiseln, die Hamas komplett zu zerstören. Netanjahu sagte am Sonntag dazu:
So geht es weiter
Im Grunde wartet die Welt nun auf die Stellungnahme der Hamas. Am späten Sonntag telefonierte US-Aussenminister Antony Blinken mit dem israelischen Verteidigungsminister Joaw Galant und dem Kriegskabinettsmitglied Benny Gantz, um weiter für das Abkommen zu werben. Blinken lobte Israel für die grundlegende Bereitschaft, einen Deal einzugehen. Die USA seien auch der Ansicht, dass das Friedensabkommen «für die langfristigen Sicherheitsinteressen Israels» von Vorteil wäre.
Er habe zudem auch betont, dass die Hamas das Abkommen «unverzüglich» annehmen sollte, so der Sprecher des US-Aussenministeriums, Matthew Miller. Die Chancen, dass dies passiert, scheinen derzeit intakt. Ob sich Israel dann dem internationalen Druck beugt und ebenfalls zustimmt, ist unklar. Ein Ende der Kampfhandlungen in Gaza scheint aber deutlich näher zu sein, als das in den Vorwochen der Fall war.
Mit Material der Nachrichtenagentur SDA.