Der Streit um das U-Boot-Geschäft im Pazifik sorgt bis in den Atlantik für hohe Wellen. Auf der amerikanischen Seite registriert die «New York Times» erstaunt, dass Frankreich erstmals seit 1778 den Botschafter aus Washington zurückgerufen habe.
In Paris unterstellt Aussenminister Jean-Yves Le Drian den USA, Grossbritannien und Australien nichts weniger «Doppelzüngigkeit» und «Verrat», nachdem sie einen milliardenschweren U-Boot-Deal mit Frankreich gekippt haben.
Le Drian erhebt diese Vorwürfe nicht aus dem hohlen Bauch. Als Verteidigungsminister hatte er ab 2014 selber mit Australien über die Lieferung von zwölf französischen U-Booten des Typs Shortfin Barracuda verhandelt. Der Deal stand auf des Messers Schneide, da die deutsche ThyssenKrupp ein valables Konkurrenzprojekt eingereicht hatte.
Frankreich – das einzige Land, das neben den USA die Technologie des militärischen Atomantriebs beherrscht – schlug eine Nuklearmotorisierung vor, weil diese die Reichweite der Angriffsboote im unendlichen Pazifik stark vergrössert; die Australier verzichteten darauf, optierten aber dennoch für die Franzosen.
Dass Canberra den Schwenk auf US-Boote nun ausgerechnet mit deren Atomantrieb begründet, stösst in den Werften von Cherbourg (Normandie) besonders bitter auf.
Die australische Regierung behauptete am Wochenende, sie hätte schon früh «Einwände» gegen die französischen U-Boote angemeldet und Paris «ehrlich» über den sich abzeichnenden Wechsel orientiert.
Für Le Drian ist das eine pure «Lüge». Beim letzten G7-Gipfel im Juni hatten sich Gastgeber Boris Johnson, US-Präsident Joe Biden und der australische Premier Scott Morrison bereits zu Beratungen über ihren Dreierpakt gegen die chinesische Vorherrschaft im Indopazifik zurückgezogen und den darauf beruhenden U-Boot-Deal vorbereitet.
Der französische Gipfelteilnehmer Emmanuel Macron blieb unwissend und aussen vor, obwohl er seit Monaten seinerseits eine gemeinsame indopazifische Strategie gegen China propagiert. 1.5 Millionen Franzosen wohnen in dem Gebiet, so etwa in den Überseegebieten Neukaledonien oder Polynesien, wo die Franzosen auch Truppen stationiert haben.
Auch als Macron Morrison drei Tage nach dem G7 persönlich traf, klärte ihn der Australier über den «Verrat» (so Le Drian) nicht auf. Noch krasser wurde es Ende August, als sich die Aussen- und Verteidigungsminister Frankreichs und Australiens trafen: In einer gemeinsamen Erklärung betonten sie die Bedeutung des französischen U-Boot-Programms, ohne ein Wort über das bereits festgezurrte Ersatzprojekt der US-Unterseeboote zu verlieren. Am vergangenen Mittwoch musste Frankreichs Präsident Emmanuel Macron aus der Presse erfahren, dass die Australier abrupt umsatteln.
Interesting explaination of #Submarines https://t.co/HIe83Tt464 @ Sydney, Australia https://t.co/Y3tjVClqMF
— Stefan Caliaro (@stefssite) September 19, 2021
Le Drian erinnert daran, dass Frankreich NATO-Mitglied sei. «In einem echten Bündnis spricht man miteinander und respektiert man sich. Das war hier nicht der Fall», meinte er mit einem Seitenhieb: «Die Biden-Methode gleicht zunehmend derjenigen Trumps.» Und vor allem drohe die U-Boot-Affäre auf die neue NATO-Strategie abzufärben. Diese soll beim nächsten Gipfel 2022 in Madrid beschlossen werden.
Das traditionell auf seine Unabhängigkeit bedachte Frankreich steht dem amerikanisch dominierten Nordatlantikpakt seit de Gaulles Zeiten kritisch gegenüber. Macron bezeichnete ihn 2019 sogar als «hirntot» und plädiert parallel dazu für eine parallel aufgebaute «europäische Armee». Damit stösst er allerdings auch bei seinen deutschen Partnern auf wenig Echo.
Abgesehen von dieser Rhetorik hatte sich Paris aber in den letzten Jahrzehnten als zuverlässiger Partner erwiesen, wenn es militärisch darauf ankam - sei das im Irak, in Syrien oder in Afghanistan. In Mali arbeiten 5000 französische Elitesoldaten eng mit dem amerikanischen Nachrichtendienst zusammen.
Deshalb verlangt Macron auch ein Mitspracherecht bei der westlichen, nicht rein amerikanischen Strategie im Indopazifik. Viel Gehör verschafft er sich damit auch bei der Biden-Administration nicht. (bzbasel.ch)
Es zeigt - einmal mehr - auf, dass Europa eine eigene Politik braucht. Es trifft sich dabei gut, dass das trojanische Pferd GB nur noch geografisch zu Europa gehört.