Ex-Präsident Donald Trump wollte das US-Justizministerium nach Angaben der damaligen Führung des Ressorts dafür instrumentalisieren, seine Niederlage bei der Präsidentenwahl 2020 abzuwenden.
Der damalige geschäftsführende Justizminister Jeffrey Rosen und dessen Stellvertreter Richard Donoghue schilderten bei einer Anhörung im Repräsentantenhaus, wie Trump sie vehement unter Druck gesetzt habe.
Er habe ihnen auch damit gedroht, die Spitze des Ministeriums neu zu besetzen, um ein Vorgehen der Behörde gegen angeblichen Wahlbetrug zu erreichen, erklärten sie am Donnerstag (Ortszeit) vor dem Untersuchungsausschuss zur Erstürmung des US-Kapitol im Januar 2021.
Eine Übersicht in 7 Punkten:
Rosen erklärte, in seiner kurzen Amtszeit an der Spitze des Ministeriums habe Trump ihn vom 23. Dezember 2020 bis zum 3. Januar 2021 praktisch täglich angerufen oder in Videoschalten mit ihm gesprochen. Donoghue erklärte, Trump habe «ein Arsenal an Behauptungen» zu angeblichen Fällen von Wahlbetrug gehabt, «auf das er sich stützen wollte».
Der Präsident habe mit Nachdruck gefordert, das Justizministerium solle diese untersuchen. Es habe sich dabei aber um grundlose Behauptungen oder Verschwörungstheorien gehandelt. «Diese Behauptungen waren schlicht gegenstandslos», sagte Donoghue.
Das Justizministerium habe sich an das Recht und die Fakten gehalten, betonte Rosen. Trump habe unter anderem versucht, das Ressort dazu zu bewegen, in einem Schreiben zu erklären, dass die Wahl korrupt gewesen sei, schilderte Donoghue. Er sagte zu Trump, dass das Justizministerium nicht einfach mit den «Fingern schnippen» könne und wolle, um das Resultat der Wahl zu ändern.
Darauf entgegnete Trump:
This is the most important part of the most recent January 6th Committee hearing, in which Donaghue testified under oath that Trump instructed him on 12/27 to: “Just say that the election was corrupt and leave the rest to me and the Republican Congressmen”pic.twitter.com/tjWyf4LJpI
— Andrew Wortman 🏳️🌈🇺🇦🇺🇸 (@AmoneyResists) June 24, 2022
Angesichts der Weigerung der Ministeriumsspitze, ihn zu unterstützen, drohte Trump demnach damit, Rosen und Donoghue durch den Spitzenbeamten Jeffrey Clark zu ersetzen, der willens war, die Behörde zur Untergrabung der Wahl zu nutzen.
Clark verfasste am 28. Dezember einen Brief, den Trump vom Justizministerium an die Legislative des Bundesstaates Georgia schicken wollte. Darin wird der Gesetzesgeber des Bundesstaates Georgia dazu aufgefordert, eine Sondersitzung abzuhalten. In dieser soll eine neue Reihe von Wahlleuten bestimmt werden, welche den Bundesstaat dazu bringen würden, für Trump anstatt Biden zu stimmen.
Donoghue weigerte sich, diesen Brief zu senden. Das Schreiben hätte das Ministerium auf gefährlich Weise politisch instrumentalisiert. «Es hätte uns wohl in eine Verfassungskrise abgleiten lassen», sagte er. Trump reagierte wütend auf Donoghues Weigerung, worauf er zu ihm und Rosen gesagt haben soll:
Richard Donoghue on what Trump told him:
— The Republican Accountability Project (@AccountableGOP) June 23, 2022
“He said, ‘People tell me I should just get rid of both of you. I should just remove you and make a change in leadership. Put Jeff Clark in. Maybe something will get done.’” pic.twitter.com/4XzUgiCyYl
Tatsächlich bot Trump Clark das Amt des Generalstaatsanwalts an – allerdings unter der Bedingung, dass Clark diesen Brief an Georgia und andere Bundesstaaten schicke.
Der Anwalt des Weissen Hauses, Eric Hershman, konnte das Vorhaben Clarks kaum fassen. In einer Videoaufzeichnung erinnert er sich an seine Reaktion, nachdem Clark ihm seine Pläne geschildert hatte:
Former Trump White House lawyer Eric Herschmann on Jeff Clark’s plan to overturn the election:
— January 6th Committee (@January6thCmte) June 23, 2022
"Congratulations, you just admitted your first step or act you would take as Attorney General would be committing a felony..." pic.twitter.com/wVG7zGoTmP
Statt sich von Trumps Drohung einschüchtern zu lassen, dass er die Spitze des Justizministeriums neu besetzen würde, drohte Donoghue im Namen des Justizministeriums zurück:
Der Konter sass und Trump sah davon ab, Clark als neuen Generalstaatsanwalt einzusetzen.
Richard Donoghue: “Mr. President, within 24, 48, 72 hours, you could have hundreds and hundreds of resignations of the leadership of your entire Justice Department because of your actions. What is that going to say about you?” pic.twitter.com/umCr7gpPjE
— The Republican Accountability Project (@AccountableGOP) June 23, 2022
Ein Mitglied des Untersuchungsausschusses, der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger, fasste es so zusammen: «Präsident Trump hat versucht, seine Wahlniederlage durch die Ernennung eines unqualifizierten Manns an der Spitze des Justizministeriums ungeschehen zu machen. Es war ein Schachzug, um um jeden Preis zu gewinnen – unabhängig vom Willen der Menschen in Amerika.»
Für Trump seien Tatsachen dabei «irrelevant» gewesen, denn er hatte nur eines im Sinn, so Kinzinger:
Rep. Adam Kinzinger: ‘The facts were irrelevant to President Trump. It was about protecting his very real power and very fragile ego — even if it required recklessly undermining our entire electoral system’ pic.twitter.com/U7Bv2xh1KE
— NowThis (@nowthisnews) June 24, 2022
«Was bringen ihm Fakten, wenn diese nur seine Niederlage bestätigen würden?», fragte Kinzinger, der bei den Republikanern im Kongress einer der wenigen prominenten Trump-Kritiker ist. «Zusammengefasst: Er war bereit, unsere Republik zu opfern, um seine Präsidentschaft zu verlängern.»
Gemäss Cassidy Hutchinson informierten sich diverse Republikaner, ob Trump sie begnadigen könne. Hutchinson war die Beraterin des ehemaligen Stabchefs des Weissen Hauses, Mark Meadows.
Sie sagte aus, dass die republikanischen Kongressabgeordneten Matt Gaetz und Mo Brooks für eine «generelle Begnadigung» in Zusammenhang mit dem 6. Januar eintraten.
«Matt Gaetz hat persönlich auf eine Begnadigung gedrängt und das seit Anfang Dezember. Ich weiss auch nicht genau, wieso.», erklärte Hutchinson in einem Video, das während der Anhörung abgespielt wurde. So habe Gaetz sie persönlich gefragt, ob er sich mit Meadows treffen könne, um vom Präsidenten begnadigt zu werden.
Nebst Gaetz und Brooks wurde sie auch von den Kongressabgeordneten Andy Biggs, Loui Gohmert, Scott Perry und Marjorie Taylor Greene nach einer Begnadigung gefragt.
As Members, we take an oath to support & defend the Constitution. Some of my colleagues failed to uphold that oath & requested pardons from the Trump Administration.
— Adam Kinzinger (@RepKinzinger) June 23, 2022
More to come, but the only reason I know to ask for a pardon is because you think you’ve committed a crime. pic.twitter.com/BLKWo5XpUD
Für Adam Kinzinger ist der Hintergrund der gewünschten Begnadigung klar, wie er auf Twitter schreibt:
Rosen und Donoghue waren erst im Dezember 2020 für die letzten Wochen von Trumps Amtszeit auf ihre Posten gekommen, nachdem Justizminister William Barr im Streit über das Ergebnis der Präsidentenwahl seinen Rücktritt eingereicht hatte. Barr hat Trumps Betrugsfantasien inzwischen als «Schwachsinn» (Original: Bullshit) und «verrückt» bezeichnet.
Trump behauptet bis heute ohne Belege, durch Betrug um den Sieg bei der Wahl im November 2020 gebracht worden zu sein. Sein Lager scheiterte mit Dutzenden Klagen. Über Wochen hinweg versuchte der Republikaner mit fragwürdigsten Methoden, den Erfolg des Demokraten Joe Biden zu kippen. Der Widerstand gipfelte im Angriff auf das Kapitol, den Sitz des Parlaments.
Anhänger Trumps hatten am 6. Januar 2021 gewaltsam den Parlamentssitz in der Hauptstadt Washington gestürmt. Dort war der Kongress zusammengekommen, um Bidens Wahlsieg zu zertifizieren. Bei den Krawallen kamen fünf Menschen ums Leben, darunter ein Polizist. Der Angriff auf das Herz der US-Demokratie erschütterte das Land.
Zunächst war nicht klar, ob nach der 5. Anhörung noch weitere Termine geplant sind. Doch der Untersuchungsausschuss habe weiteres Beweismaterial erhalten, welches relevant sei, teilte der Vorsitzende Bennie Thompson am Mittwoch mit.
Konkret habe der Ausschuss Material von Dokumentarfilmer Alex Holder erhalten, welcher rund um 6. Januar Zugang zu Trump und seiner Familie hatte. Des Weiteren gebe es neue Dokumente aus den Nationalarchiven sowie eine Flut neuer Hinweise, die während der ersten vier öffentlichen Anhörungen eingegangen seien, erklärte Thompson.
Das Repräsentantenhaus wird ab Freitag in eine zweiwöchige Pause treten und am 12. Juli wieder zurückkehren. Die Anhörungen dürften dann gemäss Thompson wieder aufgenommen werden. Termine stehen allerdings noch keine fest. (saw/sda/dpa)