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Zeugen: Trump wollte Wahl mit Hilfe des Justizministeriums kippen

«Verdammtes A#%*&loch, herzlichen Glückwunsch» – das Kapitol-Hearing in 7 Punkten

Gestern fand in den USA die 5. Kapitol-Anhörung statt, bei der Trumps Rolle im Kapitol-Sturm des 6. Januar 2021 untersucht werden soll. Sie stand ganz im Zeichen des Justizministeriums – welches sich Trump widersetzte.
24.06.2022, 02:0824.06.2022, 15:28
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Ex-Präsident Donald Trump wollte das US-Justizministerium nach Angaben der damaligen Führung des Ressorts dafür instrumentalisieren, seine Niederlage bei der Präsidentenwahl 2020 abzuwenden.

Former President Donald Trump speaks at the Faith and Freedom Coalition
Donald Trump bei einem Auftritt im Juni 2022.Bild: keystone

Der damalige geschäftsführende Justizminister Jeffrey Rosen und dessen Stellvertreter Richard Donoghue schilderten bei einer Anhörung im Repräsentantenhaus, wie Trump sie vehement unter Druck gesetzt habe.

Er habe ihnen auch damit gedroht, die Spitze des Ministeriums neu zu besetzen, um ein Vorgehen der Behörde gegen angeblichen Wahlbetrug zu erreichen, erklärten sie am Donnerstag (Ortszeit) vor dem Untersuchungsausschuss zur Erstürmung des US-Kapitol im Januar 2021.

Eine Übersicht in 7 Punkten:

Trump setzte das Justizministerium unter Druck

Rosen erklärte, in seiner kurzen Amtszeit an der Spitze des Ministeriums habe Trump ihn vom 23. Dezember 2020 bis zum 3. Januar 2021 praktisch täglich angerufen oder in Videoschalten mit ihm gesprochen. Donoghue erklärte, Trump habe «ein Arsenal an Behauptungen» zu angeblichen Fällen von Wahlbetrug gehabt, «auf das er sich stützen wollte».

epa10030850 Former Acting Deputy Attorney General Richard Donoghue (R) and Former Acting Attorney General Jeffrey Rosen (L) testify before a public hearing of the House Select Committee to Investigate ...
Jeffrey Rosen (l.) und Richard Donoghue bei ihren Aussagen am Donnerstag. Bild: keystone

Der Präsident habe mit Nachdruck gefordert, das Justizministerium solle diese untersuchen. Es habe sich dabei aber um grundlose Behauptungen oder Verschwörungstheorien gehandelt. «Diese Behauptungen waren schlicht gegenstandslos», sagte Donoghue.

Das Justizministerium habe sich an das Recht und die Fakten gehalten, betonte Rosen. Trump habe unter anderem versucht, das Ressort dazu zu bewegen, in einem Schreiben zu erklären, dass die Wahl korrupt gewesen sei, schilderte Donoghue. Er sagte zu Trump, dass das Justizministerium nicht einfach mit den «Fingern schnippen» könne und wolle, um das Resultat der Wahl zu ändern.

Darauf entgegnete Trump:

«Das verlange ich auch nicht von euch. Ich möchte einfach, dass ihr sagt, dass sie [die Wahlen] korrupt gewesen seien. Den Rest könnt ihr mir und den republikanischen Kongressabgeordneten überlassen.»

Das Justizministerium weigert sich

Angesichts der Weigerung der Ministeriumsspitze, ihn zu unterstützen, drohte Trump demnach damit, Rosen und Donoghue durch den Spitzenbeamten Jeffrey Clark zu ersetzen, der willens war, die Behörde zur Untergrabung der Wahl zu nutzen.

Clark verfasste am 28. Dezember einen Brief, den Trump vom Justizministerium an die Legislative des Bundesstaates Georgia schicken wollte. Darin wird der Gesetzesgeber des Bundesstaates Georgia dazu aufgefordert, eine Sondersitzung abzuhalten. In dieser soll eine neue Reihe von Wahlleuten bestimmt werden, welche den Bundesstaat dazu bringen würden, für Trump anstatt Biden zu stimmen.

Donoghue weigerte sich, diesen Brief zu senden. Das Schreiben hätte das Ministerium auf gefährlich Weise politisch instrumentalisiert. «Es hätte uns wohl in eine Verfassungskrise abgleiten lassen», sagte er. Trump reagierte wütend auf Donoghues Weigerung, worauf er zu ihm und Rosen gesagt haben soll:

«Leute sagen mir, ich sollte euch zwei loswerden. Ich sollte euch einfach entfernen und an der Spitze eine Veränderung vornehmen. Jeff Clark einstellen. Vielleicht wird dann etwas gemacht.»

Trump droht – das Justizministerium droht zurück

Tatsächlich bot Trump Clark das Amt des Generalstaatsanwalts an – allerdings unter der Bedingung, dass Clark diesen Brief an Georgia und andere Bundesstaaten schicke.

Der Anwalt des Weissen Hauses, Eric Hershman, konnte das Vorhaben Clarks kaum fassen. In einer Videoaufzeichnung erinnert er sich an seine Reaktion, nachdem Clark ihm seine Pläne geschildert hatte:

«Verdammtes A-loch, herzlichen Glückwunsch, Sie haben gerade zugegeben, dass Ihr erster Schritt oder Ihre erste Handlung als Generalstaatsanwalt darin bestehen würde, ein Verbrechen zu begehen.»

Statt sich von Trumps Drohung einschüchtern zu lassen, dass er die Spitze des Justizministeriums neu besetzen würde, drohte Donoghue im Namen des Justizministeriums zurück:

«Und ich sagte, Herr Präsident, aufgrund Ihrer Aktionen könnten Sie innerhalb von 24, 48, 72 Stunden Hunderte von Rücktritten in der Führung Ihres gesamten Justizministeriums haben. Was wird das über Sie aussagen?»

Der Konter sass und Trump sah davon ab, Clark als neuen Generalstaatsanwalt einzusetzen.

Trump wollte sein «fragiles Ego» beschützen

Ein Mitglied des Untersuchungsausschusses, der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger, fasste es so zusammen: «Präsident Trump hat versucht, seine Wahlniederlage durch die Ernennung eines unqualifizierten Manns an der Spitze des Justizministeriums ungeschehen zu machen. Es war ein Schachzug, um um jeden Preis zu gewinnen – unabhängig vom Willen der Menschen in Amerika.»

Für Trump seien Tatsachen dabei «irrelevant» gewesen, denn er hatte nur eines im Sinn, so Kinzinger:

«Es ging ihm nur darum, seine Macht und sein sehr fragiles Ego zu beschützen.»

«Was bringen ihm Fakten, wenn diese nur seine Niederlage bestätigen würden?», fragte Kinzinger, der bei den Republikanern im Kongress einer der wenigen prominenten Trump-Kritiker ist. «Zusammengefasst: Er war bereit, unsere Republik zu opfern, um seine Präsidentschaft zu verlängern.»

Diverse Republikaner wollten begnadigt werden

Gemäss Cassidy Hutchinson informierten sich diverse Republikaner, ob Trump sie begnadigen könne. Hutchinson war die Beraterin des ehemaligen Stabchefs des Weissen Hauses, Mark Meadows.

Sie sagte aus, dass die republikanischen Kongressabgeordneten Matt Gaetz und Mo Brooks für eine «generelle Begnadigung» in Zusammenhang mit dem 6. Januar eintraten.

«Matt Gaetz hat persönlich auf eine Begnadigung gedrängt und das seit Anfang Dezember. Ich weiss auch nicht genau, wieso.», erklärte Hutchinson in einem Video, das während der Anhörung abgespielt wurde. So habe Gaetz sie persönlich gefragt, ob er sich mit Meadows treffen könne, um vom Präsidenten begnadigt zu werden.

Nebst Gaetz und Brooks wurde sie auch von den Kongressabgeordneten Andy Biggs, Loui Gohmert, Scott Perry und Marjorie Taylor Greene nach einer Begnadigung gefragt.

Für Adam Kinzinger ist der Hintergrund der gewünschten Begnadigung klar, wie er auf Twitter schreibt:

«Der einzige Grund, der mir einfällt, um nach einer Begnadigung zu fragen, ist, wenn du denkst, ein Verbrechen begangen zu haben.»

Schon William Barr stritt mit Trump

Rosen und Donoghue waren erst im Dezember 2020 für die letzten Wochen von Trumps Amtszeit auf ihre Posten gekommen, nachdem Justizminister William Barr im Streit über das Ergebnis der Präsidentenwahl seinen Rücktritt eingereicht hatte. Barr hat Trumps Betrugsfantasien inzwischen als «Schwachsinn» (Original: Bullshit) und «verrückt» bezeichnet.

Trump behauptet bis heute ohne Belege, durch Betrug um den Sieg bei der Wahl im November 2020 gebracht worden zu sein. Sein Lager scheiterte mit Dutzenden Klagen. Über Wochen hinweg versuchte der Republikaner mit fragwürdigsten Methoden, den Erfolg des Demokraten Joe Biden zu kippen. Der Widerstand gipfelte im Angriff auf das Kapitol, den Sitz des Parlaments.

Anhänger Trumps hatten am 6. Januar 2021 gewaltsam den Parlamentssitz in der Hauptstadt Washington gestürmt. Dort war der Kongress zusammengekommen, um Bidens Wahlsieg zu zertifizieren. Bei den Krawallen kamen fünf Menschen ums Leben, darunter ein Polizist. Der Angriff auf das Herz der US-Demokratie erschütterte das Land.

So geht es weiter

Zunächst war nicht klar, ob nach der 5. Anhörung noch weitere Termine geplant sind. Doch der Untersuchungsausschuss habe weiteres Beweismaterial erhalten, welches relevant sei, teilte der Vorsitzende Bennie Thompson am Mittwoch mit.

Konkret habe der Ausschuss Material von Dokumentarfilmer Alex Holder erhalten, welcher rund um 6. Januar Zugang zu Trump und seiner Familie hatte. Des Weiteren gebe es neue Dokumente aus den Nationalarchiven sowie eine Flut neuer Hinweise, die während der ersten vier öffentlichen Anhörungen eingegangen seien, erklärte Thompson.

Das Repräsentantenhaus wird ab Freitag in eine zweiwöchige Pause treten und am 12. Juli wieder zurückkehren. Die Anhörungen dürften dann gemäss Thompson wieder aufgenommen werden. Termine stehen allerdings noch keine fest. (saw/sda/dpa)

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56 Kommentare
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Repplyfire
24.06.2022 07:05registriert August 2015
Trump und diejenigen Senatoren der GOP, welche da aktiv mitmachten sollten dringend offiziell wegen Verrat angeklagt werden. Zudem noch gewisse Leute von Fox wegen Beihilfe oder Störung der öffentlichen Sicherheit (falls es sowas gibt in den USA). Natürlich ein heikles Thema wegen Meinungs und Redefreiheit. Aber gewisse Reps vermischen Meinungsfreiheit arg mit Faktenfreigeit. Sonst hört das Theater nie auf.
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dega
24.06.2022 07:15registriert Mai 2021
Nett wie die Republikaner diesen Ausschuss boykottieren, damit die Hearings so gut funktionieren können. Sie sind sich wohl bewusst, dass mit ihren Repräsentanten das nicht so gewesen wäre. Das nenne ich mal überparteiliche Zusammenarbeit um die Machenschaften aufzuklären. Top!
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Randy Orton
24.06.2022 10:08registriert April 2016
Irgendwie gruselig zu lesen, dass die letzte Vertridigungslinie der Demokratie der USA aus einzelnen Personen bestand. Hätte eine dieser Personen dem immensen Druck der Republikaner und Trump nachgegeben, wäre er vielleicht erfolgreich gewesen mit seinem Putschversuch.
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