Donald Trump hat im Wahlkampf vieles angekündigt. Auch Widersprüchliches wie tiefere Preise für Konsumenten – und höhere Zölle, welche gemäss Ökonomen die besagten Konsumentenpreise in die Höhe treiben dürften. Dennoch hat er nun einen Handelskrieg begonnen, laut «Wall Street Journal» den «dümmsten aller Zeiten».
Trump will 10 Prozent auf Waren aus China erheben, je 25 Prozent auf solchen aus Mexiko und Kanada. Auch wenn er bei Kanada und Mexiko einen halben Rückzieher macht, die Gefahr ist nicht gebannt – auch für die EU nicht. Diese sei «als Nächstes an der Reihe», hat Trump angekündigt. Mit seinem Zollhammer hat der US-Präsident eine lange Kausalkette angestossen, von welcher noch niemand weiss, wen sie alles erfassen und wo sie enden wird. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
So wie es aussieht: nein. Trump sagte übers Wochenende, er werde «definitiv» Zölle gegen EU-Produkte verhängen. Die EU sei «grauenhaft». Trump: «Sie nutzen uns wirklich aus. Wir haben ein 300-Milliarden-Handelsdefizit», sagte der US-Präsident gegenüber Reportern. Tatsächlich beläuft sich das Ungleichgewicht in der Handelsbilanz auf «nur» 156 Milliarden Euro.
Entweder verhängt Trump Zölle auf spezifische Produktkategorien, wie er es in seiner ersten Amtszeit beim Stahl und Aluminium getan hat. Oder er baut eine pauschale Zollmauer auf, wie er es bei China, Mexiko und Kanada vorhat. Vor seiner Amtseinführung sprach er von 20 Prozent zusätzlichen Zöllen auf alle europäischen Waren.
Besonders hart getroffen würde Deutschland als Europa-Exportmeister, namentlich die Autoindustrie. Auch Maschinen und Pharmaprodukte verkaufen deutsche Firmen viel nach Amerika. Frankreich dürfte es bei der Landwirtschaft, also bei Wein, Käse oder Cognac, empfindlich tangieren. Ein wichtiger europäischer Handelspartner der USA ist neben Italien auch Grossbritannien. Trump signalisierte jedoch, dass er das Vereinigte Königreich von den Zöllen ausnehmen könnte.
Die Folgen der neuen Zölle sind relativ klar: Sie werden zu höheren Preisen und einer Abnahme des Handels führen, was Umsatz und mittelfristig auch Arbeitsplätze kosten wird.
In Europa halten sich einige Staatsführer nicht länger zurück und wählen deutliche Worte. Polens Premierminister Donald Tusk sprach am Montag in Brüssel von einem «völlig unnötigen und dummen Handelskrieg». Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte, wenn Europa in Handelsfragen «angegriffen» werde, müsse es reagieren und sich «Respekt verschaffen».
Zuvor sagte ein Sprecher der EU-Kommission, welche die 27 Mitgliedstaaten in Handelsfragen vertritt, man sei bereit und würde entschlossen reagieren. Welche Vergeltungsmassnahmen genau zur Anwendung kämen, ist geheim. Bekannt ist aber die Liste, die schon 2018 aus der Schublade genommen wurde, als Trump zum ersten Mal einen Handelsstreit mit der EU vom Zaun brach. Die EU würde demnach gezielt Bundesstaaten ins Visier nehmen, wo besonders viele Trump-Wähler leben.
Sie dürfte zum Beispiel Einfuhrzölle auf Bourbon Whiskey aus Kentucky und Tennessee sowie Harley-Davidson-Motorräder verhängen. Andere US-Produkte wie Levi's-Jeans oder Orangensaft aus Florida stehen auch auf der Liste. Das sind Nadelstiche, die aber eine grosse politische Wirkung entfalten können.
In ihrer Rede am Weltwirtschaftsforum in Davos wies EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ausserdem auf die Abhängigkeit der US-Flugzeugbauer und der US-Medikamentenhersteller von europäischen Zulieferern hin. Die EU könnte auch US-Digitalfirmen, wie Elon Musks X, gegen welche zum Teil schon Verfahren laufen, in die Mangel nehmen.
Und nicht zuletzt ist Europa auch eine grosse Abnehmerin von US-Waffen. Im Zuge der Wiederaufrüstung der EU-Länder werden Dutzende Milliarden ausgegeben. Frankreich drängt seit langem darauf, dass man statt US-Waffen prioritär europäische Systeme kauft. Diese Forderung würde mit einem Handelskrieg klar neuen Auftrieb erhalten.
Niemand. Handelskonflikte und Zölle sorgen bekanntermassen immer für Verlierer auf allen Seiten. Dies, zumal Europa und die USA eigentlich die engsten Verbündeten sind, sowohl militärisch wie auch wirtschaftlich. Bei den Grössenverhältnissen ist die EU mit ihrem rund 450 Millionen Konsumentinnen und Konsumenten umfassenden Binnenmarkt jedoch auch für die Supermacht USA eine ernst zu nehmende Gegnerin.
Kommt es zur Eskalation, würden von einer Schwächung der transatlantischen Wirtschaftsbeziehung die globalen Konkurrenten des Westens, China und Russland, profitieren.
Für die Schweiz hätten Zölle, welche die USA gegen andere Länder erheben, auf den ersten Blick nur geringe Auswirkungen, sagt Hans Gersbach, Co-Leiter der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF). Laut Gersbach könnten sich dadurch sogar neue Exportchancen bieten, da Konkurrenten teurer werden.
Gemäss KOF-Berechnungen sind die kurzfristigen Rückwirkungen auf die Schweiz «sehr gering» oder «nahe bei null». Doch es müsse nicht unbedingt dabei bleiben. Die Auswirkungen könnten dann «spürbar und messbar negativ» werden, wenn die Lieferketten in Nordamerika über lange Zeit stark gestört würden – und damit auch Schweizer Unternehmen, die Teil dieser Ketten sind, mit Fabriken in den USA oder in der Schweiz.
Spürbar und messbar negative Folgen könnten auf die Schweiz laut KOF zukommen, wenn Kanada und Mexiko mit Zöllen kontern, Trump dann weiter eskaliert und die drei einst guten Nachbarn lange in Trumps Handelskrieg gefangen bleiben. Ein Krieg, der letztlich allen drei Ländern schadet – sowie dem ganzen Welthandel.
Sollte Trump jedoch gleich auf alle EU-Waren einen Zoll von 10 Prozent erheben, wäre der Schaden gross – und die Schweiz indirekt betroffen. Die EU würde nämlich laut einer Studie von Goldman Sachs rund ein Prozent ihres BIP verlieren.
Deutschland wäre als einstiger Exportweltmeister noch stärker betroffen. Vor allem die Autoindustrie würde leiden, welche ohnehin zu kämpfen hat mit der Umstellung auf die Elektromobilität. Das wären schlechte Nachrichten für die Schweizer Industrie. Sie ist stark in die deutsche Autobranche eingebunden und leidet heute schon unter deren Krise.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) «beobachtet» nach eigenen Angaben «die Situation aufmerksam». Besorgt wirken die Behörden nicht. Bereits in der ersten Amtszeit Trumps habe die Schweiz «exzellente Beziehungen» mit der US-Regierung unterhalten, heisst es beim Seco.
Trotz dieser «exzellenten Beziehungen» erhoben die USA 2018 Zölle auf Stahl und Aluminium. Für Metalle aus der Schweiz galten damals dieselben Bedingungen wie für solche aus dem EU-Raum – der US-Zoll machte da keinen Unterschied. Um wegen der US-Zölle ihren eigenen Markt zu schützen, verabschiedete die EU daraufhin Massnahmen gegen Drittstaaten. Auch die Schweiz galt als Drittstaat. Wodurch die Schweizer Schwerindustrie gleich doppelt abgestraft wurde.
Damit US-Zölle von der EU nicht wieder auf die Schweiz abgewälzt werden, steht die Schweiz laut Seco in Kontakt mit «den relevanten Stellen in der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten».
Laut Jean-Philippe Kohl, dem Vizedirektor des Industrieverbandes Swissmem, ist das aber nicht die einzige Hoffnung: Nach jahrelangen Verhandlungen mit der EU stehen die neuen bilateralen Verträge kurz vor Abschluss. Führt die EU wieder Zölle auf Einfuhren aus der Schweiz ein, würden in der Volksabstimmung die Chancen für das neue bilaterale Paket kaum steigen.
«Trump hat seine Absichten angekündigt», sagt Simone Wyss Fedele, Geschäftsführerin der Schweizer Exportförderungsorganisation Switzerland Global Enterprise (S-GE). Viele Schweizer Unternehmen mit USA-Bezug hätten sich daher vorbereitet und zum Beispiel ihre dortigen Lager aufgefüllt. Daher seien sie für ein paar Wochen weniger abhängig von Importen in die USA.
«Trump hat nicht unbedingt ein Interesse, Zölle lange aufrechtzuerhalten», sagt Wyss Fedele. Er nutze sie als Druckmittel, um schnell Deals durchzusetzen. So verlangt er etwa, Mexiko und Kanada müssten der Flut illegaler Drogen in die USA etwas entgegensetzen. Sollte ein Deal unter den Nachbarn zustande kommen, seien die Handelsrestriktionen möglicherweise schnell wieder weg.
Die Schweizer Börse könnte stark nachlassen, falls die US-Börse deutlich sinkt und mancher Händler vielleicht erst verkauft und dann nachdenkt. Oder die Investoren hierzulande könnten sich erst einmal die hohen Kursgewinne aus dem Januar sichern wollen – und würden mit ihren Verkäufen die Börse hinunterdrücken.
Doch insgesamt dürfte der Schweizer Börse weniger stark auf Trumps Zölle reagieren als andere europäische Märkte, sagt der Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin, Karsten Junius. Denn viele Unternehmen würden schon tun, was Trump mit seinen Zöllen bezweckt: Sie haben ihre Fabriken teilweise schon in den USA. Und, wie Junius weiter sagt, seien kleine und mittelgrosse Schweizer Unternehmen wohl weniger stark von den Zöllen betroffen, weil sie mehr in Europa als in den USA verkaufen.
Eine andere Geschichte wird es, falls Trump seine Zölle lange beibehält und damit gar eine Rezession in Europa herbeiführt. Gerade eine weitere Verschlechterung in Deutschland würde erfahrungsgemäss viele Schweizer Exportunternehmen stark treffen – und dann natürlich auch ihre Börsenkurse. (aargauerzeitung.ch/thw)