Nur eine Woche nach dem Anschlag auf sein Leben reisst Donald Trump schon wieder Witze auf offener Wahlkampf-Bühne. Über die Demokraten - und sich selbst. Sehr fest übergekämmt seien seine Haare heute, scherzte Trump. «Ich entschuldige mich dafür.» Er habe auf den Monitor geschaut und gedacht: «Wow, das ist ein Kunstwerk.»
In Michigan heizt Trump seinen Anhängern ein. Er schwärmt von seinem Vize J.D. Vance, dankt Gott und giftet gegen den politischen Gegner. Ein kleines Pflaster klebt noch über dem Einschussloch am rechten Ohr.
Tausende wollten dabei sein; die Schlange reichte Medienberichten zufolge bereits Stunden vor Beginn der Rede schon einmal rund um die Arena. Und die Fans wurden nicht enttäuscht. Nicht nur in seinen scharfen Angriffen gegen die Demokraten ist Trump schon wieder der Alte. Auch der Entertainer Trump ist zurück.
Der Kontrast zu den Demokraten könnte kaum grösser sein. Joe Biden hat sich eingebunkert. In seinem Strandhaus in Delaware versucht der an Corona erkrankte Präsident gemeinsam mit seiner Familie, seine Präsidentschaftskampagne zu retten. Kommende Woche sei er wieder im Wahlkampf, versicherte er. Die Zweifel daran wachsen jedoch täglich.
Ein Parteifreund nach dem anderen wagt sich aus der Deckung und fordert Biden zum Rückzug auf. Für Aufsehen sorgte am Wochenende der Abgeordnete Seth Moulton aus Massachusetts. Seit über einem Jahrzehnt kenne er den Präsidenten, sagte er - bei ihrer letzten Begegnung habe Biden ihn zum ersten Mal gar nicht erkannt.
Die öffentlichen Forderungen werden begleitet von internem Druck. Hinter den Kulissen versucht die Top-Riege der Demokraten, den Präsidenten zum Rückzug zu bewegen. Dass Barack Obama dabei offenbar einer der Antreiber ist, habe Biden laut Beobachtern zutiefst verärgert.
Der Druck auf Biden ist inzwischen so gross, dass sich der politische Gegner einen Plan B zurechtlegt. Vor allem auf eine bereiten sich die Republikaner vor: Vizepräsidentin Kamala Harris.
Der 59-jährigen Kalifornierin geben die Republikaner die besten Chancen, Biden als Kandidaten zu ersetzen. Auch, weil die Demokraten kaum die erste schwarze Bewerberin ums Präsidentenamt einfach so übergehen könnten, ohne damit einen massiven Aufschrei innerhalb der Partei zu provozieren.
Die Vorbereitungen sind inzwischen sehr konkret: In Umfragen werde bereits getestet, wo eine mögliche Kandidatin Harris bei der Wahl am verletzbarsten wäre. Das berichtet die «New York Times».
Die Republikaner dürften es demnach besonders auf die desaströse Grenzpolitik der Biden-Regierung absehen. Der Präsident hatte seine Stellvertreterin mit dem Problem der illegalen Migration an der Grenze zu Mexiko beauftragt. Die Zahlen erreichten zwischenzeitlich jedoch Rekordwerte. Der Begriff «Grenzkrise» ist in der US-Politik seither allgegenwärtig.
Ferner wollen sie Harris eine Mitschuld daran geben, dass die Verschlechterung von Bidens geistigem Zustand so lange vor der Öffentlichkeit verschwiegen wurde. Dem Harris-Lager dürfte es schwer fallen, das glaubwürdig zu bestreiten.
Offenbar erachten die Republikaner Harris auch als die gefährlichere Gegnerin für Donald Trump. Als die Rückzugsforderungen an Biden nach dem katastrophalen TV-Duell vor gut drei Wochen lauter wurden, stellte die Trump-Kampagne umgehend die Biden-kritischen Werbespots ein, erzählte ein anonymer Trump-Mitarbeiter nun der «New York Times».
Der Ex-Präsident und seine Leute sehen demnach die schwächelnden Umfrage-Werte des Amtsinhabers sowie dessen nachlassende geistigen und körperlichen Fähigkeiten als grosse Chance, die Wahl im November zu gewinnen.
Harris dagegen hat trotz ihrer Dossier-Schwächen durchaus Qualitäten, die den Republikanern Sorgen bereiten. Ein Grund für Trumps starke Umfragewerte ist seine unerwartet hohe Zustimmung bei Afroamerikanern. Harris könnte Trump viele dieser Stimmen am Wahltag abjagen.
Ferner hat sich Harris vor ihrer Polit-Karriere einen Namen als knallharte Bezirksstaatsanwältin gemacht. Eine Frau auf der Seite des Rechts gegen den verurteilten Straftäter Trump - aus dieser Rollenverteilung lässt sich im Wahlkampf seitens der Demokraten wohl mehr machen als aus jener des altersschwachen Biden gegen den Attentats-Überlebenden.
Einige Grossspender der Demokraten beschäftigen sich denn auch schon mal mit der Frage, wer als möglicher Vize-Kandidat an der Seite von Harris in den Wahlkampf gegen Trump ziehen könnte. Laut «Washington Post» seien einige Kandidaten bereits kontaktiert worden. Mit dabei: Josh Shapiro, der Gouverneur von Pennsylvania, sowie dessen Amtskollege aus Kentucky, Andy Beshear. Auch die Namen Gretchen Whitmer (Michigan), Roy Cooper (North Carolina) und Mark Kelly (Arizona) seien gefallen. (bzbasel.ch)