Kurz vor seinem Rennen steht Code of Kings in seinem Stall. Der dreijährige Wallach starrt wie hypnotisiert in die Lichter über dem in Stallnähe platzierten DJ-Pult. Dann wirft er sich plötzlich nach hinten und überschlägt sich, einmal, zweimal, beim dritten Mal bleibt er liegen, blutet aus dem Mund. Code of Kings hat sich selbst das Genick gebrochen. Das Rennen findet ohne ihn statt. Er wird wenig später eingeschläfert.
Es ist nicht der erste Todesfall eines Pferdes in der diesjährigen Vorwoche zum weltberühmten Kentucky-Derby auf der Rennstrecke Churchill Downs in Louisville, Kentucky. Sieben Pferde verlieren innerhalb von wenigen Tagen ihr Leben.
Chloe’s Dream wird ebenfalls eingeschläfert. Jockey Corey Lanerie hatte das Pferd nach der ersten Kurve wegen einer Knieverletzung aus dem Rennen genommen. Doch diese erwies sich als unheilbar. Zwei Tage später sitzt Lanerie im Sattel von Freezing Point. Nach einem Rempler eines anderen Pferdes verdreht sich das Tier brutal das Bein und stürzt. Auch diese Verletzung ist unheilbar: «Es war einfach nur Pech», kommentierte Trainer Joe Lejzerowicz den Unfall, «Freezing Point war komplett gesund, hatte keine körperlichen Beschwerden und trainierte so gut wie nie zuvor.» Freezing Point muss – wie üblich bei unheilbar verletzten Rennpferden – eingeschläfert werden.
Ohne offensichtlichen Grund starben Parents Pride und Chasing Artie. Sie kollabierten nach ihren Rennen am Dienstag und Samstag. Beide Pferde gehörten Ken Ramsey, der in Nicholasville, Kentucky, eine riesige Pferdezucht betreibt. Sein Stall brachte dem ehemaligen Lastwagenunternehmer bisher knapp 100 Millionen Siegprämien ein. Pferderennen und -zucht sind ein lukratives Geschäft. Allein in den USA werden bei Wetten jährlich Summen zwischen 10 und 20 Milliarden Dollar verspielt.
Sowohl Parents Pride wie auch Chasing Artie wurden von Saffie Joseph Jr. trainiert: «Ich bin tief erschüttert … Ich betreue fast 4000 Pferde und so etwas ist mir zuvor noch nie passiert. Es macht einfach keinen Sinn.» Der junge Pferdetrainer (in der dritten Generation) wurde nach den beiden Vorfällen auf unbestimmte Zeit von sämtlichen Rennen auf Churchill Downs suspendiert.
Wie überall, wo im Sport die Geldströme fliessen, sind die leistungssteigernden Präparate nicht fern. Am 22. Mai treten im amerikanischen Pferdesport neue Dopingreglemente in Kraft. Das zuständige Gremium hatte die Einführung kurzfristig noch nach hinten verschoben. Gerade noch hinter den «Run for the Roses» – wie das Derby auch genannt wird.
Die neuen Reglemente wird auch Wild on Ice nicht mehr erleben. Sie war zwar nur Aussenseiterin am Kentucky Derby, wurde aber als Publikumsattraktion verkauft. Denn die Stute wäre vom 60-jährigen Ken Tohill geritten worden, der damit den Rekord als ältester Jockey am Hauptrennen gebrochen hätte. Doch so weit kam es nicht. Wild on Ice musste nach einem Trainingsunfall eingeschläfert werden – genauso wie Take Charge Briana, die sich nach einem Sturz im fünften Rennen vom Dienstag schwere Verletzungen zuzog. Sie stürzte mitten im Gedränge zwischen anderen Pferden.
Damit verloren sieben Pferde in der Vorwoche des Kentucky Derbys ihr Leben. Für die Tierschutzorganisation Peta sind das unhaltbare Zustände: «Churchill Downs ist keine Rennbahn, es ist eine Todeszone», liess Peta in einer Medienmitteilung verlauten. Und für einmal lässt den Veranstalter die Kritik nicht einfach kalt: «Wir werden rigoros daran arbeiten, zu verstehen, wie es zu diesen Vorfällen kommen konnte», schreiben die Rennbahnbetreiber in einer offiziellen Stellungnahme.
Vier Todesfälle kamen aufgrund von Renn- oder Trainingsverletzungen zustande – die weitaus häufigste Ursache im Pferdesport. Diese brutale Seite wird im Pferdesport zwar bedauert, man hat sich aber längst damit abgefunden. Echte Fragen werfen nur die drei anderen Fälle auf. Doch als das «Louisville Courier Journal» knapp ein Dutzend Trainer und Besitzer dazu befragt, will niemand seinen Namen in der Zeitung lesen. Zu verschwiegen ist die Industrie. Anonym meldet sich wenigstens ein Trainer: «In all meinen Jahren hatte ich ein einziges Pferd, das während eines Rennens starb», erklärte er, «Die Autopsie ergab dann, dass es einen angeborenen Herzfehler hatte. Todesfälle können passieren. Aber zwei in einer Woche? Das ist einfach nur Pech – oder einfach nur verdammte Sch*****.»
Kritiker monieren immer wieder, die Kommerzialisierung des Pferdesports – in Kentucky im Besonderen – habe schon lange ein ungesundes Ausmass erreicht. Vielen Pferdefreunden stösst sauer auf, dass Besucherströme durch die Ställe gelotst werden. Die Tiere sind sich diese Art von Stress nicht gewohnt und würden in der Folge fehler- und verletzungsanfälliger, lautet die Argumentation.
Die Zahlen sprechen indes eine andere Sprache. Tatsächlich sind die Todesfälle im US-Pferdesport in den letzten dreizehn Jahren um 37 Prozent zurückgegangen. Dies, nachdem ein nationales Todesursacheregister eingeführt wurde. Damit sollen ungesunde oder angeschlagene Pferde besser identifiziert – und disqualifiziert – werden können. Die Quote der tödlichen Unfälle ist trotzdem noch hoch. Von 1000 gestarteten Tieren überleben 1,25 Pferde das Rennen nicht.
Im Vergleich zu englischen Hindernisrennen sind amerikanische Flachrennen allerdings harmlos. Vor wenigen Wochen starben am Grand National auf der Aintree-Rennstrecke in Liverpool während dreier Jagdrennen drei Pferde. Bei Jagdrennen müssen Hindernisse unterschiedlicher Art übersprungen werden – was viel häufiger tödlich endet. Beim Grand National sterben 13 von 1000 gestarteten Tieren.
Die toten Pferde von Kentucky werden nun, wie es den Regeln des US-Pferdesports entspricht, einer Autopsie unterzogen. Die Resultate sollen in den Fällen von Parents Pride und Chasing Artie Licht ins Dunkle bringen. Die Öffentlichkeit wird davon indes nichts erfahren. Jegliche Hinweise, die zur Identifizierung der Pferde führen könnten, werden zurückgehalten. Es sind einfach nur sieben weitere namenlose Fälle im nationalen Register.
was macht ein DJ-Pult in. Stallnähe?? 😳🙊
Die Traumatisierungen und körperlich psychischen Folter der Pferde, die Alterstechnisch noch Kinder bis junge Teenager sind (Training ab 2, Erwachsen ab 6 Jahren) sind schlimm. Das Pferd das Selbstmord beging ist exemplarisch. Ja Selbstmord. Es gibt auf youtube etliche Videos von sich gezielt überschlagenden Pferden um ihre Reiter los zu werden.
Solche Tiere sind wie gefühlslose Rennmaschinen, brauchen unglaubliche Mengen an Futter und haben am Ende ihrer Rennkarriere mit 6 Jahren viele körperliche und psychische Gebtrechen.