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Ein geopolitisches Erdbeben: Hegseths Ukraine-Aussagen in fünf Punkten

United States Secretary of Defense Pete Hegseth speaks during a meeting of the Ukraine Defense Contact group at NATO headquarters in Brussels, Wednesday, Feb. 12, 2025. (AP Photo/Omar Havana)
Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth zwingt Europa zum Handeln.Bild: keystone

Ein geopolitisches Erdbeben: Pete Hegseths Ukraine-Aussagen in fünf Punkten

In Brüssel kommt es zu einem geopolitischen Erdbeben. Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth stellt die bisherige Ukraine-Politik der USA auf den Kopf – und zwingt Europa zum Handeln.
12.02.2025, 19:0412.02.2025, 19:05
Bastian Brauns / t-online
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t-online

Zum ersten Mal hat der neue amerikanische Verteidigungsminister an diesem Mittwoch in Brüssel seine europäischen Partner und die weiteren zahlreichen internationalen Bündnispartner der Ukraine-Kontaktgruppe getroffen.

Hegseths Auftritt in Brüssel war offensichtlich der gezielt platzierte Startschuss für Donald Trumps grössere Strategie in Bezug auf die Ukraine. Am Mittwochmorgen hat er in Washington (Ortszeit) nach eigenen Angaben mit dem russischen Präsidenten telefoniert. Dabei hat der US-Präsident mit Putin wohl den «unverzüglichen» Start von Ukraine-Verhandlungen vereinbart:

Seinem Verteidigungsminister hatte er passend dazu Tage vor der in München beginnenden Sicherheitskonferenz und kurz vor dem dritten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine eine deutliche Botschaft für die Verbündeten und die Ukraine mitgegeben. Diese soll erklärtermassen den Frieden bringen. Seine Aussagen gleichen dabei einem geopolitischen Erdbeben.

Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth sass in Brüssel direkt zwischen seinen britischen und deutschen Amtskollegen John Healey und Boris Pistorius. Die Stossrichtung von Hegseths Worten überraschte zwar nicht. Denn sie entsprach dem, was seit Monaten den Aussagen Donald Trumps und aus seinem Umfeld zu entnehmen war.

Und dennoch waren seine Erklärungen deshalb so fundamental, weil sie nun nicht mehr im Wahlkampf, sondern von einem Regierungsmitglied verkündet wurden. Sie stellen einen kompletten Wandel der bisherigen US-Politik gegenüber der Ukraine und auch Europas dar – mit weitreichenden Folgen für die Sicherheit des europäischen Kontinents.

Die Erklärungen von Hegseth in fünf Punkten:

Die Ukraine soll Territorien abgeben

Noch bevor mögliche Verhandlungen mit Russland überhaupt begonnen haben, gibt Hegseth das Ziel auf, die Grenzen der Ukraine von 1991 wiederherzustellen. Der amerikanische Verteidigungsminister erklärte wörtlich, dass die Rückkehr zu den Grenzen der Ukraine vor 2014 ein «unrealistisches Ziel» sei. Damit signalisiert die Trump-Regierung, dass sie die vollständige territoriale Integrität der Ukraine nicht länger als Kriegsziel unterstützt.

Im Gegenteil: Das bedeutet in der Konsequenz, die Trump-Regierung ist der Ansicht, dass die Ukraine Territorien an Russland abtreten soll. Sie ignoriert damit nicht nur das Völkerrecht, sondern kehrt auch von der bisherigen US-Politik ab und von der Joe Bidens. Trumps Amtsvorgänger hatte das Recht der Ukraine auf die Rückeroberung aller besetzten Gebiete, einschliesslich der Krim, bis zuletzt unterstützt.

Keine Nato-Mitgliedschaft für die Ukraine

Der US-Verteidigungsminister erklärte deutlich, dass die USA unter Trump keine Nato-Mitgliedschaft für die Ukraine wünschen. Hegseth sagte: «Die Vereinigten Staaten glauben nicht, dass die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine ein realistisches Ergebnis für eine Verhandlungslösung ist.» Egal, wie unrealistisch dieses Ziel auch bislang gewesen sein mag: Diese Aussage untergräbt ein zentrales Anliegen der ukrainischen Regierung, vieler europäischer Verbündeter und auch der früheren US-Regierung.

Die Nato-Verbündeten hatten sich unter Biden noch darauf geeinigt, die Voraussetzungen für den Mitgliedsaktionsplan für die Ukraine aufzuheben, um zumindest einen Weg zur Mitgliedschaft zu schaffen. Hegseth schlug im Namen von Donald Trump stattdessen nun ein alternatives, nicht weiter definiertes Sicherheitsabkommen ausserhalb der Nato vor, das allerdings von europäischen Truppen gestützt werden soll.

Hauptverantwortung liegt bei den Europäern

Den Aussagen von Hegseth zufolge muss Europa künftig die Hauptverantwortung für die Verteidigung der Ukraine übernehmen. Das Signal aus Washington ist unmissverständlich: Die europäischen Nationen sollen ab sofort die Hauptlast der militärischen und wirtschaftlichen Unterstützung für die Ukraine tragen. Als bislang grösster militärischer und finanzieller Unterstützer könnten die USA fortan ausfallen, auch wenn sie sich wohl nicht gänzlich zurückziehen, sondern weiterhin involviert bleiben wollen.

Hegseth forderte die europäischen Verbündeten ausserdem ausdrücklich auf, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Er lobte Polens Ausgaben von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts explizit und gab sie als zukünftiges Ziel für die übrigen Nato-Partner aus. Damit bekräftigte er einmal mehr die bereits mehrfach von Trump ins Spiel gebrachte Erhöhung gegenüber den bislang gemeinsam vereinbarten Nato-Zielvorgaben von zwei Prozent. Ob die USA selbst ihre Ausgaben auch auf fünf Prozent erhöhen werden, liess Hegseth derweil offen. Die USA gaben im Jahr 2023 zuletzt rund 3,4 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aus.

Friedenstruppen – ohne die USA

Hegseth brachte die Idee von Friedenstruppen in der Ukraine ins Spiel, erklärte aber ausdrücklich, dass dies jeglichen Einsatz von US-Truppen ausschliessen würde. Der Amerikaner betonte, dass eine solche wohl hauptsächlich von europäischen Partnern aufzustellende Friedenstruppe dann auch nicht unter den Beistandsartikel 5 der Nato-Charta fallen sollte. Damit distanzieren sich die USA nicht nur von einer eigenen direkten militärischen Verwicklung mit Russland.

Sie überlassen das Risiko einzig den Europäern, sich der feindlich gesinnten Nuklearmacht im Zweifel entgegenzustellen. Dieser Plan widerspricht damit aber den Worten Hegseths, die USA würden auch weiterhin vollumfänglich zum Nato-Bündnis stehen. Die Trump-Regierung definiert nun offenkundig klare Einschränkungen in Bezug auf ihre Verteidigungsverpflichtungen.

Endgültig neue US-Prioritäten

Die weiteren Ausführungen von Pete Hegseth unterstrichen dann die schon lange angekündigte Prioritätenverschiebung der USA in Richtung Pazifik. Die Trump-Regierung will ihren Fokus voll auf China und auf die innere Sicherheit in den USA richten. Hegseth betonte, dass die primären Sicherheitsinteressen nun «auf dem Schutz der eigenen Grenzen» und der «Abschreckung Chinas im Indopazifik» liegen. Europa, so viel ist spätestens nach diesen Aussagen klar, steht nicht mehr im Zentrum der US-Sicherheitsstrategie.

Jetzt müssen sich die Europäer dazu verhalten

Trumps Verteidigungsminister sagte, dass die transatlantische Allianz zwischen den USA, Kanada und Europa über «Jahrzehnte gewachsen» sei und dass die Trump-Regierung auch erwarte, dass sie über weitere «Generationen» andauern solle. Dann aber kam das grosse «Aber». Diese andauernde Partnerschaft würde nicht «einfach so geschehen», so Hegseth. «Es wird nötig sein, dass unsere europäischen Alliierten in die Arena treten und die konventionelle Sicherheit auf dem Kontinent selbst in die Hände nehmen.»

Zu diesen klaren Aussagen der Amerikaner müssen sich die Europäer nun verhalten. Daran ändert auch Hegseths Betonung der gegenseitigen Freundschaft nichts, mit der er die Rede begonnen und auch beendet hatte. Grossbritanniens Verteidigungsminister John Healey wandte sich direkt im Anschluss an Hegseths Stellungnahme an den Amerikaner und sagte: «Wir hören Sie.» Was dann folgte, war der Versuch des Briten, dem eben Gesagten irgendwie noch etwas Positives abzugewinnen: «Wir hören Ihre Verpflichtung zur Nato und dem Artikel 5, zu einer souveränen Ukraine und zu ihrer Verteidigungspartnerschaft mit Europa», sagte Healey.

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    307 Kommentare
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    FrancoL
    12.02.2025 19:19registriert November 2015
    Nun dass Europa handeln muss und dies mit viel mehr Nachdruck ist nicht negativ, denn die Russen bedrohen Europa und Europa sollte sich da emanzipieren und Gegendruck geben. Vielleicht könnte die Schweiz sich da auch etwas einbringen.
    Dass aber die AMIs auch hier den Weg vorgeben wollen und auch wieder ihr Vorgehen aufdrängen ist dann wieder nicht der richtige Weg.
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    postilloni
    12.02.2025 19:37registriert November 2022
    Endlich. Zeit das Europa Farbe bekennt und das Heft in die eigene Hand nimmt. Entweder wir stehen selbst ein für die Ukraine oder wir sind Schuld wenn sie untergeht, ab sofort gibt es keine Ausreden mehr!
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    So oder so
    12.02.2025 22:26registriert Januar 2020
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