Für Donald Trump ist die Sache klar: Wäre er noch Präsident, dann hätte der Iran am Samstag Israel nicht angegriffen - so wie sich auch die Invasion der Ukraine durch Russlands Streitkräfte im Februar 2022 in dieser Traumwelt nie ereignet hätte.
Sein Nachfolger Joe Biden aber habe «Schwäche» gezeigt, und nun würden die Feinde Amerikas sämtliche Warnungen in den Wind schlagen. «Jeder weiss das», sagte der republikanische Präsidentschaftskandidat an einer Wahlkampfveranstaltung in Pennsylvania, als sich iranische Drohnen und Marschflugkörper auf dem Weg nach Israel befanden.
Nun lässt sich trefflich darüber streiten, ob in diesen typisch Trump'schen Aussagen ein Körnchen Wahrheit steckt. Wahr ist zum Beispiel, dass der Iran die Warnungen Bidens, die Attacke auf die iranische Botschaft in Syrien zu vergelten, ignoriert hat. Zuletzt hatte der US-Präsident am Freitag an die Adresse von Teheran gesagt: «Tun Sie es nicht!»
Aus der Sicht vieler Parteifreunde ist diese Debatte allerdings Zeitverschwendung. Sie sind schon lange überzeugt davon, dass Biden die israelische Regierung geschwächt habe. Umgehend meldeten sich am Samstag deshalb führende Republikaner zu Wort, um Israel ihre Verbundenheit zu versichern und Biden zu kritisieren.
Das Weisse Haus habe die Regierung in Jerusalem «unterminiert» und gegenüber dem Iran eine Appeasement-Politik betrieben, schrieb Speaker Mike Johnson auf dem Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter). Die Fraktionsleitung der Republikaner im Repräsentantenhaus kündigte zudem an, ein Hilfspaket für Israel zur Abstimmung vorzulegen. Eine entsprechende Vorlage, in der eigentlich auch neue Geldmittel für die Ukraine vorgesehen sind, ist seit Wochen im Parlament blockiert.
Das Weisse Haus wiederum findet diese Kritik unfair. Biden selbst reiste noch am Samstag zurück nach Washington und brach ein lang geplantes Erholungswochenende in seinem Strandhaus in Rehoboth Beach (Delaware) ab. Im Situation Room des Weissen Hauses beriet sich der Präsident mit den sicherheitspolitischen Vertretern seiner Regierung; auch telefonierte er mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu.
Die Botschaft, die Biden dabei aussandte: Washington steht bereit, um Israel zu verteidigen. An diesem «eisernen Bekenntnis» gibt es nichts zu rütteln, wie die Ereignisse vom Samstag gezeigt hätten. Biden würde es aber bevorzugen, dass Israel nach der erfolgreichen Abwehr des iranischen Angriffs nun von einer Fortsetzung der Konfrontation mit Teheran absieht - und stattdessen nach einer diplomatischen Lösung sucht. Letztlich könne niemand Interesse an einem regionalen Krieg haben, sagte am Sonntag John Kirby, der sicherheitspolitische Sprecher des Weissen Hauses, in einem Fernsehinterview.
Dazu passt: Der amerikanische Präsident soll Netanyahu sinngemäss gesagt haben, dass er als Sieger vom Platz gehe, berichtete der gewöhnlich gut informierte Axios-Korrespondent Barak Ravid. So ist der Iran weitgehend isoliert; und Israel konnte am Samstag auf die Hilfe arabischer Staaten zählen.
Unklar ist allerdings, ob sich Netanyahu von Biden überhaupt noch etwas sagen lässt. Das Verhältnis zwischen den beiden ist zerrüttet, nachdem Washington zuletzt die Kriegsführung Israels im Gazastreifen öffentlich kritisiert hatte. Dies geschah nicht zuletzt deshalb, weil der Demokrat im Weissen Haus der Meinung war, er müsse auf die laute Kritik in seiner Partei am israelischen Ministerpräsidenten und seinem Kabinett Rücksicht nehmen.
Netanyahu wiederum war schon immer sehr begabt, sich in die amerikanische Innenpolitik einzumischen und Demokraten gegen Republikaner auszuspielen. Die Verbündeten von Präsident Biden werfen ihm vor, mit dieser Strategie von seinen eigenen politischen Problemen abzulenken - auch weil die Verhandlungen mit der Hamas über die Freilassung der seit einem halben Jahr festgehaltenen Geiseln nicht vom Fleck kommen.
Aber Netanyahu weiss auch, dass er auf die Unterstützung von Washington angewiesen ist - auch wenn er vielleicht einen anderen Präsidenten bevorzugen würde. (aargauerzeitung.ch)
Mehr muss man nicht mehr analysieren.