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Trump macht Jerusalem zur Israel-Hauptstadt – die Nahost Eskalation in 9 Punkten erklärt

A view of Jerusalem's old city is seen Tuesday, Dec. 5, 2017. U.S. officials have said that President Trump may recognize Jerusalem as Israel's capital this week as a way to offset his likel ...
Der Tempelberg in Jerusalem.Bild: AP/AP

Trump macht Jerusalem zur Israel-Hauptstadt – die Nahost-Eskalation in 9 Punkten erklärt

Die USA haben angekündigt, dass sie Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen. Der Entscheid ist politischer Sprengstoff für Nahost und für den Friedensprozess. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
06.12.2017, 06:0206.12.2017, 15:17
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Es ist ein Schlag ins Gesicht der Palästinenser und das mögliche Ende des Friedensprozesses.  Die USA haben als erstes Land angekündigt, Jerusalem als israelische Hauptstadt anzuerkennen. Die US-Botschaft wird in den nächsten Jahren von Tel Aviv nach Jerusalem zügeln. Trump will die Details heute Nachmittag (Ortszeit) in einer mit Spannung erwarteten Rede verkünden. 

Warum macht Trump das?

Angesichts der Tragweite ist das nicht ganz klar. Ja, er löst ein Wahlversprechen ein. Auch wird Trump damit neuerlich seine Basis begeistern. Aber um die muss ihm gerade eigentlich gar nicht bange sein - und auf der anderen Seite nehmen die USA nun eine schwere Eskalation in Nahost wenigstens billigend in Kauf. Trump verprellt eminent wichtige US-Partner nicht nur in der arabischen Welt. Von praktisch allen Seiten wird die Anerkennung Jerusalems mit einem Ende des Friedensprozesses gleichgesetzt. Das ist ein sehr hoher Preis.

Warum ist Jerusalem die Lunte am Pulverfass Nahost?

Die Stadt ist Juden, Christen und Muslimen heilig. In der Altstadt liegt der Tempelberg. Er gilt Juden und Muslimen als bedeutendes Heiligtum. Nach islamischem Glauben ritt der Prophet Mohammed von dort aus in den Himmel. An dieser Stelle steht heute der Felsendom mit seiner goldenen Kuppel. Daneben befindet sich die Al-Aksa-Moschee. Die Stätten bilden das drittwichtigste islamische Heiligtum. Für die Juden ist der Ort ebenfalls von höchster Bedeutung, weil dort zwei jüdische Tempel standen. Die Klagemauer am Fuss des Tempelbergs ist der Überrest der ehemaligen westlichen Stützmauer des zweiten Tempels, der von den Römern im Jahr 70 zerstört wurde.

epaselect epa06368385 Israeli flag flies near the ancient Jewish cemetery on the Mount of Olives overlooking the old city of Jerusalem, 05 December 2017. Speculation in the media have suggested that U ...
Bild: EPA/EPA

Wie sind die ersten Reaktionen?

International - mit Ausnahme Israels - ausnahmslos sehr kritisch bis verständnislos. Viele Anrainer in Nahost, aber auch Länder wie Deutschland oder Frankreich verwiesen auf das gewaltige Eskalationspotenzial nach Trumps Entscheidung. Die Türkei drohte Israel mit einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen. In den USA kommt dagegen grosse Zustimmung von den Evangelikalen und auch von wichtigen Grossspendern für den Republikaner wie dem Kasinobesitzer Sheldon Adelson.

epa06369276 (FILE) - US President Donald J. Trump (L) shakes hands with Palestinian President Mahmoud Abbas (R) after they held a joint press conference at Abbas' residence in Bethlehem, the West ...
Palästinenser-Präsident Abbas mit Trump.Bild: EPA/EPA

Abbas habe bekräftigt, es werde keinen Palästinenserstaat ohne Ost-Jerusalem als Hauptstadt geben. Er werde mit Staatschefs in aller Welt in Kontakt bleiben, um diesen «inakzeptablen Schritt» zu verhindern.

Neben der Türkei haben mit Deutschland und Frankreich weitere Nato-Verbündete Trump eindringlich davor gewarnt, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Erdogan hatte in Ankara erklärt: «Herr Trump, Jerusalem ist die rote Linie der Muslime».

Wie ist die Situation in Jerusalem entstanden?

Israel eroberte 1967 im Sechs-Tage-Krieg unter anderem Ost-Jerusalem und annektierte es später. Die internationale Gemeinschaft erkennt diesen Schritt nicht an. Die Palästinenser wollen Ost-Jerusalem als Hauptstadt für einen unabhängigen Staat Palästina in Ost-Jerusalem, dem Westjordanland und dem Gazastreifen. Israel beansprucht die ganze Stadt für sich. Die Altstadt mit der Klagemauer und dem Tempelberg liegt in Ost-Jerusalem.

Wie geht es weiter?

Das ist vollkommen unklar. Die USA selbst warnen über ihre Botschaft in Israel vor Gewaltausbrüchen am Mittwoch infolge der Entscheidung. Wenige Themen sind in Nahost aufgeladener und konfliktträchtiger als Jerusalem. Es ist nicht klar, welchen Weg sich Washington nach diesem Alleingang verspricht oder vorstellt.

Welche Lösungsvorschläge für Frieden gab es?

Die Vereinten Nationen wollten Jerusalem nach dem Teilungsplan von 1947 international verwaltet sehen. Im Jahr 2000 schlug der damalige US-Präsident Bill Clinton vor, Jerusalem aufzuteilen. «Was jüdisch ist, bleibt jüdisch, was arabisch ist, wird palästinensisch», lautete seine Formel. Ähnlich sah dies auch die «Genfer Initiative» vor, die 2003 von israelischen und palästinensischen Vertretern erarbeitet wurde. Jüdische Stadtviertel in Ost-Jerusalem sollten zudem unter israelische Hoheit fallen. Saudi-Arabien soll nun kürzlich den alten Vorschlag wieder aufgegriffen haben, Abu Dis, einen Ort am östlichen Stadtrand von Jerusalem, zur Hauptstadt der Palästinenser zu machen. Dies berichtete die «New York Times».

Wer wohnt wo in Jerusalem?

In ganz Jerusalem leben nach Angaben des Zentralen Israelischen Statistik-Büros ungefähr 866'000 Menschen, davon 542'000 Juden und 323'700 Araber. Ost-Jerusalem ist arabisch geprägt, West-Jerusalem jüdisch. In Ost-Jerusalem leben heute schätzungsweise mehr als 200'000 israelische Siedler und rund 300'000 Palästinenser.

Gab es Botschaften in Jerusalem?

Wenn die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt wird, wäre sie nicht die erste Botschaft in der Heiligen Stadt, aber zumindest aktuell die einzige. In der Vergangenheit waren zeitweise sogar mindestens 16 Botschaften zeitgleich dort angesiedelt, schreibt die «Haaretz». Unter anderem Kenia, Bolivien, die Niederlande und Haiti hätten in den 1950er Jahren Botschaften in Jerusalem eröffnet. Allerdings seien die Vertretungen wieder geschlossen worden, die meisten nach der Annexion Ost-Jerusalems im Jahr 1980. 2006 verliessen mit Costa Rica und El Salvador die letzten Botschaften West-Jerusalem.

Welche Unruhen gab es beim Tempelberg?

epa06352680 Police use a water canon to disperse Ultra-Orthodox Jewish demonstrators as they block the Jerusalem Light Rail during a protest against army recruitment in Jerusalem, Israel, 26 November  ...
Ultra-Orthodoxe bei Ausschreitungen in Jerusalem. Bild: EPA/EPA

Im September 2000 besuchte der damalige Oppositionsführer Ariel Scharon demonstrativ den Tempelberg. Die Palästinenser empfanden das als Provokation. Die zweite Intifada brach aus. Mehr als 3000 Palästinenser und 1000 Israelis kamen in den folgenden viereinhalb Jahren durch Gewalt ums Leben. Im Herbst 2015 löste ein Streit um Nutzungs- und Besuchsrechte eine neue Gewaltwelle aus. Seither starben rund 50 Israelis bei palästinensischen Attacken, meist mit Messern geführt. In dem Zeitraum wurden auch rund 300 Palästinenser getötet, die meisten bei ihren eigenen Anschlägen. Im Juli führte ein Streit um neue Sicherheitskontrollen zu Unruhen, bei denen vier Palästinenser starben. Ein Palästinenser erstach drei Mitglieder einer israelischen Familie im Westjordanland. (sda/dpa/amü)

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79 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Snowy
06.12.2017 09:04registriert April 2016
Es gibt nur einen Grund zum jetzigen Zeitpunkt die Verlegung der Botschaft nach Jerusalem zu forcieren:
Man ist an einer Eskalation der Lage interessiert - und möchte eine friedliche (Zweistaaten)-Lösung explizit verhindern.

Wenigstens weiss die Welt nun offiziell, dass die Ziele der offiziellen USA sich mit denjenigen der ultranationalen Zionisten decken.
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kaderschaufel
06.12.2017 11:39registriert Juni 2015
Darf ich daran erinnern, dass vor der Präsidentschaftswahl Kommentare wie "für Europa ist Trump besser als Clinton, weil er weniger Krieg führen und Flüchtlingsströme verursachen wird" ungefähr gleich viel Herze wie Blitze erhalten haben?

Man kann natürlich nicht abschliessend beurteilen, ob das stimmt, aber so etwas dummes, das die allgemeine Sicherheit gefährdet, hätte sie sicher nicht gemacht.
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Lowend
06.12.2017 09:44registriert Februar 2014
Dieser narzistische Vollidiot will einen Weltkrieg anzetteln, um in die Weltgeschichte einzugehen und alle Vollidioten, die ihn bewundern werden ihn dafür vergöttern.
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