Es wird ein historischer Tag in den USA, so viel war bereits vor dem eigentlichen Auftritt Trumps vor dem Gericht klar: Der 76-Jährige ist der erste US-Präsident in der Geschichte des Landes, der wegen eines mutmasslichen Verbrechens vor einem Richter erscheinen muss.
Entsprechend riesig war die Aufmerksamkeit, die dem Spektakel zuteilwurde. Schon am frühen Morgen belagerten Medien, Trump-Anhänger und Trump-Gegner das New Yorker Gerichtsgebäude.
Trump wurde im Vorfeld des Prozesses nicht müde, zu betonen, dass er unschuldig sei, die Vorwürfe gegen ihn haltlos und politisch motiviert seien. Seine Anhängerschaft protestierte dementsprechend lautstark gegen das Verfahren.
Aufgrund der Vergangenheit, insbesondere des Kapitolsturms im Januar 2021, befürchteten die New Yorker Behörden erneut Ausschreitungen von Anhängern des Ex-Präsidenten. Rund 35'000 Polizisten und FBI-Agenten wurden deshalb aufgeboten, um in New York Sicherheit zu gewährleisten.
Knapp eine Stunde vor dem Prozess die Meldung: Trump macht sich auf den Weg ins Gericht. Bekannt wird in diesen Minuten, dass es keinen «Mugshot», ein Polizeifoto, geben wird. Berichten zufolge hätte Trump gerne einen solchen gehabt, da er ihn als Element im Präsidentschaftswahlkampf hätte inszenieren können.
Happening now: Former president Donald Trump heads to court to face charges. pic.twitter.com/BtDsL6wd5y
— Scott McGrew (@ScottMcGrew) April 4, 2023
Rund eine halbe Stunde vor Prozessbeginn traf Trump dann beim Gerichtsgebäude ein. Auf Fragen der zahlreichen Medienschaffenden reagierte er beim Betreten des Gerichts nicht.
Trump betritt den Gerichtssaal:
Donald Trump is now in the courtroom for his arraignment.
— NBC Bay Area (@nbcbayarea) April 4, 2023
Watch live coverage: https://t.co/KUF1wfVP4c pic.twitter.com/tj9k3i9Z4m
Dann wird die Anklage verlesen. Die Staatsanwaltschaft legt Trump die Fälschung von Geschäftsunterlagen in 34 Fällen zur Last. Er habe damit schädliche Informationen und rechtswidrige Aktivitäten vor und nach der Präsidentenwahl 2016 verbergen wollen. Im Zentrum der Vorwürfe steht die Zahlung von Schweigegeld an Pornodarstellerin Stormy Daniels.
Trump und andere hätten systematisch versucht, negative Informationen über ihn zu identifizieren, mit Geld zu unterdrücken und so seine Chancen bei der Präsidentenwahl 2016 zu erhöhen.
Trump habe grosse Anstrengungen unternommen, um all das zu verbergen, indem er Dutzende falsche Einträge in Geschäftsunterlagen vorgenommen habe. Unter den kriminellen Aktivitäten, die er zu verdecken versucht habe, seien auch Versuche, gegen Wahlgesetze zu verstossen.
Nach den New Yorker Gesetzen sei es unter Strafe gestellt, ein Komplott zu schmieden, um einen Kandidaten bei einer Wahl mit unrechtmässigen Mitteln voranzubringen.
Bei allen 34 Anklagepunkten handelt es sich um sogenannte «class E»-Verbrechen, die tiefste Stufe im Bundesstaat New York. Die maximale Gefängnisstrafe dafür beträgt vier Jahre.
Wie bereits vorher angekündigt wurde, plädierte Trump vor Gericht auf «nicht schuldig».
Staatsanwalt Alvin Bragg sprach im Anschluss an die Anklageverlesung zu den Medien. Er sagte:
Gut eine Stunde nach dem Prozessbeginn war die Verlesung der Anklage zu Ende. Trump verliess den Gerichtssaal wieder. Wie bei seiner Ankunft verzichtete er darauf, sich den Medien gegenüber zu äussern.
Seine Anwalt Todd Blanche tat dies jedoch. Er sagte, dass der Ex-Präsident «frustriert und verärgert» gewesen sei – die Anklage sei genau so verlaufen, wie Trump es erwartet habe, und dementsprechend gebe es keine Basis für eine Verurteilung.
Die eigene Stellungnahme bewahrte sich Trump auf – er reiste zurück nach Florida in seine Residenz Mar-a-Lago, wo er sich später äusserte.
Und dies tat er in gewohnter Trump-Manier: Die Anklage gegen ihn sei eine «massive Wahlbeeinflussung in einem Ausmass, wie es unser Land noch nie gesehen hat», wetterte er bei seinem Auftritt in Mar-a-Lago.
«Ich hätte nie gedacht, dass so etwas in Amerika passieren könnte», sagte Trump mit Blick auf die Anklage und beklagte, das Land gehe unter demokratischer Führung den Bach runter. Er stellte die Strafverfolgung gegen ihn als politisch motivierten Versuch seiner Gegner dar, ihn für die Wahl 2024 auszuschalten.
«Unser Justizsystem ist gesetzlos geworden», tobte Trump weiter. Die Demokraten versuchten, es für ihre Zwecke zu missbrauchen, um Wahlen zu gewinnen. «Wir sind eine Nation im Niedergang. Unser Land geht in die Hölle. Und jetzt wollen diese linksradikalen Verrückten unsere Wahlen mithilfe der Strafverfolgungsbehörden beeinflussen», schimpfte er. «Das können wir nicht zulassen.» Die Zuhörerschaft quittierte Trumps Worte mit Applaus und unterstützenden Zwischenrufen.
Der Republikaner bezeichnete zudem die Anklageschrift als lächerlich und den zuständigen Staatsanwalt Alvin Bragg als Versager.
Die aktuellen Entwicklungen rund um Trumps Anklage gibt es auch hier im Liveticker:
Das Prozedere nach der Anklageverlesung wird sich nun lange hinziehen. Vor einem Prozess gibt es zunächst eine Reihe von Anhörungen und die Möglichkeit, verschiedene Anträge zu stellen. Trumps Anwälte könnten hier versuchen, die Vorgänge zu verzögern und einen Prozess noch zum Platzen zu bringen.
Er selbst soll erst am 4. Dezember wieder vor Gericht erscheinen. Einen Antrag an Richter Juan Merchan, aufgrund der hohen Sicherheitsaufwendungen nicht persönlich erscheinen zu müssen, lehnte dieser ab. Für Trump würden dieselben Regeln gelten wie für alle anderen Angeklagten.
Die Staatsanwaltschaft schlug als Starttermin für einen möglichen Prozess gegen Trump Januar 2024 vor, die Verteidigung machte sich für einen späteren Zeitpunkt stark – im späten Frühling 2024. Richter Merchan sagte, es sei vernünftig, so schnell wie möglich vorzugehen. Im November 2024 steht in den USA die nächste Präsidentenwahl an. Die parteiinternen Vorwahlen beginnen voraussichtlich im Februar 2024.
Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und DPA.