Schuldig in 34 von 34 Anklagepunkten. Dieses historische Urteil gegen Ex-Präsident Donald Trump haben am Donnerstagnachmittag (Lokalzeit) die Geschworenen im New Yorker Strafprozess verkündet. Das Urteil fiel nach etwa 11 Stunden Beratung, schneller als erwartet. Trump nahm den Urteilsspruch zur Kenntnis, ohne eine Miene zu verziehen.
Die Geschworenen wiederum gaben ihr Urteil kommentarlos ab. Die sieben Männer und fünf Frauen sind nicht dazu verpflichtet, Auskunft über die stundenlangen Beratungen hinter verschlossener Tür zu geben.
Vorerst bleibt deshalb unklar, welche Augenblicke im 23 Tage dauernden Prozess den Ausschlag gegeben hatten. War es der berühmte Angeklagte, der auch während explosiven Zeugenaussagen mit geschlossenen Augen am Tisch der Verteidigung sass – und manchmal gar einnickte? Oder war es die Pornoschauspielerin, die viel zu ausführlich über eine aussereheliche Affäre mit Trump Auskunft gab, dem Auslöser für diesen Strafprozess. «Wir waren in der Missionarsstellung», sagte Stormy Daniels, zum Verdruss von Richter Juan Merchan.
Klar ist eigentlich nur, dass es an Michael Cohen kein Vorbeikommen gab. Der ausgebildete Jurist war einst ein enger Vertrauter von Trump. Er verehrte den reichen Geschäftsmann und Neo-Politiker, imitierte ihn und positionierte sich als «Mann fürs Grobe». Cohen wollte der Pitbull sein, der Trumps Probleme zum Verschwinden bringt. Dabei verursachte er zwar immer wieder neue Schwierigkeiten, spöttelte eine andere Trump-Vertraute. Aber wahr ist eben auch, dass Trump seinem Untergebenen vertraute und ihn gewähren liess. Cohen war sein Schild, sein Rammbock.
Also ergriff Cohen in der heissen Phase des Präsidentschaftswahlkampfes 2016 selbst die Initiative und bezahlte 130'000 an Stormy Daniels. Er erkaufte sich damit, im Namen Trumps, das Schweigen der Pornodarstellerin – hätte sie doch mit einem gut platzierten Interview dem taumelnden Wahlkampf des Republikaners den Gnadenstoss versetzen können. Auch wenn sich die Affäre 2006 ereignet haben soll.
Diese Zahlung war nicht illegal. Viele reiche Männer (und wohl auch einige reiche Frauen) handeln solche Schweigegeld-Abkommen aus. Gesetzeswidrig war vielmehr, was sich nach der Geldübergabe an Stormy Daniels abspielte.
Im Januar 2017, kurz bevor Trump den Amtseid als amerikanischer Präsident ablegte, soll im Trump Tower in New York ein Treffen stattgefunden haben. Trump war dort. Sein Finanzchef war anwesend. Und natürlich Cohen. Sie besprachen, wie Cohen für seine Zahlung an Stormy Daniel entschädigt werden solle. Trump habe ausdrücklich sein Einverständnis dafür gegeben, die Zahlungen an Cohen in der Buchhaltung des Familienunternehmens Trump Organization als Anwaltskosten zu kaschieren, sagte Cohen vor Gericht. Auch Weisselberg sei damit einverstanden gewesen.
So geschah es dann auch. Cohen stellte Rechnungen, Trump unterzeichnete die entsprechenden Schecks (im Oval Office des Weissen Hauses in Washington) und Weisselberg buchte die Transaktionen als juristische Ausgaben («legal expenses») ab. Angeblich habe die Buchhaltungssoftware der Trump Organization keine bessere Option zugelassen, sagte Trumps Anwalt.
Auf Anweisung des Chefs wurde so die Buchhaltung eines Unternehmens gefälscht. Das ist eine schwere Straftat, sagte die Staatsanwaltschaft, weil der Präsidentschaftskandidat mit Hilfe dieser Geldflüsse Wahlkampf-Vorschriften aushebelte. Trump habe versucht, die amerikanischen Wählerinnen und Wähler zu betrügen, sagte Staatsanwalt Joshua Steinglass am Dienstag.
Der Präsident akzeptierte diese Darstellung nie. Eine alternative Erklärung für die Geldzahlungen an Cohen, die Trump auch schon als «Rückerstattungen» bezeichnet hatte, legten die Rechtsanwälte des republikanischen Präsidentschaftskandidaten vor dem New Yorker Lokalgericht allerdings nicht vor.
Sie folgten damit dem Wunsch ihres Klienten. Denn Trump will, aus politischen Gründen, nicht öffentlich über seine alten Frauen-Geschichten reden. Auch wenn sämtliche Indizien darauf hindeuten, dass er vor fast 20 Jahren auch seine dritte Ehefrau Melania Trump betrogen hatte. Stattdessen musste sein Anwalt vor Gericht behaupten, dass die ganze Geschichte erfunden worden sei, um Trump zu blamieren.
Damit stellte Blanche seinen Klienten als teilnahmslosen Zuschauer dar, der abnickte, was Cohen eingefädelt hatte. Und ohne mit der Wimper zu zucken Hunderttausende von Dollars bezahlte. Das passt schlecht zum Bild des allwissenden, knauserigen Super-Managers, das Trump stets von sich selbst zeichnet.
Besser zu Trump passte, wie sein Anwalt Todd Blanche den Kronzeugen der Anklage attackierte. «Michael Cohen ist der grösste Lügner aller Zeiten», sagte Blanche. Das ist wohl ein bisschen übertrieben, und war vielleicht auch ein wenig kontraproduktiv – schliesslich hatte Trump diesen Lügner einst zu seinem Vertrauensanwalt erkürt.
Aber Cohen steht mit der Wahrheit tatsächlich auf Kriegsfuss. Auch deshalb landete er im Gefängnis, Ende 2018 verurteilt von einem Bundesrichter zu einer mehrjährigen Haftstrafe. Wahr ist auch: Nach seiner Freilassung im November 2021 verwandelte sich der Häftling mit der Nummer 86067-054 in einen Racheengel.
In den vergangenen Jahren kritisierte kein Ex-Vertrauter Trumps den republikanischen Präsidentschaftskandidaten derart häufig und derart verbissen wie der vorbestrafte Michael Cohen. Das hat ihm nicht nur Genugtuung verschafft. Cohen verdiente in dieser neuen Rolle auch Millionen von Dollars, wie er vor Gericht zugab.
Das wäre eigentlich Motiv genug, um endlich die Wahrheit zu sagen. Die Geschworenen jedenfalls kamen zum Schluss, dass Cohens Aussagen glaubwürdig genug waren, um den Angeklagten zu verurteilen - natürlich auch, weil von der Anklage zahlreiche Dokumente präsentiert wurden, die seine Aussagen untermauerten.
Trump wird sich mit dem Urteil natürlich nicht abfinden. Der republikanische Präsidentschaftskandidat wird es in der nächsten Instanz im New Yorker Gerichtssystem anfechten. Und darauf hoffen, dass die Berufungsrichter zum Schluss kommen werden, dass dem Richter oder der Staatsanwaltschaft ein Verfahrensfehler unterlaufen ist. Aber vorderhand muss Trump damit leben, dass er von einem Geschworenengericht verurteilt worden ist und damit als Verbrecher gilt.
Das Strafmass gegen den Ex-Präsidenten wird Richter Merchan in einigen Wochen verkünden. Auf seinen Wahlkampf hat das Urteil keinen Einfluss: Trump könnte auch als vorbestrafter Krimineller zum Präsidenten gewählt werden.
Danach kann ich zufrieden schlafen gehen